Im "Zukunftslabor Offenburg"

Experimentelle Kunst von Nanine Linning und Bart Hess

Bettina Kühne
Lesezeit 4 Minuten
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11. November 2019
Szene aus der Tanz-Installation „Double Helix“

(Bild 1/2) Szene aus der Tanz-Installation „Double Helix“ ©Emmanuel Viverge

Nanine Linning und Bart Hess präsentierten auf dem Georg-Dietrich-Areal ein experimentelles Stück mit viel interessantem Material und zurückgenommener Bewegung. Wer viel Raum hatte, war das Publikum: Es durfte sich um das Gezeigte mit dem Titel „Double Helix“ beliebig herum bewegen.

„Willkommen in der Zukunft, willkommen in einem Experiment“: Mit diesen Worten gab Bürgermeister Hans-Peter Kopp die Bühne frei für die Uraufführung von „Double Helix“. Freilich ist Bühne nicht der passende Begriff, denn die vier Räume im Georg-Dietrich-Areal in Offenburg zeigten keine klassische Theatersituation. „Sie dürfen sich frei im Raum bewegen, wenn ich Sie auffordere, in den nächsten Raum zu wechseln, kommen sie bitte alle mit“, hatte Edgar Common, Leiter des Kulturbüros, den Zuschauern mit auf den Weg gegeben.

Und da stand man dann, nachdem im zweiten Anlauf das „Go“ über das Headset gekommen war, im Dunkeln. In der Mitte, auf einem Podest, das die Tonne statisch gut verteilte, leuchtete ein Aquarium. Eine junge Frau ließ in der milchigen Flüssigkeit Luftblasen aufsteigen, stemmte sich mit ans Glas gedrückten Zehen gegen die Scheiben oder zog ihre langen Haare hinter sich her. Ans Ohr drang ein Gemisch aus Tönen und Wortfetzen, die die aus zwei gegenüberlegenden Wänden heraus modellierten Gesichter der Avatare ausspukten. 

„Engineering“ war eines der Schlüsselworte im von Tanzland geförderten Projekt „Zukunftslabor Offenburg“,  in dem die Schnittstelle von Mensch und Maschine beziehungsweise der Optimierung des Menschen durch Technik nachgespürt werden sollte.

Im nächsten Raum rollte ein Derwisch im Ring, der zwei Köpfe, zumindest aber einige größere Knubbel unter seinem zottigen Häs verbarg. Auf einem weiteren Rund wurden im Wasser liegend Zwillinge ausgebrütet, Designerbabys mit krampfenden Händen und Beatmungsschläuchen. Ihre Luftsäcke zuckten und raschelten vermutlich durch den selben Mechanismus, der die Muscheln am ausladenden Kleid einer weiteren Tänzerin klackern ließen. Sie lag unter ihrem Muschelkleid auf einer Rampe und hob gelegentlich gequält den Kopf – mehr Bewegung war ihr nicht möglich.

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Fragen nach der Technik

Die dritte Fläche erregte Misstrauen: Lag da nur ein zusammengeschobener Stoff in der Textur eines Kunstrasens? Oder schnappt plötzlich etwas zu? Überhaupt: Wie funktioniert das alles technisch? Die Frage nach der Technik wurde im dritten Zimmer noch drängender, wo zwei Tänzerinnen mit einer technisierten Mischung aus Schlange und Blutegel flirteten und zwei andere schwarz glänzend lackiert.statuengleich auf einem Rollwagen verharrten. „Mit dem Material können schon die kleinsten Kinder spielen“, bekräftigte ein Besucher auf Englisch. „Slime“ – ein Material, mit dem Bart Hees schon früher für seine Installationen experimentiert hatte.

Gleiches galt für die letzte Station, bei der eine Art weißer Flatterkleidchen die Blicke auf sich zogen. Die Wachskittelchen zählen ebenfalls zu Hess’ Schaffen, ebenso die mit dicken Blasen versehenen Tänzer. Wie Geschwüre oder Missbildungen sahen sie aus und standen für das nach Ästhetik suchende Auge in krassem Gegensatz zum harmonischen Pas de deux der Akteure. 

Optimierung ist auch für Nanine Linning selbst ein Thema, die sich unauffällig unter die Gäste gemischt hatte und nur am Headset auszumachen war, über das sie die Uraufführung noch beeinflusste. „Das Licht zurücknehmen“ wies sie bei einem Bild an, in dem ein Mann mit unbestimmtem Ziel vor Augen versuchte, seiner Vernetzung zu entkommen, dabei aber immer wieder zurückgeworfen wurde. 

Am Ende war nur noch ein Areal beleuchtet. Eine Frau, die sich ähnlich einem Tier mit gehetztem Blick unter den Spots zweier Männer bewegte, wurde nach und nach eingekesselt und unter einer runden Plastikplane gefangen. Die Luft wird knapp, die Lichter strahlen weiter – das quälende Finale trägt die typische Handschrift der Choreografin. Mit zehn Tänzern ihrer Dance Company sowie jungen Darstellerinnen des Ballettstudios Gründler in Offenburg hat sie die Möglichkeit geschaffen, Tanz einmal mehr ganz anders zu erleben.
 

Info

Weitere Termine

Vom Donnerstag, 28. November bis Samstag, 30. November werden nochmals Rundgänge im „Zukunftslabor“ Offenburg angeboten. Die Termine:

Donnerstag, 28. November: 19.45 Uhr
Freitag, 29. November: 19, 19.45, 20.30 und 21.15 Uhr
Samstag, 30. November: 19, 19.45 und 20.30 Uhr
Außerdem hält der Wissenschaftler
Matthias Haun am Samstag, 30. November, um 18 Uhr einen Vortrrag zum Thema Künstliche Intelligenz „trifft“ Lebenswelt. 

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