Forellensprung mit Jodler
Für Furore sorgten „The Erlkings“ aus Wien beim Gengenbacher Kultursommer: Die vier Musiker verpassten den Kunstliedern von Schubert einen neuen Stil. Übersetzt in ein launiges Englisch, verpasste der US-amerikanische Bariton Bryan Benner mit seiner Band Schuberts Werk den Stil des Singer-Songwriter-Genres.
Das Klavier? Fehlanzeige. „Das Glück oder Pech ist, das es keiner von uns spielen kann“, meinte Ensemblegründer Benner. Also trat er mit Ivan Turkalj am Cello an, der die Stücke auch, wie etwa bei „Gretchen am Spinnrad“, von der Stimmung her zusammenhielt und natürlich mächtig für dramatische Untermalung sorgte.
Ganz generell gelang ein Wumms zum Drama: Lautmalerisch wurden die Bilder der Texte verstärkt, zu denen der von Heuschnupfen geplagte Sänger entsprechende Grimassen schnitt. Simon Teurezbacher setzte an der Tuba Akzente, hatte oft den letzten Ton oder glänzte mit Soloparts. Thomas Toppler, Markenzeichen Quitscheentchenkrawatte, sorgte am Schlagzeug für Spaß. Ruhte sein Percussionsset, formte er mit den Händen ein Herzchen oder ließ die Sticks durch die Luft wirbeln.
Gerne durfte das Publikum mitmachen: Vor dem namengebenden Stück, Goethes Erlkönig, von Schubert vertont, fragte der Sänger kurz die Textkenntnis des Publikums ab. Bis ganz zum Ende der Ballade kamen die rund 80 Gäste nicht. Gar nicht schlimm, wenn nicht ein Oberlehrer das ganze Stück rezitieren müsse, gab sich Benner erleichtert.
Beim „clever little trout fish“, wie die launische Forelle übersetzt wurde, war das Publikum mit vollem Einsatz gefragt: Es sollte den schwer zu spielenden Part der Klavierstimme, den Sprung der Forelle, mitjodeln – bis zum „tragic end“.
Den versprochenen Einblick, wie die Lieder von anno dazumal ihren neuen Stil bekommen, gab Benner: „Wir schauen uns die Klavierstimme an, und jeder sagt, was er spielen möchte.“ Man fühle mit Schubert, der früher durch die gleichen Gassen wankte wie die vier nach einem ausge-
lassenen Abend. Apropos Wiener Schmäh: Auch der Dreivierteltakt des Wiener Walzers drängte in den Vordergrund.
Pfeifen auf das Marimbaphon
In der Gegenwart angekommen waren übrigens nicht nur Schuberts Kunstlieder, sondern auch die Art der Anreise: Nachhaltig war das Quartett mit der Bahn unterwegs. Dort fanden zwar Cello, Gitarre und Tuba leicht Platz, nicht aber das Schlagzeug von Thomas Toppler. Das musste Kultursommer-Projektleiterin Henrike von Heimburg noch in letzter Minute organisieren. Indes gelang es nicht mehr, ein Marimbaphon beizuschaffen. „Wir pfeifen für Sie, wir pfeifen quasi auf das Marimbaphon“, kündigte Benner deshalb an.
Abbruch tat das der Sache nicht: Wie viele andere Details, sei es in den Übersetzungen oder bei der Performance, mit der „The Erlkings“ die Stücke untermalten, blitzte in diesem Projekt reichlich Humor durch. So schmetterten die Musiker im bekanntesten aller Kunstlieder, dem zum Volkslied gewordenen „Das Wandern ist des Müllers Lust“ beim Refrain „I’m wandering, I’m wandering“, den wie gewohnt Benner sang, die einzige deutsche Phrase in den Raum: „das Wandern!“
Am deutlichsten wurde die „Übersetzungsarbeit“ der Erlkings bei den beiden Shakespeare-Stücken. „Who ist Silvia“ aus „Two Gentlemen of Verona“ gab Benner zunächst im Stil eines mittelalterlichen Sonetts, bevor es zum Reggae wurde. „Wir testen immer, ob ein Stück zum Reggae taugt, aber die wenigsten tun es“, witzelte er.
Wie sehr die Gruppe, die seit zehn Jahren mit ihrer Idee unterwegs ist, am Puls der Zeit liegt, zeigt sich darin, dass sie kürzlich im Globe Neuss mit einem Shakespeare-Abend auftraten: Dort wollte man den englischen Dichter in moderner Version hören. Begeisterten Zwischenjubel und am Ende den verdienten Applaus gab es auch in Gengenbach.
INFO: Der Kultursommer wird am Donnerstag, 15. Juni, mit „Maybebob“ fortgesetzt. Mehr zum Programm: www.bo.de/3No