Gerlinde Brandenburger-Eisele sagt "salü"

(Bild 1/3) Gerlinde Brandenburger-Eisele. Ihr Büro im Ritterhaus Offenburg ziert unter anderem ein Bild von Dieter Schosser, dass anlässlich seiner Ausstellung 1994 in Offenburg entstand. Foto: Christoph Breithaupt ©Christoph Breithaupt
„Es waren immer schöne Begegnungen“: Gerlinde Brandenburger-Eisele, promovierte Kunsthistorikerin, hat knapp 30 Jahre lang Museum und Städtische Galerie der Stadt Offenburg betreut.
Nun geht sie in den Ruhestand und freut sich auf die Dinge, die da kommen werden.
Dass in diesem Büro im Offenburger Ritterhaus jemand arbeitet, der sich mit Kunst beschäftigt, wird schnell deutlich. An den Wänden Bilder von Gretel Haas- Gerber und eine Arbeit von Dieter Schosser, entstanden 1994 zur Ausstellung in Offenburg, ein „Lieblingswerk“ der Bewohnerin. Bilder lehnen an den Wänden, die Schränke sind gefüllt mit Publikationen und Katalogen. Bis Ende November ist dies das Reich von Gerlinde Brandenburger-Eisele. Die Kunsthistorikerin, die seit 1993 zunächst im Museum im Ritterhaus, seit 2007 in der neuen Städtischen Galerie Kunstausstellungen kuratiert hat, geht in den Ruhestand.
Viel ist in dieser Zeit geschehen. Die promovierte Kunstwissenschaftlerin schaut gerne zurück. Schaut sie auch gerne nach vorne? „Klar, alles hat seine Zeit. Es ist okay so. Jetzt ist die nächste Generation dran“, sagt sie pragmatisch. „Es hat immer Wendungen gegeben, das habe ich stets begrüßt. Sie sind Teil des Lebens und ich gehe gerne auf Neues zu.“ Der gegenwärtige Ausschluss der Kultur sei zwar nicht schön, aber „ich denke, das ist was Temporäres.“ Diskriminierung sieht sie nicht dahinter, es sei eine Frage der Pragmatik. Dass die wiederholten Museumsschließungen dazu führen könnten, dass die Menschen die Lust auf Museum verlieren, verneint sie kategorisch: „Das Bedürfnis ist immer da, ins Museum zu gehen“.
„Das Original ist etwas anderes“
Dass man Kunst aus aller Welt inzwischen virtuell bestaunen kann, sei zwar wunderbar, aber nicht optimal. „Das Original ist etwas ganz anderes“, sagt sie mit Ausrufezeichen. „Es ist ein Erlebnis, wenn man Bilder aus anderen Zeiten betrachtet, hunderte von Jahren alt, man begegnet Menschen, die damals gelebt haben...“, kommt sie ins Schwärmen. „Allein schon das Format, die Proportionen, die Oberfläche und die besondere Haptik“ – das könne man am Bildschirm nicht mal erahnen. Diese Situation erinnert sie an ihre Studienzeiten, als man noch nicht mal eben so nach Rom oder Florenz fliegen konnte, stattdessen Diashows über sich ergehen lassen musste. „Doch dann kam der erste Besuch in Florenz, einer faszinierenden Stadt voller Kunst und Kultur“, erinnert sie sich.
Ein Faible für Geschichte
Sie sei immer an Geschichte interessiert gewesen, an den sich ändernden Zeiten, auch das Mittelalter hat es ihr angetan, immerhin hat die Kunstexpertin im Nebenfach mittelalterliche Literatur studiert: „Walther von der Vogelweide und seine wundervollen Gedichte – das liebe ich immer noch“. Und: „Wir haben in gewisser Weise bisher in recht angenehmen Zeiten gelebt, aber jede Zeit hat so ihre Herausforderungen.“
Los ging alles am 1. Februar 1989 mit dem Volontariat in der Staatlichen Kunsthalle Karls-ruhe. 1990 sollte das 175-Jährige Stadtjubiläum gefeiert werden, die Volontärin erhielt den Auftrag, ein umfassendes Konzept für die Jubiläumsschau „Kunst in der Residenz“ zu entwickeln. Ein großes Kompliment und ein großer Vertrauensvorschuss. „Ich fühlte mich wie ein Fisch im Wasser“, sagt Gerlinde Brandenburger-Eisele lachend. Diese Herausforderung passte ihr gut, sie konnte forschen, suchen, sammeln, ordnen. So entdeckte sie eine Historienmalerei aus dem 19. Jahrhundert – aufgerollt, abgelegt und vergessen.
Nach dem Volontariat war sie in der Stadtgeschichtlichen Sammlung Karlsruhe zuständig unter anderem für die Sichtung der Bestände. Wieder machte sie Entdeckungen: Figuren, die man später als Modelle für die längst zerstörten Figuren an der Fassade der Alten Pinakothek in München erkannte.
1993 nach Offenburg
„Mit diesen vielfältigen Erfahrungen bin ich 1993 nach Offenburg gekommen“, sagt Gerlinde Brandenburger-Eisele. Damals leistete der Künstlerkreis Ortenau Pionierarbeit in Sachen zeitgenössischer Kunst, gab es den Keramikwettbewerb, 2003 eingestellt, gründete sich 1996 der Kunstverein Offenburg-Mittelbaden. Spätestens da wurde klar, „es gibt hier Menschen, die sich mit Kunst beschäftigen wollen“, sagt die Kuratorin.
Ihr erster Auftrag war die Zusammenarbeit mit der Offenburger Künstlerin Gretel Haas-Gerber, um eine Ausstellung zu ihrem 90. Geburtstag vorzubereiten. „Von Januar bis Juni hat sie Rainer Nepita und mir mindestens 1000 Zeichnungen gezeigt.“ Im Museum und in der Alten Wäscherei gab es dann das zeichnerische Werk von den 1920er-Jahren bis 1993. „Das war eine wunderbare Begegnung mit einer großen Künstlerin und ein schönes gemeinsames Projekt mit dem Künstlerkreis Ortenau“.
In Offenburg begann auch ihre engere Beziehung zu zeitgenössischen Künstlern, „und in der Ortenau gibt es eine breite und sehr interessante Szene“. Gerne erinnert sie sich an die Alt-Offenburger-Schau von 2003, „Der pittoreske Blick, Offenburger Maler sehen ihre Stadt“. Hubert und Aenne Burda kamen zur Vernissage im Ritterhaus.
Die Ausstellung von THITZ mit seinem aufsehenerregenden „Offenburger Bag Art Project“ ist ihr in bester Erinnerung, auch der Austausch mit Künstlern aus der österreichischen Partnerstadt Weiz, darunter Hubert Brandstätter und Walter Kratner, die zuletzt beim europäischen Künstlersymposium des Künstlerkreises in Offenburg dabei waren. „Auch das waren ganz besondere Erlebnisse und Begegnungen“, sagt die Kuratorin.
Zu ihren „Highlights“ gehört zudem die Schau „Die Hälfte des Himmels“, die auf Initiative von Ilse Teipelke 1999 zeitgenössische chinesische Künstlerinnen im Salmen, im Museum und in der Alten Wäscherei präsentierte. 2006 war sie an der historischen Sensationsausstellung „Alte Welt und Neues Wissen“ beteiligt, in der als kostbare Rarität die wiederentdeckte Weltkarte von Waldseemüller im Ritterhaus gezeigt wurde.
Ein neues Kapitel
Mit der Städtischen Galerie im Kulturforum ab 2007 wurde ein neues Kapitel aufgeschlagen. Die Haas-Gerber-Schau auf zwei Etagen und die jährlichen Themenausstellungen gehörten zu den schönen Pflichten der Kuratorin, denn die Künstlerin hatte einen Großteil ihrer Arbeiten der Stadt Offenburg vermacht. In der neuen Galerie gab es viele weitere Möglichkeiten der Kooperation, so mit dem Künstlerbund Baden-Württemberg, aber auch mit dem Kunstverein, mit dem man die Ausstellungsfläche verdoppeln konnte – die gemeinsame Schau Raymond Waydelich 2017 gab erstmals einen Überblick über das gesamte Schaffen dieses Ausnahmekünstlers, „das große Werk eines großen Mannes“.
„Wichtig waren mir Vernetzungen“, etwa 2013 die mit der Ceaac (Zentrum für zeitgenössische europäische Kunst) konzipierte und parallel in Straßburg und Offenburg präsentierte deutsch-französische Schau „Promenade“. Der Blick von außen spielte eine Rolle, dafür gab es die Ausstellungen der Gastkuratoren – etwa des Bildhauers Werner Pokorny oder der heutigen Kunststaatssekretärin Petra Olschowski. Dann die Schwerpunktschauen: Fotografie, Bildhauerei (Werner Pokorny, Robert Schad oder Axel Anklam), Zeichnung (Katharina Hinsberg), Malerei (Karin Kneffel). „Es waren so viele spannende Erlebnisse und Begegnungen.“. Einen „Liebling“ zu nennen, sei da kaum möglich. „Welche künstlerischen Strömungen sind in der Region zu beobachten und welche außerhalb? Wir wollten gute und spannende Positionen finden und zeigen – das war immer ein Spagat“, sagt die Kuratorin, der ihr ziemlich gut gelang.
Im Blick hatte sie stets auch jüngere Künstler wie Tim Otto Roth und Stefan Strumbel, mit dem dänischen Maler Adam Saks und dem Hallenser Pop-Art-Künstler Moritz Götze stellte sie weitere herausragende Werkkomplexe vor. „Sehr wichtig“ war ihr auch die Kommunikation und der Austausch mit Kollegen andernorts, insbesondere mit jüngeren Kuratoren. Ein neues Projekt war der Oberrheinische Kunstpreis, zum ersten Mal vergeben 2011 an Corinne Wasmuht, aktuell an Peter Bosshart.
„Eine schöne Zeit“
Obligatorisch fragt man bei einem Rückblick nach Pleiten, Pech und Pannen. Die Antwort kommt sehr spontan: „Für mich war vor allem wichtig, wenn es bei der Vernissage strahlende Gesichter gab, wenn ich den Besuchern mit der neuen Ausstellung eine Freude machen konnte“. Sie sei dankbar für die gute Zusammenarbeit mit dem gesamten Team im Ritterhaus und denke gerne an viele Gespräche bei den Ausstellungen.
Warum hat sie mit den vielen Veröffentlichungen nicht unterrichtet? „Ich habe gerne geforscht, aber erfüllend ist das Erlebnis im Museum, in der Galerie, mit und vor den Objekten, der Umgang mit den Artefakten“, betont Gerlinde Brandenburger-Eisele. Einer ihrer Lehrer habe ihr mitgegeben, „die Leute wollen die Bilder mit Ihren Augen sehen. Vermitteln Sie nicht nur Ihr Wissen, sondern auch Ihre Gefühle“ – das hat sie zu ihrem Credo gemacht.
Im Ritterhaus und in der Galerie hat sie seit 1993 rund 100 Ausstellungen für die Stadt kuratiert. „Es war eine schöne Zeit mit vielen guten Begegnungen.“ Jetzt sagt sie „salü“ und ist „gespannt auf das Kommende“.