Achern

In den Bann des Schreckens gezogen

Wolfgang Winter
Lesezeit 3 Minuten
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23. November 2021
Schauspieler Jens ­Wawrczeck fesselte mit seiner Schilderung der Vogelangriffe.

Schauspieler Jens ­Wawrczeck fesselte mit seiner Schilderung der Vogelangriffe. ©Daniela Busam

Hochspannung im Acherner Bürgersaal. In seiner Reihe „Hitch & ich – Ein Fall für Jens Wawrczeck“ las der Schauspieler Daphne Du Mauriers Meistererzählung „Die Vögel“.

 Jens Wawrczeck“, der in der Hörspielserie „Die drei ???“ als Sprecher agiert, bekannte am Anfang seines Auftritts beim gong-Kulturprogramm: „Ich liebe die Filme von Alfred Hitchcock“. Für ihn gäbe es kaum einen Filmemacher des 20. Jahrhunderts, „der auf so unvergleichliche Art seine Sehnsüchte, Ängste und Alpträume in legendäre Filmszenen umgesetzt hat“.
Der „Master of Suspence“ habe sich in der Regel von literarischen Vorlagen inspirieren lassen, die er nach eigenem Gusto radikal veränderte. Auch Daphne Du Mauriers Novelle „Die Vögel“ musste bei ihm Federn lassen. Dass der Film statt im regnerischen Cornwall, im sonnigen Kalifornien spielte, hat vermutlich ein Zeitungsartikel verursacht. Die von Hitchcock im August 1961 bei der Redaktion des „Santa Cruz Sentinel“ angeforderte Reportage berichtete, dass an der Küste Kaliforniens in kurzer Zeit Tausende von Vögeln vom Himmel regneten und in Häuser und Autos stürzten. Acht Personen beklagten Vogelbisse. Zwei Jahre später feierte Hitchcocks Schocker Premiere.

Schreie vom Theremin

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Zur Einstimmung zeigte Wawrczeck einen kurzen Zusammenschnitt des Streifens. Hier war auch die grandiose Hauptdarstellerin Tippi Hedren zu sehen, die auf Grund der realitätsnahen Einstellungen einen Nervenzusammenbruch erlitt. Die Ausschnitte wurde vom Jan-Peter Pflug virtuos auf dem Theremin begleitet. Geisterhaft erscheinende Grundstimmungen und die schrillen, durch Mark und Bein gehenden Schreie der Vögel wurden allein mit dem einzigartigen, 1920 in Russland erfundenen Musikinstrument produziert. Für das authentisch wirkende Flügelflattern nutzte Pflug eine einfache, höchst geschickt geschüttelte Kartonage.
In Jens Wawrczecks Lesung rückten die Bilder des Films in den Hintergrund, basieren sie doch auf Du Mauriers ebenso packender Novelle. Sie erzählt die Invasion der Vögel aus der Sicht eines Landarbeiters. Der Kriegsversehrte bewohnt mit Frau und Kindern ein kleines Cottage in Cornwall. Mitzuerleben wie der sanft ansteigende Spannungsbogen schon bald einen ersten, heftig an den Nerven zerrenden Höhepunkt erlebte, fesselte zutiefst. Der nächtliche Großangriff eines gigantischen Vogelschwarms im Schlafzimmer der Kinder stürzt die Familie in Panik, Angst und Schrecken. Literaturliebhaber sollten sich die Lektüre nicht entgehen lassen.
So bleibt am Ende festzustellen: Ein begnadeter Vorleser wie Wawrczeck schafft es, den Schocker derart lebendig zu machen, das seine atemlos lauschenden Zuhörer in den Bann des Schreckens gezogen werden. Schade nur, dass die Pandemie viele Besucher im Vorfeld veranlasste, ihre bereits gebuchten Karten zurückzugeben. Zur Entspannung und als ebenfalls begeisternde Zugabe sang Wawrczeck, von Pflug am Akkordeon begleitet, den Mary Poppins-Klassiker „Feed The Birds“. Es wäre ja auch traurig, wenn die Vögel wegen Mauriers Fantasie im Winter Hunger leiden müssten.

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