Jetzt heißt es Daumen drücken für Romanautor Ingo Schulze
Mit zehn Lesungen, Autorengesprächen und Vorträgen kann die 13. Ausgabe des Offenburger „Wortspiels“ vom 19. März bis 6. Mai aufwarten. Mit etwas Glück dürfen die Buchfreunde zum Auftakt einem frischgebackenen Literaturpreisträger lauschen.
Ende der 1980er- und Anfang der 1990er-Jahre arbeitete Schriftsteller Ingo Schulze als Dramaturg am Landestheater und als Zeitungsredakteuer in Altenburg. Die Kreisstadt in Thüringen wiederum pflegt seit 1988 eine Städtepartnerschaft mit Offenburg. Schulzes freundschaftliche Kontakte in die Ortenau erleichterten es Malena Kimmig, ihn für die Literaturtage zu gewinnen. „Autoren buchen ist nicht leicht“, berichtete die Leiterin der Stadtbibliothek gestern bei der Präsentation des „Wortspiel“-Programms von ihren Erfahrungen. Vor allem, wenn es sich um einen handelt, der die Chance hat, seinen bisherigen Auszeichnungen den Preis der Leipziger Buchmesse 2020 hinzufügen. Der 57-Jährige ist mit „Die rechtschaffenen Mörder“ in der Rubrik Belletristik nominiert. Die Preisverleihung erfolgt am 12. März, eine Woche vor Schulzes Lesung in Offenburg. Da heißt es Daumen drücken. Schulzes Roman über einen Antiquar, der jahrzehntelang ein Leben als Leser und Hüter von Büchern führt und dann eine überraschende Wende vollführt, sei „eine Homage an das Papierbuch“, findet Malena Kimmig.
In der Stadtbibliothek liest auch Jan Costin Wagner aus seinem Werk „Sommer bei Nacht“, das nur auf den ersten Blick ein klassischer Krimi ist. Die Kindesentführung durch einen Pädophilen verarbeitete der Autor zu einem Psychogramm, in dem alle Beteiligten zu Wort kommen. „Ein packendes Buch“, lobte Markus Niemeier, der die Belletristikabteilung der Stadtbibliothek leitet.
Millionär will Astronaut werden
Mit der Mondlandung 1969 beginnt „Wo wir wären“ von Norbert Zähringer, der als dritter Autor in die Stadtbibliothek kommt. Im Mittelpunkt stehen eine aus dem Gefängnis geflohene Mörderin und ihr Sohn, der es vom vermeintlichen Waisenkind und Heimzögling zum Dotcom-Millionär bringt und davon träumt, Astronaut zu werden.
In der Buchhandlung Akzente präsentiert Karen Köhler ihr Roman-Debüt „Miroloi“. Ihre Geschichte einer jungen Frau, die gegen die Regeln einer Dorfgemeinschaft rebelliert, in der eine archaische und patriarchale Gesellschaftsordnung herrscht, stand 2019 auf der Longlist für den Deutschen Buchpreis. Noch erfolgreicher war ihre Autorenkollegin Anke Stelling. Sie erhielt im vergangenen Jahr für „Schäfchen im Trockenen“ den Preis der Leipziger Buchmesse. Die Themen ihres Buchs, Abstiegsangst und Wohnungsnot, sind hochaktuell. „Keine angenehme Unterhaltungslektüre“, kommentierte Christa Peiseler die Abrechnung der 48-jährigen Schriftstellerin mit den Illusionen ihrer Generation und der ihrer Eltern.
Die Buchhändlerin freut sich besonders auf das Gastspiel des Hausacher Lyrikers José F. A. Oliver, der in diesem Jahr in seiner Reihe „Dichter.innen“ Mikael Vogel und dessen neuesten Gedichtband „Dodos auf der Flucht: Requiem für ein verlorenes Bestiarium“ vorstellt. Vogel war 2029 „Leselenz“-Stipendiat und Stadtschreiber in Hausach.
„Außergewöhnliche Protagonisten“, so warb Sybille Scheerer von der Buchhandlung Roth für „Picknick im Dunkeln“ des Karslruher Autors Markus Orths. Er lässt Stan Laurel und Thomas von Aquin an einem finsteren Ort aufeinander treffen. Zwischen dem italienischen Philosophen und Theologen und dem britischen Komiker liegen sieben Jahrhunderte. Trotzdem haben sie sich einiges zu erzählen.
Den Abschluss der Literaturtage markiert die Lesung der Vorarlbergerin Monika Helfer in der Buchhahndlung Roth. In „Die Bagage“ erzählt sie die Geschichte ihrer Mutter und deren Eltern, die in der Zeit des Ersten Weltkriegs beginnt. „Bagage“ wurde die arme Familie abfällig von den anderen Bewohnern ihres Bergdorfs genannt. „Ein stilles aber wortmächtiges Buch“ urteilte Buchhändlerin Sybille Scheerer.
Blick in den hohen Norden
Auch die Volkshochschule leistet wieder ihren Beitrag zum „Wortspiel“. Passend zum Semesterschwerpunkt Skandinavien hat Leiterin Constanze Armbrecht zwei Vorträge organisiert. Der Übersetzer und Literaturagent Günther Frauenlob will seine Faszination für norwegische Literatur mit den Zuhörern teilen. Und Norbert B. Vogt gibt interessante Einblicke in Sprache und Literatur der Färöer-Inseln.
Das Programm
Donnerstag, 19. März: Ingo Schulze liest aus „Die rechtschaffenen Mörder“, Stadtbibliothek, 20 Uhr.
Freitag, 27. März: Karen Köhler liest aus „Miroloi“, Buchhandlung Akzente, 20 Uhr.
Montag, 30. März: Jan Costin Wagner liest aus „Sommer bei Nacht“, Stadtbibliothek, 20 Uhr.
Mittwoch, 1. April: Lesung und Gespräch der Lyriker Mikael Vogel und José F. A. Oliver in der Reihe „Dichter.innen“, Buchhandlung Akzente, 20 Uhr.
Dienstag, 7. April: Norbert Zähringer liest aus „Wo wir waren“, Stadtbibliothek, 20 Uhr.
Dienstag, 21. April: Anke Stelling liest aus „Schäfchen im Trockenen“, Buchhandlung Akzente, 20 Uhr.
Donnerstag, 23. April: Markus Orths liest aus „Picknick im Dunkeln“, Buchhandlung Roth, 20 Uhr
Dienstag, 28. April: Günter Frauenlob spricht über „Faszination norwegische Literatur“, Volkshochschule, Saal, 20 Uhr.
Dienstag, 5. Mai: Norbert B. Vogt spricht über „Einblicke und Entdeckungen um die Färöer-Inseln und ihre Literatur“, Volkshochschule, Saal, 19 Uhr.
Mittwoch, 6. Mai: Monika Helfer liest aus „Die Bagage“, Buchhandlung Roth, 20 Uhr.
Karten: Vorverkauf für alle Veranstaltungen bei Buchhandlung Roth. Die anderen Veranstalter verkaufen nur Karten für ihre eigenen Lesungen. Reservierte Karten müssen 30 Minuten vor Veranstaltungsbeginn abgeholt werden. Vergünstigungen beim Besuch mehrerer Veranstaltungen mit der Wort-Spiel-Karte. gs
Infos im Internet: unter www.wortspiel-offenburg.de