Kanzlersoufleuse Simone Solga hat die Nase gestrichen voll
Simone Solga katapultiert sich vom Kanzleramt direkt auf die Bühne des Lahrer Schlachthofs und beantragt erst einmal politisches Asyl. Die Kanzlersouffleuse hat die Nase gestrichen voll und rechnet noch einmal gnadenlos ab, bevor sie 2020 mit einem neuen Programm an den Start geht.
Raus aus dem Kanzleramt und dem Dunstkreis von Angela Merkel, rein in den Zug und möglichst weit weg von Berlin. Die aus Leipzig stammende Kabarettistin hat die Schnauze gestrichen voll. Viel zu lange hat sie der Kanzlerin als Souffleuse zugeflüstert und diplomatisch so manche Kuh vom Eis gezerrt. Merkels Götterdämmerung muss sie nicht bis zum letzten Blutstropfen auskosten.
Die Stimmung erinnert Solga an den Führerbunker im Frühjahr 1945. AKK klingt für sie nach einer Terrororganisation, und an die Auferstehung der „Sozis“ glaubt ohnehin keiner mehr. Wer auch immer nachkommt: „Die Schuhe sind zu groß, die Jacke zu klein, die Birne zu leer“. Simone Solga beantragt in Lahr also erst einmal Asyl. Auf der Tasche liegen wird die Kanzlerin-Souffleuse niemanden. Für den Abend im Schlachthof hat sie eine Brotzeit mitgebracht. Und der Umschlag mit dem Kündigungsschreiben, das sie am Ende der Vorstellung einem Zuschauer in die Hand drückt, ist selbstverständlich ordentlich frankiert.
Merkel hat also abgewirtschaftet, ihre Souffleuse wirft den Bettel hin und bläst zur Endabrechnung unter dem Motto: „Das gibt Ärger“. Bevor es richtig losgeht, klingelt das Handy. Die Kanzlerin sucht nach einer Rede, am Ende des Telefonats wird beinahe zärtlich geflüstert. Die gemeinsamen Jahre im Kanzleramt verbinden ebenso wie die ostdeutsche Biografie. Simone Solga nimmt in ihrer Abrechnung trotzdem kein Blatt vor den Mund, seziert das politische Geschehen, die Großwetterlage mit präzisen Schnitten und rabenschwarzem Humor. Zwischendurch führt sie Dialoge mit sich selbst, sucht die Interaktion mit dem Publikum im gut besuchten Schlachthof.
Teufelsaustreibung
Es geht dabei nicht immer ganz stubenrein zu. Simone Solga liebt das Zwischenspiel, den Blick unter das Sofa und in den Alltag. Sie mag es deftig, manchmal auch frivol. Leberwurst ist ihr lieber als frisch angemachtes Unkraut, Frau muss ihren Mann stehen, vor allem dann, wenn sie den Göttergatten ins Exil geschickt hat und nur noch mit dem Therapeuten Sex hat. Ihr Blickwinkel ist immer eigen, die Kindheit in der DDR schwingt nach.
Die Kabarettistin schiebt einen kleinen Exorzismus ein, treibt mit dem Publikum „Teufel Trump“ und „Vladimir Luzifer Putin“ aus, bei der AfD müssen schwerere Geschütze ran. Gegen sexuelle Belästigung mögen „Safeshorts“ mit Zahlenschloss helfen, in Zeiten des Klimawandels können Duftbäumchen vielleicht das Deo ersetzen. Gegen ewig Gestrige und Extremisten braucht es allerdings deutlich mehr. Simone Solga marschiert zum Hassprediger um die Ecke und redet Tacheles.
Abenteuerurlaub heißt heute Campen in Tschernobyl, ein Fahrradtrip durch Afghanistan, oder mit dem ICE von Hamburg nach Basel. Ökowahnsinn führt zu der Frage ob Meisenknödel das Vollkornbrot ersetzen können. In der westlichen Welt hat die Angst vor dem Essen die Angst vor dem Hunger abgelöst.
Fluchtursachen gibt es aber nicht nur in Afrika zur Genüge. Simone Solga ist vor dem Hausschwamm geflüchtet, der sich in den Wänden des Kanzleramtes festgefressen hat. Und sie fürchtet ein politisches Weltklima, das noch ungeahnte Fluchtwellen auslösen könnte. Im kommenden Jahr will sie mit „Ihr mich auch!“ aber erst einmal auf den Putz hauen und das ganz ohne Job im Kanzleramt.