Kommt die Vergütung von Kunstschaffenden?
Stuttgart - Die Rechnung ist simpel: Um als Künstler Erfolg zu haben, muss man ausstellen. Mit etwas Glück springt die Maschinerie an, berichten Zeitungen, interessieren sich Galeristen – und eines Tages auch Käufer. Bisher war deshalb Konsens, dass Künstlerinnen und Künstler froh und dankbar sein können, wenn man sie ausstellen lässt. Im Umkehrschluss bedeutet das allerdings, dass im Ausstellungsbetrieb alle verdienen, nur die nicht, von denen die Werke stammen. Anders als Musiker oder Schauspieler werden sie auch nicht an den Eintrittsgeldern beteiligt, während Galerieleitung, Wissenschaft, Vermittlung und technisches Personal von ihrer Arbeit leben.
Baden-Württemberg will verbindliche Mindeststandards – auch für die Kulturschaffenden
In Baden-Württemberg könnte sich das bald ändern. Die Kunststaatssekretärin Petra Olschowski hofft, dass in den Landeseinrichtungen alsbald eine Vergütung von Kunstschaffenden eingeführt wird, die den „verbindlichen Mindeststandards“ entspricht – so, wie es im Koalitionsvertrag der Landesregierung vereinbart wurde. „Gerade die Coronapandemie hat einmal mehr deutlich gemacht, wie prekär die finanzielle Lage vieler Künstlerinnen und Künstler ist“, sagt Olschowski. Sie ist schon länger im Austausch mit dem Künstlerbund und will nun mit verschiedenen Initiativen mögliche Modelle erörtern.
Berlin war Vorreiter in Sachen Ausstellungshonorare
Ausgerechnet das arme Berlin hat bereits vorgemacht, wie eine solche Vergütung ausschauen könnte. Seit 2016 werden hier in den Kommunalen Galerien Honorare bezahlt – für eine Soloschau 1500 Euro, bei einer größeren Gruppenschau 250 Euro pro Person. Auch Brandenburg hat nachgezogen, und Hamburg stellt nun jährlich 200 000 Euro für Ausstellungshonorare zur Verfügung. Auch in Ländern wie Kanada, den Niederlanden, Norwegen, Litauen sind Künstlerhonorare üblich. Im reichen Süden der Republik dagegen können Künstler derzeit nur träumen von einer fairen Entlohnung. Für sie mögen Ausstellungen zwar eine Investition in die Zukunft sein, sind aber auch kostenintensiv, weil Rahmen gekauft, viel Zeit in Gespräche investiert und Texte geschrieben werden müssen.
In den Museen wird umgedacht
Immerhin wächst in den Häusern das Verständnis. Während die Verwaltungschefin des Kunstmuseums Stuttgart vor fünf Jahren noch überzeugt war, dass beim Berliner Modell viel Geld „mit der Gießkanne verteilt“ werde, das man anderweitig sinnvoller einsetzen könne, steht die Direktorin Ulrike Groos heute klar hinter der Künstlerschaft und hat im vergangenen Jahr sogar ein neues Bündnis unterzeichnet, das den Kulturbetrieb im Land gerechter machen will. Leisten kann sich das Kunstmuseum Stuttgart Honorare trotzdem nicht. Deshalb versuche man, bei monografischen Ausstellungen wenigstens eine Arbeit für die Sammlung anzukaufen, um dieses Manko abzumildern.
Bisher gab es auch bei der Documenta in Kassel nur Ruhm und Ehre
Auch wenn die bildenden Künstler in absehbarer Zeit zumindest in den Landeseinrichtungen etwas Geld verdienen könnten, wird das Gros der Ausstellungen weiterhin ein Zuschussgeschäft sein – sofern nicht auch die städtischen Galerien und vielen kleineren Initiativen nachziehen. Übrigens mussten sich die Künstler bisher sogar dann mit Ruhm und Ehre begnügen, wenn sie es ganz an die Spitze geschafft hatten – zur berühmten Documenta in Kassel. Das indonesische Kollektiv ruangrupa hat sich nun erstmals eine gerechte Verteilung von Ressourcen auf die Fahnen geschrieben und wird bei der Documenta fifteen im nächsten Jahr Honorare „zwischen mittleren vier- bis fünfstelligen Beträgen“ bezahlen, so die Documenta-Sprecherin Karoline Köber. Sogar die Entwicklung eines künstlerischen Projekts werde honoriert, und auch Produktionskosten würde man erstatten.