Bildhauer Armin Göhringer sägt Skulpturen im Gewerbegebiet
Wie und wo arbeiten Künstler, wie und wo entstehen die Werke? Diesen Fragen ist der Oberkircher Künstler und Journalist Rainer Braxmaier für die Mittelbadische Presse nachgegangen. Wir stellen immer dienstags Ateliers von Ortenauer und Straßburger Künstlern vor. Heute führt der Atelierbesuch nach Nordrach zu Armin Göhringer.
Der Weg ist das Ziel. Dem Atelier Armin Göhringers in Nordrach nähert man sich am besten von der Bergseite. Eine bessere Einstimmung ist kaum denkbar. Die Wiesen sind auf dem Rückzug, die Wälder werden dichter, die Straßen enger und verschlungen, das Licht nimmt ab – man spürt die Magie des Holzes.
Genau darum geht es dem Zeller Bildhauer, dessen Atelier die ideale Verbindung von Handwerk und Kunst vermittelt. Allein schon die Gerätschaften lassen jeden Maler vor Neid erblassen: Wer hat schon einen Gabelstapler?
Der Künstler lächelt milde ob solcher Komplimente, denn auf kaum einen anderen trifft der Kalauer von Inspiration und Transpiration so zu wie auf den 61-jährigen Armin Göhringer. Steht nicht am Anfang seiner sensibel austarierten abstrakten Figurationen, die an die Grenzen ihrer physischen Belastbarkeit gehen, harte Arbeit: Auswählen des Holzes aus dem Lagervorrat, Zurechtschneiden auf die gewünschte Blockgröße, grobe Vorzeichnung auf dem Klotz – dann kommen die Motorsägen: »fast and furious«. Fünf Kettensägen besitzt der Bildhauer. Ihre Größe wird martialisch in »Schwertlängen« gemessen: die zarteste 30 Zentimeter, die größte ein Meter zwanzig.
Göhringer ist, um beim Klischee zu bleiben, zu seinen geografischen Wurzeln zurückgekehrt. Vor 25 Jahren, als sich die Bildhauerkarriere des studierten Grafikers nachhaltig abzeichnete, suchte er nicht eine verlassene Werkstatt, sondern ließ sich selbst eine bauen – mitten in einem neuen Gewerbegebiet seines Heimatdorfes Nordrach. Er selbst lebte da schon mit seiner Familie in Zell am Harmersbach.
Neben der Fabrik
Keine verlassene Industriekathedrale also, sondern ein moderner Zweckbau, auf seine Bedürfnisse zugeschnitten. Die Nachbarn: eine Autowerkstatt und die imposante Fabrikanlage des größten Arbeitgebers im Ort. Romantik und Sinnfragen bitte im Mikrobereich.
Im Jahr 2008 folgte der Ausbau. Das Obergeschoss, erreichbar über eine von dornigen Pflanzen umwucherte Außentreppe, beherbergt das Lager; ein »Friedhof der Kuscheltiere« mit unzähligen Varianten seiner komplizierten, dem Stamm abgerungenen Figurationen.
Bis 1984 war Göhringers Thema die Malerei. Zwei Jahre zuvor hatte er sein Studium an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach abgeschlossen. Erste Markterfolge schlossen sich an mit temperamentvollen und in freiem Strich gestalteten Bildern zwischen Figur und Abstraktion. Seit mehr als 30 Jahren aber ist das Holz seine Grundlage, kombiniert mitunter mit Stahlmänteln; dazu kommen einige Eisengussplastiken. Armin Göhringer benutzt alle Laubhölzer. Platane oder Pappel für die Innenarbeiten, Eiche und Akazie, die er besonders schätzt, eignen sich auch für Skulpturen, die im Freien stehen. »Meine älteste Akazie, vor einem Salzburger Szenelokal 1988 aufgestellt, steht dort heute noch«, berichtet er. Einige besonders repräsentative neue Stelen umstellen das Atelier, die größten mehr als sechs Meter hoch.
Eigene Bildsprache
Als Bildhauer wurde Armin Göhringer in das »Zeitalter der Kettensäger« hineingeboren. Fast zeitgleich mit den »Neuen Wilden« in der Malerei entdeckten einige Künstler, dass man die Skulptur mit grobem Gerät bearbeiten und dabei eine ganz eigene Ausdruckspalette entwickeln kann. Göhringer hat sich in dieses Sujet regelrecht hineingebissen, und es gelang ihm, nach und nach eine ganz eigene Bildsprache zu entwickeln, die dem »groben Klotz« ein neues, feines Temperament entgegensetzt.
Damit ist er einmalig. Denn der Künstler löst den Block auf, durchdringt ihn bis an die physikalische Grenze der Belastbarkeit und kann so die Macht und Größe des Materials mit seiner Zerbrechlichkeit konfrontieren. Er muss nichts darstellen, was außerhalb der Mimik des Holzes ist: kantig und rissig, schmale Stege, die sich unter wuchtigen Lasten biegen – alles aus einem Holz »geschnitzt«. Kann das auch einmal schief gehen? »Zum Glück haben wir zu Hause einen Kamin«, lacht er.
Organisches Duell
Gerade ist anlässlich seiner Ausstellung im Schloss Isny im Allgäu ein Katalogbuch erschienen mit dem augenzwinkernden Titel »Stammbaum – noch hält alles zusammen…« Dort kontert der Künstler zwei aussagekräftige Fotografien: den verschlungenen Weg einer grünen Bambuspflanze mit Stamm, Ästen und Blättern, und daneben dieses organische Duell nachgespielt in zwei Holzskulpturen.
Dass er sich den Neigungen seines Werkstoffes nicht verschließt, ist vielleicht Armin Göhringers eigentliche Stärke. Und: Er hat mit einer Intensität, die ihresgleichen sucht, sein Thema weiterverfolgt, in einem allmählichen Werkprozess ohne Brüche und neue Ansätze, langsam, aber auch so stetig, wie der Baum wächst.