Kultur

Die Freiheit der Kunst hinter Gittern

Roland Schmellenkamp
Lesezeit 4 Minuten
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10. April 2013
Christoph Breithaupt - Diese Kunst auf dem Boden des Zellengangs lädt dazu ein, über sie hinwegzugehen und sie mit Füßen treten.

(Bild 1/3) Christoph Breithaupt - Diese Kunst auf dem Boden des Zellengangs lädt dazu ein, über sie hinwegzugehen und sie mit Füßen treten.

Das ehemalige Gefängnis an der Offenburger Grabenallee wird vom 12. bis 21. April zu einem Ort der Kunst: mit Ausstellungen, Lesungen, Tanzperformances und Konzerten. Veranstalter Hugo Näger führte gestern anlässlich eines Pressegesprächs durch die Räume.

Offenburg. Stefan Strumbel sprüht noch am Riesengraffito auf der Eingangstür zum »Knast«, auf dem Innenhof steht ein Herz, das in einem großen Gitterkasten hängt, im Erdgeschoss des hinteren Gebäudes testet die Freiburgerin Jennifer Fuchs gerade ihre Klangins-

tallation, und viele Bilder hängen bereits an den Wänden – einige liegen gar auf dem Boden: Norbert Feger hat im zweiten Stock großformatige Porträts auf dem Flur ausgebreitet, über die Besucher schreiten müssen; mit ihren Fußabdrücken werden sie die Bilder mitgestalten. Rund um den Flur sind die Zellen, dort haben einzelne Künstler ihr jeweiliges Refugium, das sie so gestalten können, wie sie möchten.

Galerist Hugo Näger deutet in eine dieser Zellen und schmunzelt: »Der Künstler hat erst mal alle Wände gestrichen!« Die meisten anderen belassen sie im bisherigen Zustand und hängen oder stellen lediglich ihre Werke auf. Der Türsturz zu den Zellen ist sehr niedrig, Großgewachsene müssen sich bücken. »Eine Verbeugung vor der Staatsmacht!«, kommentiert Näger und bezieht sich auf die Zeit, als noch Gefangene durch diese Türen traten. Von Freitag bis zum 21. April verbeugen sich sozusagen jetzt also die Besucher vor der Kunst. Eine Zelle können sie sogar selbst gestalten: Es liegen dort Farbstifte bereit, mit denen die Wände beschriftet und gestaltet werden können.

Insgesamt werden über 300 Kunstwerke von rund 30 europäischen Künstlern präsentiert. Zwei kommen sogar aus Kuba. Dies, erzählt Galerist Näger, habe sich über den persönlichen Kontakt von Norbert Feger ergeben. Der Gengenbacher sei vor allem überregional bekannt und vergleichsweise wenig in seiner Heimat. Die Kunsttage dürften das ändern, denn es sind viele Werke von Feger zu sehen.

Zwei Fotografen haben Bilder vom Gefängnisambiente gemacht, die sowohl dort als auch in der Galerie Hagen (Näger ist Inhaber) einige Schritte Richtung Innenstadt in der Schlossergasse zu sehen sind: Klaus Hohnwald hat dokumentarisch fotografiert, Daniel Schlindwein eher impressionistisch.

Weiter wird auf dem Gefängnisareal auch die »Aufmacherkunst« präsentiert, also die Arbeiten, die Künstler zum 200-jährigen Jubiläum für die Titelseiten der Mittelbadischen Presse im vergangenen Jahr gestaltet hatten.

Bei der Eröffnung am Freitag wird Oberbürgermeisterin Edith Schreiner über die Geschichte des Gefängnisses sprechen; Heinrich Niederer, ehemaliger Leiter des Staatlichen Schulamtes Offenburg, stellt die Künstler und ihre Werke vor. Dann beginnen die Kunsttage, in die Näger mit seinem Team seit Jahresbeginn viele Arbeitsstunden investiert hat.

Gute Zusammenarbeit

Die Zusammenarbeit mit der Stadt sei sehr gut: Näger bekam sogar einen Schlüssel (»Ich bin Gefängniswärter!«). In anderen Städten wie Berlin habe er bereits in alten Gebäuden Ausstellungen organisiert. Zu den Kosten sagt der 60-Jährige, er könne erst nach der Veranstaltung Bilanz ziehen.

Worauf er Wert gelegt habe sei, dass jeder Künstler Honorar erhält, »obwohl einige sogar gratis mitmachen wollten«. Es gibt nämlich ein umfangreiches Beiprogramm, für deren Finanzierung Näger Sponsoren gewonnen hat. Unter anderem tritt Nägers Tochter Daniela auf, eine professionelle Balletttänzerin.

Das Gefängnis soll zum Drei-Sterne-Hotel mit Tagungsraum umgebaut werden. Aber was geschieht dann mit dem Riesengraffito von Stefan Strumbel an der Eingangstür? Näger: »Das müssen die Besitzer entscheiden!«

 

Programm

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Freitag, 12. April: 19 Uhr musikalische Einstimmung, 19.30 Uhr Eröffnung.

Samstag, 13. April: 22 Uhr Einführung zur Medieninstallation der Hochschule (HS) Offenburg, 12 Uhr Künstlergespräche, 19 Uhr Lesung »Liebeslyrik von Eichendorff bis W. Busch«.

Sonntag, 14. April: 14.30 Uhr Dans Compagnie Limburg, 16 Uhr Lesung Joe Bausch, 19.30 Uhr und 20.30 Uhr Dans Compagnie Limburg.

Montag, 15. April: 19 Uhr Film »Das Herz von Jenin«.

Dienstag, 16. April: 19 Uhr Lesung José F. A.

Oliver.

Mittwoch, 17. April: 19 Uhr: Kook, Jazz.

Donnerstag, 18. April: 19 Uhr Poetry Slam.

Freitag, 29. April: 19 Uhr offener Abend Galerie Hagen.

Samstag, 20. April: 11 Uhr Finissage »Licht« der HS Offenburg, 14 Uhr Künstlergespräche, 14.30 Uhr, 16 und 17 Uhr Dans Compagnie Limburg, 19 Uhr Color Ones, Pop-Musik.

Sonntag, 21. April: 11 Uhr Klavier-Matinee des Grimmelshausen-Gymnasiums.

Öffnungszeiten Kunstausstellung: täglich 11-21 Uhr; Eintritt frei; Bewirtung. joth

www.kunsttage-offenburg.de

 

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