Theaterpremiere in Lahr

»Die Leiden des jungen Werther« in einem modernen Gewand

Jürgen Haberer
Lesezeit 3 Minuten
Jetzt Artikel teilen:
13. Oktober 2017
Agieren vor karger Kulisse: Benjamin Krüger als Werther und Anna Oussankina als Lotte in »Die Leiden des jungen Werther«.

Agieren vor karger Kulisse: Benjamin Krüger als Werther und Anna Oussankina als Lotte in »Die Leiden des jungen Werther«. ©Jürgen Haberer

Goethes Briefroman »Die Leiden des jungen Werther« zählt zu den Schlüsselromanen im Zeitalter der Aufklärung. Die moderne Bühnenfassung von Regisseur Tobias Rott feierte am Dienstagabend in Lahr ihre Premiere. 

Von Schauspieler Benjamin Krüger mit vollem Einsatz verkörpert, tobt der junge Werther in olivgrünen Boxershorts über die Bühne. Er wird getrieben vom Überschwang einer frischen Liebe, die in einer für ihn ausweglosen Sackgasse landet, noch bevor sie wirklich aufblüht. Werther leidet sprichwörtlich wie ein Hund, hat seinen Gefühlen für Lotte (Anna Oussankina) aber nichts entgegenzusetzen als den letztendlich vergeblichen Appell an die eigene Vernunft. Werther scheitert an sich selbst, für ihn bleibt am Ende nur der Selbstmord.

 Johann Wolfgang von Goethes Briefroman aus dem Jahr 1774 wurde nicht nur international beachtet. Das »Büchlein« wie er es nannte, befeuerte eine vom Geiste der Aufklärung geprägte Leserschaft. Es fand trotz anfänglicher Kritik wertkonservativer Kreise den Weg in die Weltliteratur und in die Schulbücher späterer Generationen. Es wurde rezensiert, analysiert und gedeutet. 

Werther, der junge Heißsporn, der seine Gefühle nicht zu zügeln vermag, der in einer aussichtslosen Dreiecksgeschichte den eigenen Untergang heraufbeschwört und mit seinem Freitod schlussendlich ein Sakrileg begeht. Goethe hat sich mit dem Buch seinen eigenen Liebeskummer und den Selbstmord eines Freundes von der Seele geschrieben. Seiner Romanfigur aber hat er jeden Ausweg aus dem Dilemma verweigert.

- Anzeige -

Klassisches Sprechtheater

Regisseur Tobias Rott wagt mit der nun von ihm selbst für die Theatergastspiele Fürth neu aufgelegten Inszenierung eine Gratwanderung zwischen Tradition und Moderne. Goethes Text, die Briefe von Werther, Lotte und ihrem Bräutigam Albert (Peer Roggendorf) wurde gekürzt, aber kaum verändert. In einer kargen, nicht einmal symbolisch angelegten Kulisse, blüht ein klassisches Sprechtheater auf, das ganz auf die Kraft der Worte setzt, auf das gestische Spiel der drei Akteure. 
Rotts Theaterfassung kommt trotzdem erstaunlich modern und mit subtilem Humor daher. Benjamin Krüger  gibt als Werther alles, stülpt das Innenleben des unglücklich Verliebten nach außen. Er schreit, tobt und winselt, flüchtet dann wieder in philosophische Ansätze. Peer Roggendorf als Albert hält die von Vernunft geprägte Geisteshaltung eines verständnisvollen Freundes und liebenden Gatten entgegen, während Anna Oussankina eine etwas leichtlebige, mit Werthers Gefühlen spielende Lotte verkörpert. 

Der moderne Touch der Inszenierung wird durch eine Reihe von Kunstgriffen verstärkt. Die Chronologie der Ereignisse spiegelt sich in dem an die Wand gekritzelten Datum des gerade rezitierten Briefes wider. Lotte verteilt in Anlehnung an die Schlange im Paradies immer wieder Apfelstücke. Sie tanzt mit Werther zu fröhlichen Schlagermelodien und Popsongs. 

Die Musik nimmt auch darüber hinaus eine wichtige Rolle ein. Während Udo Jürgens peppige Momente begleitet, scheint Alexandras dunkle Stimme das Unglück heraufzubeschwören. Am Ende kommen dann Beethoven und Schubert zu Wort. Ein Requiem hallt durch die Stadthalle, während sich die sorgsam aufgebaute Spannung in der finalen Szene entlädt. 
Die Inszenierung der Thea­tergastspiele Fürth vermag zu überzeugen. Dem Publikum werden 100 anspruchsvolle Theaterminuten ohne Pause geboten.  

Weitere Artikel aus der Kategorie: Kultur

José F. A. Oliver
27.03.2024
Kulturkolumne
Einst las ich den Satz, die Zeit sei eine blinde Führerin. Übersetzt hieß das für mich nichts anderes, als dass wir diejenigen sein sollten, die diese an die Hand nehmen müssten. In einer Welt, die groß ist und klein zugleich: Die Welt ist groß. Die Welt ist klein ...
Berühmten Kollegen setzte Anna Haifisch ein Denkmal. So zeigt sie in einer Zeichnung den Karikaturisten Saul Steinberg (1914–1999) beim Kampf gegen eine Schaffenskrise.
26.03.2024
Ausstellung in Straßburg
Noch bis zum 7. April sind im Straßburger Musée Tomi Ungerer Werke der deutschen Zeichnerin Anna Haifisch zu sehen. Sie stellt Menschen gerne oft als Tiere dar und karikiert Kollegen.
Gäste im "Grand Hotel Grimm" mit unlauteren Absichten: ein Zwerg mit langem Bart, ein unscheinbarer Handlungsreisender und eine elegante junge Dame mit dem Namen Rotkäppchen.
26.03.2024
Puppenparade Ortenau
Die „Berliner Stadtmusikanten“ des Theaters Zitadelle sind in die Jahre gekommen. Mit „Grand Hotel Grimm“ boten sie bei der Puppenparade in Lahr dennoch eine erfrischende Vorstellung.
Im Mittelpunkt der Tragödie: die Schwestern Chrysothemis (Elza van den Heever, links) und Elektra ­(Nina Stemme).
26.03.2024
Festspielhaus Baden-Baden
Das archaische Thema der Oper „Elektra“ ließ das Publikum bei der Eröffnung der Osterfestspiele Baden-Baden frösteln. Umjubelt wurden Sängerin Nina Stemme und Dirigent Kirill Petrenko.
Dietrich Mack. 
26.03.2024
Kulturkolumne
„Hoffnungsglück“ hat Goethe die Aufbruchstimmung genannt, die der Frühling verbreitet..Dieses Gefühl genießt auch der Kolumnist, der verrät, warum für ihn Bach nicht nur der fünfte, sondern auch der beste Evangelist ist.
Sechshändig am Klavier: die Schwestern Alisa und Lia Benner aus Lahr und Ennco Sinner aus Kippenheim.
19.03.2024
"Jugend musiziert"
Eine Auswahl der Besten beim Landeswettbewerb in Offenburg stellte sich in der Offenburger Reithalle vor, oft begleitet von Vater, Mutter oder Geschwistern.
Harte Szene im Gemüsekrimi: Dietmar Bertram hobelt eine Gurke, um sie zum Reden zu bringen.
17.03.2024
Lahr
Ein Detektiv spielt mit Essen: Dietmar Bertram präsentierte „Hollyfood – Die Gemüsekrimis“ bei der Puppenparade Ortenau im Lahrer Schlachthof.
Am Abgrund: In "A long way down" wird über ein ernstes Thema gealbert. 
17.03.2024
Offenburg
Mit britischem Humor thematisiert die Tragikomödie „A long way down“ die Selbstmordgedanken gescheiterter Existenzen. Für die Aufführung in der Oberrheinhalle gab es viel Beifall.
Von Gier befeuert: Carsten Klemm (rechts) als Kunstfälscher Fritz Knobel und Luc Feit (links) als Skandalreporter Hermann Willié. 
17.03.2024
Lahr
Den Skandal um die angeblichen Hitlertagebücher des Kunstfälschers Kujau brachte die Landesbühne Esslingen mit „Schtonck“ auf die Bühne.
Arbeiten aus mehr als drei Jahrzehnten zeigt Karl Vollmer im Artforum.
17.03.2024
Offenburg
Karl Vollmer reflektiert das Zeitgeschehen und bezieht Position. Zwei Werke seiner Ausstellung „Wider Erwarten – Ortung“ beim Kunstverein Ortenau hat er Alexej Nawalny gewidmet.
Das Trio Van Beethoven erhielt frenetischen Schlussbeifall.
13.03.2024
Achern
Das Trio Van Beethoven eroberte am Sonntag mit Werken von drei weitgehend unbekannten Komponisten das Publikum in der Alten Kirche Fautenbach.
Mit ein bisschen Absurdität und jeder Menge Witz ließ das Theater Handgemenge seinen König auf Reisen gehen.
13.03.2024
Kehl
Das Schattenspiel um Herrn König bescherte dem Kehler Publikum einen großartigen Puppenparade-Abend

Das könnte Sie auch interessieren

- Anzeige -
  • HYDRO liefert etwa Dreibockheber für die Flugzeugwartung. 
    26.03.2024
    HYDRO Systems KG und Rhinestahl fustionieren
    HYDRO Systems KG und Rhinestahl schließen sich zusammen. Mit diesem Schritt befinden sich die Kompetenzen in den Bereichen Ground Support Equipment (GSE) und Aircraft- & Engine Tooling unter einem Dach.
  • Alle Beauty-Dienstleistungen bietet die Kosmetik Lounge in Offenburg unter einem Dach.
    26.03.2024
    Kosmetik Lounge Offenburg: Da steckt alles unter einem Dach
    Mit einer pfiffigen Geschäftsidee lässt Elena Plett in Offenburg aufhorchen. Die staatlich geprüfte Kosmetikerin denkt "outside the box" und hat in ihrer Kosmetik Lounge ein außergewöhnliches Geschäftsmodell gestartet.
  • Konfetti, Flitter und Feuerwerk beschließen die große Preisverleihung im Forum-Kino in Offenburg. Die SHORTS feiern 2024 ihr 25. Jubiläum. 
    26.03.2024
    25 Jahre SHORTS – 25 Jahre Bühne für künftige Filmemacher
    Vom kleinen Screening in 25 Jahren zum gewachsenen Filmfestival: Die SHORTS der Hochschule Offenburg feiern Jubiläum. Von 9. bis 12. April dreht sich im Forum-Kino Offenburg alles um die Werke junger Filmemacher. Am 13. April wird das Jubiläum im "Kesselhaus" gefeiert.
  • Das LIBERTY-Team startet am Mittwoch, 27. März, in die Afterwork-Party-Saison. 2024 finden die Veranstaltungen in Kooperation mit reiff medien statt. 
    22.03.2024
    Businessaustausch jetzt in Kooperation mit reiff medien
    Das Offenburger LIBERTY startet mit Power in die Eventsaison: Am Mittwoch, 27. März, steigt die erste XXL-Afterwork-Party mit einem neuen Kooperationspartner. Das LIBERTY lädt zusammen mit reiff medien zum zwanglosen Feierabend-Businessaustausch ein.