»Die Leiden des jungen Werther« in einem modernen Gewand
Goethes Briefroman »Die Leiden des jungen Werther« zählt zu den Schlüsselromanen im Zeitalter der Aufklärung. Die moderne Bühnenfassung von Regisseur Tobias Rott feierte am Dienstagabend in Lahr ihre Premiere.
Von Schauspieler Benjamin Krüger mit vollem Einsatz verkörpert, tobt der junge Werther in olivgrünen Boxershorts über die Bühne. Er wird getrieben vom Überschwang einer frischen Liebe, die in einer für ihn ausweglosen Sackgasse landet, noch bevor sie wirklich aufblüht. Werther leidet sprichwörtlich wie ein Hund, hat seinen Gefühlen für Lotte (Anna Oussankina) aber nichts entgegenzusetzen als den letztendlich vergeblichen Appell an die eigene Vernunft. Werther scheitert an sich selbst, für ihn bleibt am Ende nur der Selbstmord.
Johann Wolfgang von Goethes Briefroman aus dem Jahr 1774 wurde nicht nur international beachtet. Das »Büchlein« wie er es nannte, befeuerte eine vom Geiste der Aufklärung geprägte Leserschaft. Es fand trotz anfänglicher Kritik wertkonservativer Kreise den Weg in die Weltliteratur und in die Schulbücher späterer Generationen. Es wurde rezensiert, analysiert und gedeutet.
Werther, der junge Heißsporn, der seine Gefühle nicht zu zügeln vermag, der in einer aussichtslosen Dreiecksgeschichte den eigenen Untergang heraufbeschwört und mit seinem Freitod schlussendlich ein Sakrileg begeht. Goethe hat sich mit dem Buch seinen eigenen Liebeskummer und den Selbstmord eines Freundes von der Seele geschrieben. Seiner Romanfigur aber hat er jeden Ausweg aus dem Dilemma verweigert.
Klassisches Sprechtheater
Regisseur Tobias Rott wagt mit der nun von ihm selbst für die Theatergastspiele Fürth neu aufgelegten Inszenierung eine Gratwanderung zwischen Tradition und Moderne. Goethes Text, die Briefe von Werther, Lotte und ihrem Bräutigam Albert (Peer Roggendorf) wurde gekürzt, aber kaum verändert. In einer kargen, nicht einmal symbolisch angelegten Kulisse, blüht ein klassisches Sprechtheater auf, das ganz auf die Kraft der Worte setzt, auf das gestische Spiel der drei Akteure.
Rotts Theaterfassung kommt trotzdem erstaunlich modern und mit subtilem Humor daher. Benjamin Krüger gibt als Werther alles, stülpt das Innenleben des unglücklich Verliebten nach außen. Er schreit, tobt und winselt, flüchtet dann wieder in philosophische Ansätze. Peer Roggendorf als Albert hält die von Vernunft geprägte Geisteshaltung eines verständnisvollen Freundes und liebenden Gatten entgegen, während Anna Oussankina eine etwas leichtlebige, mit Werthers Gefühlen spielende Lotte verkörpert.
Der moderne Touch der Inszenierung wird durch eine Reihe von Kunstgriffen verstärkt. Die Chronologie der Ereignisse spiegelt sich in dem an die Wand gekritzelten Datum des gerade rezitierten Briefes wider. Lotte verteilt in Anlehnung an die Schlange im Paradies immer wieder Apfelstücke. Sie tanzt mit Werther zu fröhlichen Schlagermelodien und Popsongs.
Die Musik nimmt auch darüber hinaus eine wichtige Rolle ein. Während Udo Jürgens peppige Momente begleitet, scheint Alexandras dunkle Stimme das Unglück heraufzubeschwören. Am Ende kommen dann Beethoven und Schubert zu Wort. Ein Requiem hallt durch die Stadthalle, während sich die sorgsam aufgebaute Spannung in der finalen Szene entlädt.
Die Inszenierung der Theatergastspiele Fürth vermag zu überzeugen. Dem Publikum werden 100 anspruchsvolle Theaterminuten ohne Pause geboten.