Kultur

»Eine Chance, Neues auszuprobieren«

Jutta Hagedorn
Lesezeit 6 Minuten
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06. September 2011
Foto: Stadt Offenburg - Simon Moser (Kulturamt) und Ralf Eisermann (Stadtbibliothek) machen sich für eine Musikbibliothek innerhalb der Stadtbibliothek Offenburg stark.

(Bild 1/5) Foto: Stadt Offenburg - Simon Moser (Kulturamt) und Ralf Eisermann (Stadtbibliothek) machen sich für eine Musikbibliothek innerhalb der Stadtbibliothek Offenburg stark.

Die Stadtbibliothek Offenburg macht sich fit für die Zukunft. Und dazu gehört auch das Projekt »Musikbibliothek«. Es wäre die achte in Baden-Württemberg.

Offenburg. Offenburgs Kulturamtsleiter Simon Moser, Musikwissenschaftler, geht schon seit geraumer Zeit mit der Idee einer Musikbibliothek schwanger. Bei Ralf Ei-sermann, Stadtbibliothekleitung Offenburg, hat er mit der Idee offene Türen eingerannt, wie sich im Gespräch mit der Mittelbadischen Presse herausstellt. Und nicht nur bei ihm, wenn man den Argumenten des »Runden Tisches« folgt, der eigens eingerichtet wurde. Rund 20 Vertreter von Orchestern, Chören und Kantoreien sind hier vertreten.
»Die Musikbibliothek würde Möglichkeiten schaffen, Neues auszuprobieren und die Position Offenburgs als attraktives kulturelles Oberzentrum im Ortenaukreis und im Eurodis-trikt zu stärken«, sagt Moser. Argumente, die er und Eisermann auch in den Ring werfen gegenüber dem Kulturausschuss und dem Gemeinderat.
Man folgt aber nicht nur dem eigenen Wunschdenken. Vielmehr, betont Moser, richte man sich nach Empfehlungen etwa des Deutschen Bibliotheksverbandes und des Deutschen Musikinformationsdienstes MIZ oder auch des Deutschen Städtetages. Diese raten zu einer solchen Musikbibliothek zur Profilierung von Bibliotheken in Oberzen-tren wie Offenburg.
Dass aus der Sicht der Musiktreibenden diese Einrichtung für die Ortenau durchaus sinnvoll sei, untermauert Moser mit Fakten: Allein die Musikschulen haben rund 6200 Musikschüler und 214 Lehrer (Offenburg-Ortenau mit Zweigstellen in Haslach und Zell a.H.: 3800/110, Lahr: 900/52, Achern-Oberkirch: 1500/52) – ganz zu schweigen von den privaten Musikschulen und -lehrern, den weiterbildenden Schulen mit Musikangeboten, den Chören, Orchestern und Musikvereinen.
Interessant, argumentieren Eisermann und Moser, sei der Standort Offenburg auch aus einem anderen Grund: Es gebe bislang nur sieben solcher Spezialbibliotheken in ganz Baden-Württemberg, im Badischen nur in Baden-Baden und Freiburg. Deren Notenbestand sei jedoch nicht sehr umfangreich und zum Teil veraltet. Eine neue Musikbibliothek in Offenburg würde die räumliche Lücke schließen und aktuelles Material vorhalten.
Weitere Einrichtungen gibt es in Heilbronn, Mannheim, Reutlingen, Sindelfingen und Stuttgart, auf elsässischer Seite in Straßburg, Colmar und Mulhouse. Gerade Stuttgart mit seinen öffentlich zugänglichen 18 000 Büchern, 48 000 Noten und 32 000 CDs sei zwar verlockend – doch die Entfernung gerade für Schüler oder Laienmusiker dann doch wohl eher indiskutabel.
Laut dem MIZ gibt es in ganz Deutschland 92 öffentliche Musikbibliotheken unterschiedlicher Größe und Aktualität. Bemerkenswert ist dabei die ungleichmäßige Verteilung. So hat Berlin allein neun solcher Einrichtungen, während es in Schleswig-Holstein eine in Neumünster gibt, mit 77 000 Einwohnern Offenburg vergleichbar, nicht aber in der Landeshauptstadt Kiel. Musikbibliotheken haben unterschiedliche Schwerpunkte, initiiert wurden sie oft durch persönliches Engagement von Privatpersonen oder resultieren aus Nachlässen bekannter Künstler.
Gespräche mit den Leitern der baden-württembergischen Musikbibliotheken belegten, dass die Nachfrage nicht nur konstant, sondern insbesondere bei Noten speziell für Kinder kontinuierlich gestiegen sei, so Moser. »Wo das Angebot vorhanden ist, wird es rege genutzt und erschließt einer Bibliothek ganz neue Nutzergruppen«, sagt Eisermann. »Wichtig ist eine enge Abstimmung mit der örtlichen Musikszene, mit Veranstaltern und Schulen«, ist Mosers Fazit aus diesen Gesprächen.
Die Offenburger Bibliothek verfügt aktuell über 5000 Medien, darunter 3500 CDs. Empfohlen wird ein Mindestbestand von 10 000 Medien. In Offenburg fehlten vor allem die Noten, sagt Moser.
Eine Musikbibliothek würde nicht nur die Stadtbibliothek aufwerten, sondern alle Ortenauer mit Noten, Literatur und Tonträgern versorgen, böte Anregungen für Chöre und Ensembles – und berücksichtige auch den sozialen Aspekt. Denn Noten sind teuer und dürfen nicht fotokopiert werden. Letztendlich treibe die Realisierung der Bibliothek ein weiteres strategisches Ziel vo-ran: den Ausbau und die
Akzentuierung der Kulturarbeit und der kulturellen Bildung als Instrument sozialer Integration, so Moser.
Der Offenburger Kulturausschuss hat sich bereits einen Einblick verschafft über den Standort in der Stadtbibliothek. Beraten wird er nach der Sitzungspause.

Stichwort:
Kosten
Der Bestand an Medien soll innerhalb der nächsten fünf Jahre aufgestockt werden auf 10 000. Bei 1000 jährlichen Neuzugängen an Noten werden rund 30 000 Euro veranschlagt, für Möbel weitere 12 000 Euro. Internet-PC und Drucker kosteten 2000 Euro, ein E-Piano zum Ausprobieren der Noten rund 2500 Euro. Über zehn Jahre hinweg rechnet man mit Gesamtkosten von 239 000 Euro. Demgegenüber stünden Einnahmen durch die Musikbibliothek von 32 000 Euro. red/joth

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Info:
Medien
Der in der Musikabteilung der Stadtbibliothek Offenburg vorhandene Bestand von 203 Songbooks, 1229 Büchern und 3500 CDs soll aufgestockt werden, teils in Absprache mit den regionalen Musiktreibenden.
Angedacht sind:
Pädagogisches Notenmaterial: Instrumental-Schulen, Literaturempfehlungen
Noten für Ensembles und beliebte Instrumente
Songbooks zu Rock, Pop, Jazz und Weltmusik
Sammlungen
Partituren
Zeitschriften
Schwerpunkte:
CDs lokaler Lables, Musik auf Minus-One-CDs, Opern-DVDs, Klassische Musik;
ein E-Piano zum Ausprobieren der Noten und ein Internet-PC.red/joth

Kommentar:
Kultur ist kein Luxus
Allein die Zahl von 6200 Schülern und 214 Lehrern an den drei kommunalen Musikschulen im Ortenaukreis lässt ahnen, wie groß der potenzielle Bedarf an Musik-Medien sein könnte. Und was dem einen recht ist – nämlich in der Stadtbibliothek den Krimi oder Reiseführer zu lesen oder auszuleihen –, sollte dem anderen, dem Musikinte-ressierten, billig sein.
Auch wenn die Musikbibliothek erst einmal teuer ist: 238 000 Euro, gerechnet auf zehn Jahre, wird geschätzt, abzüglich 32 000 Euro aus Einnahmen durch Leihgebühren. Das ist fürwahr kein Pappenstiel.
Trotzdem: Den Zugang zu Wissen – dazu zählt auch das Musikalische – darf sich eine Kommune wie Offenburg ruhig etwas kosten lassen, denn Kultur ist kein Luxus.
@ Wie ist Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin unter
kultur@reiff.de

Zitate:
»Wir brauchen oft spezielle Noten«
»Über Veranstaltungen in den Spielstätten Oberrheinhalle, Reithalle, Salmen kann der Interessent sich im Vorfeld Ton- und Bildmaterial anschauen. Viele Veranstaltungen des Kulturbüros erklären sich nicht gleich mit dem Namen. Da sind visuelle Unterstützungen sehr hilfreich.«
Marlon Grieshaber, Kulturbüro Offenburg
»Jugendliche aus sozial schlechter gestellten Schichten bekommen durch eine Musikbibliothek die Möglichkeit, in der Regel kostspielige Noten zu erhalten. Die musikalische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen in der Breite zu fördern, ist für ihre nachhaltige Musikalisierung entscheidend.«
Traugott Fünfgeld, evangelischer Bezirkskantor Offenburg.
»Durch die mangelnde Verfügbarkeit von Musik-Literatur wird oft auf die Informationen des Internets zurückgegriffen, deren Seriosität nicht immer gegeben ist.«
Rolf Schilli, Jugendssymphonie-Orchester, Philharmonie am Forum.
»Natürlich unterstützen wir diese Idee und hoffen, dass die Umsetzung klappt. Wir brauchen immer wieder ganz spezielle Noten, wie jetzt die Heckerlieder beim Freiheitsfest. Vielleicht ist es in Zukunft möglich, solche Literatur von der Musikbibliothek zu bekommen.«
Volker Hering, Stadtkapelle Offenburg.

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