Inspirierender Geruch nach Ölfarbe auf der Art Karlsruhe

(Bild 1/3) »Ironie des Schicksals«, die Inszenierung einer Weltkatastrophe des Künstlers Bernd Reiter auf der Kunstmesse in Karlsruhe. ©Tilman Krieg
Aktuelle Kunst und Werke der klassischen Moderne sind noch bis Sonntagabend, 25. Februar, auf der Art Karlsruhe zu sehen. In vier Hallen stellen rund 300 Galerien aus.
In Halle 2 ereignet sich eine veritable Katastrophe: Eine russische MIG landet krachend auf der Cadillac-Limousine des amerikanischen Präsidenten. Das Begleitfahrzeug der Bodyguards steht zerborsten, hochkant auf dem Heck in diesem Trümmerfeld. Vom Präsidenten und vom russischen Piloten sind keine Spuren mehr zu entdecken. Die multimediale Installation des Kölner Künstlers Bernd Reiter ist wohl die spektakulärste Inszenierung auf der diesjährigen Art Karlsruhe am Stand des legendären Berliner Galeristen Michael Schultz. Reiter thematisiert mit seiner Installation »Ironie des Schicksals« einen heraufziehenden Krieg zwischen den Supermächten.
Lust an Chaos und Zerstörung
Auf Monitoren, die in die Trümmerteile eingebaut sind, laufen Kampf- und Greuelszenen aus den aktuellen Kriegen der Welt. Im Gegensatz zu manch anderen Kolossalinszenierungen wirkt diese nicht hohl, sondern durchaus packend und bleibt doch ambivalent. Denn wieviel Faszination und Voyeurismus steckt auch in unserer eigenen Lust an Chaos und Zerstörung!
Die Art Karlsruhe ist nach Köln die wichtigste Kunstmesse in Deutschland und daher für internationale Galerien ebenso Anziehungspunkt, wie auch für Galeristen und deren Künstler, die in der Region verortet sind. Mitbegründer und seit 15 Jahren Kurator ist der Karlsruher Galerist Karl Ewald Schrade. Wer es angesichts der strengen Selektion schafft, dabeizusein, erreicht hier viel interessiertes Publikum.
Es fällt auf, wie viele bekannte Künstler aus der Region dort bei renommierten Galerien vertreten sind: Jürgen Brodwolf, den Großmeister poetischer Kunst aus Farbtuben, zeigt die Hamburger Galerie St. Gertrude neben Arbeiten von Hannah Höch und Horst Janßen. Die Ulmer Bege Galerie präsentiert in einer Solo-Show neue Arbeiten von Armin Göhringer. Dessen kraftgeladene und zugleich fragile Holzskulpturen entstehen ausschließlich mit der Kettensäge.
Urgestein Waydelich bester Laune
Ein paar Stände weiter trifft man bei der Galerie Zaiß Raymond Waydelich in bester Laune. Das Urgestein elsässischer Kunst sprüht wie eh und je von Ideen. Seine Doppelausstellung in Kunstverein und Städtischer Galerie wird Offenburgern noch lebhaft im Gedächtnis sein.
Aus Zell am Harmersbach reist seit vielen Jahren Galerist Gentges mit der Galerie Arthus an, aus Freiburg stammt die Galerie Artkelch, die sich kenntnisreich mit der Kunst australischer Aborigines einen Namen gemacht hat. Ein ungewöhnlicher Akzent auf dieser Messe. Viele dieser regionalen Künstler haben sich international durchgesetzt und sind bei Sammlern hochbegehrt.
Und natürlich trifft man hier auch – und das ist ja das Besondere an so einer Messe – auf den Gängen und in den Ständen, die großen Stars der Szene. Markus Lüpertz, die elegante und imposante Erscheinung eines Malerfürsten, gilt als solcher. Oder auch der Meister politischer Kunst Klaus Staeck. Der ehemalige Präsident der Berliner Akademie der Künste, legt noch immer den Finger in die Wunden der Gesellschaft.
»Arbeiter, die SPD will Euch Eure Villen im Tessin wegnehmen«, war eine seiner berühmten Plakatikonen. Wenn auch inzwischen erwiesen sein dürfte, dass moderne Kunst vermutlich eher an den Wänden dieser Villen zu finden sein dürfte, als an den Wänden moderner Hartz IV-Bezieher.
1,3 Millionen muss man für die Installation des Flugzeugs auf den Cadillacs hinlegen.
An vielen Ständen findet man Werke klassischer Moderne, die oft im sechsstelligen Bereich liegen. Sammler können hier rare Lieblingsstücke finden, Arbeiten der »Brücke«- Künstler Erich Heckel, Otto Mueller und Ernst Ludwig Kirchner, Ikonen der Pop Art wie Andy Warhol, Tom Wesselmann und Allen Jones, oder Künstler der Gruppe Zero, wie Heinz Mack, Otto Piene und Günther Uecker.
Diese 15. Art Karlsruhe setzt einen Schwerpunkt auf Skulptur und bildhauerische Arbeiten. Zahlreiche Skulpturenplätze schaffen Luft zwischen den Galeriekojen und zeigen Arbeiten in beeindruckender Vielfalt. Gleichzeitig ist aber auch eine Renaissance der Malerei spürbar, die nie wirklich verschwunden war, aber in manchen Jahren durch neuere Tendenzen in den Hintergrund der Wahrnehmung trat.
Malerei ist aber gleichsam das Urmaterial der Kunst, die Arbeit mit Farben auf Malgrund der unmittelbarste Ausdruck künstlerischen Schaffens. An manchen Ständen riecht man diesen inspirierenden Geruch noch nicht ganz durchgetrockneter Ölfarbe. Besonders intensiv am Stand der Berliner Galerie Kornfeld, die eine Solo-Show der großformatigen Arbeiten von Christopher Lehmpfuhl zeigt.
Hände als Werkzeug
Lehmpfuhl hat den internationalen Durchbruch längst geschafft mit seinen dick-pastosen Städte- und Landschaftsmalereien, die allein durch das Gewicht der Farbe eine stabile Aufhängung verlangen. Der Maler ist gleichzeitig sein eigenes Werkzeug, denn er malt mit den Händen »plein air« mit pastoser Ölfarbe. Ein Besessener, der hier bescheiden inmitten seiner expressiven Veduten sitzt und mit dem Galeristen scherzt. Denn – und auch das muss noch gesagt werden – Ernst ist das Leben und heiter die Kunst.
Die Kunstmesse ist noch heute, Samstag, und morgen, Sonntag, jeweils von 11 bis 19 Uhr geöffnet.