Festspielhaus Baden-Baden

Mariinsky-Ballett für prächtige Inszenierungen gefeiert

Dietrich Mack
Lesezeit 3 Minuten
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29. Dezember 2017
Große Kunst zeigte das Mariinsky-Ballett aus St. Petersburg über die Feiertage im Festspielhaus Baden-Baden. Hier ein eleganter Sprung von Renata Shakirova, die in »Romeo und Julia« die Julia verkörperte.

Große Kunst zeigte das Mariinsky-Ballett aus St. Petersburg über die Feiertage im Festspielhaus Baden-Baden. Hier ein eleganter Sprung von Renata Shakirova, die in »Romeo und Julia« die Julia verkörperte. ©Natasha Razina

»Romeo und Julia«, »Nussknacker« und »Paquita« – das Mariinsky-Ballett aus St. Petersburg stillte im Festspielhaus Weihnachtssehnsüchte eines großen Publikums und ungewöhnlich jungen Publikums. 

Dieser »Grand pas«, ach was: dieser »le plus grand pas« war ein Weihnachtsfest und ein Hochzeitsfest in einem. Virtuoser und opulenter geht es nicht, was das Petersburger Mariinsky-Ballett bei »Paquita« auf die Bühne des Festspielhauses in Baden-Baden zauberte. Es war der Höhepunkt dieses Gastspiels, das seit 20 Jahren wie Tannenbaum und Gänsebraten zum Weihnachtsfest gehört. Vertraut und üppig, Genuss ohne Reue, pure Romantik. Danach scheint sich ein großes Publikum zu sehnen und nicht nur, wie zu erwarten war, ältere, sondern auch viele junge Menschen. Selten war das Publikum im Festspielhaus so jung und chic gekleidet.

Der Chef, Valery Gergiev, war diesmal nicht angereist, aber er hatte das große Orchester, die riesige Compagnie, Ausstattung und Technik geschickt. Ein logistischer Kraftakt. Die gewohnte Gala gab es nicht, dafür »Nussknacker« und mit »Romeo und Julia« und »Paquita« zwei Premieren.
»Paquita« wurde 1846 in der Choreographie von Joseph Mazilier uraufgeführt. Die Handlung ist abstrus, spielt in Spanien im Milieu der Gitanos und französischen Eroberer. Intrigen, Eifersucht, Hochzeit  – alles hat nur einen Zweck: Tanzen bis der Bühnenboden qualmt, immer fixiert auf die Primaballerina, auf den Superstar, der damals Carlotta Grisi hieß. 

In Paris verschwand das Stück bald, aber der junge Marius Petipa nahm es nach St. Petersburg mit, bearbeitete es mehrfach und schuf 1881 eine neue Choreographie, die stilbildend wurde. Das gilt für den »Pas de trois«, den er in den zweiten Akt verlegte, und vor allem für den »Grand pas« mit vielen Variationen im dritten Akt, den eine Mazurka für 80 Kinder eröffnete. Diesen Geniestreich von Petipa, sorgsam von Yuri Burlaka rekonstruiert, sah man in Baden-Baden. Den großen Rest hat Yuri Smekalov jüngst radikal bearbeitet. Nichts gleicht mehr der Urfassung, nur der Kontrast zwischen Gitanos und Adel ist erhalten. Ob die Änderungen Verbesserungen sind – in Paris und München gab es interessante Rekonstruktionen der Fassung von Petipa –, ist unerheblich. Man kann pures 19. Jahrhundert genießen, sich freuen an farbenprächtig gemalten Kulissen, Kostümorgien, lustigen Pantomimen, und man muss etwas Geduld haben. Aber es lohnt sich. 

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Umjubelter Nachwuchs

Nach der pittoresken Kerkerszene öffnet sich der weite Ballsaal zur Hochzeitsfeier, und der »Grand pas« beginnt. Zwar wird die Mazurka nur von 24 Kindern getanzt, aber so akkurat und so umjubelt, dass man sich keine Sorgen machen muss um die Zukunft dieser Compagnie. Dann folgt der »Grand pas« als Tanzfolge von sieben Variationen mit sechs Solistinnen und einem Solisten, gekrönt von der Prinzipalin Viktoria Tereshkina und dem Prinzipal Timur Askerov, den Tänzern der Hauptfiguren Paquita und Andrés. Die Gesamtwirkung ist überwältigend.

»Romeo und Julia« hat es leichter, ist das Liebesdrama schlechthin. Umso erstaunlicher, dass es erstmals 1940 choreographiert wurde, also in einer Zeit, in der Stalin und Hitler mordeten. Das Mariinsky-Theater hatte Sergej Prokofjew den Kompositionsauftrag gegeben. Zunächst galt die Musik als untanzbar, dann schuf Leonid Lavrovsky die erste Choreographie zur vollständigen Partitur mit Galina Ulanowa als Julia. Später folgten berühmte Versionen von John Cranko, Kenneth MacMillan, Rudolf Nurejew oder John Neumeier, dessen Version im Oktober 2016 in Baden-Baden zu sehen war. 

Jetzt sah man das Original von 1940, das von der theatralischen Kraft seiner Bilder, der Ausstattung, Arrangements, Fechtszenen – großartig der kurze zweite Akt – und natürlich des Spitzentanzes lebt. Schöner kann ein Museums-
besuch nicht sein.

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