Philipp Scharri übt "kreativen Ungehorsam"
Philipp Scharri wehrt sich gegen das Denken in Schubladen und die Einordnung als reiner Kabarettist. Er hat Philosophie studiert, liebt Slam Poetry, sein aktuelles Programm »Kreativer Ungehorsam« wartet auch noch mit Hip-Hop auf.
Den deutschen Kabarettmeister der Saison 2013/2014 hat es von seiner Heimatstadt Bonn aus über Stuttgart nach München verschlagen, wo er sich nach eigenem Bekunden »pudelwohl« fühlt. »Kreativer Ungehorsam«, der Titel seines Soloprogramms, ist für ihn weit mehr als eine griffige Worthülse, obwohl er das Spiel mit den Worten längst auch zu einem Markenzeichen erhoben hat.
Philipp Scharri ist studierter Germanist und Philosoph. Seine schnellen, aus der Hüfte heraus abgeschossenen Knittelverse sind alles andere als Nonsens, obwohl er mit der Slam Poetry und dem Rap groß geworden ist.
Er steht auf der Bühne, mimt das satirische Chamäleon, das der Welt um ihn herum in Spielszenen, Liedern und lyrischen Ergüssen in Reimform auf die Finger schaut. Er stellt sich damit klar gegen die klassische Form des Kabaretts, spricht nicht zuletzt auch ein jugendliches Publikum an. Schnelle Pointen, Plattheiten und Nonsens sind deshalb aber noch lange nicht sein Metier.
Gleich zu Beginn seines Auftritts am Freitag im Lahrer Stiftsschaffneikeller stellt er klar, dass für ihn das Denken in Schubladen nicht in die Tüte kommt, das Goethes »Erlkönig« alles andere ist als ein Folterinstrument frustrierter Deutschlehrer. Worte sind nicht einfach nur seelenlose Spielzeuge. Sie vermitteln Inhalte, Gedanken und Überzeugungen, wie so oft kommt es aber auch hier auf die Verpackung an. »Lyrik ist wie eine schöne Frau, die Worte schmeißen sich da extra in Schale«, unterstreicht Scharri. Dass das viel zu oft übersehen wird, stört ihn ebenso wie die Tatsache, das die Brötchen beim Bäcker immer öfter einzeln in der Tüte landen. Individualität und Kreativität wird halt viel zu oft an der falschen Stelle groß geschrieben.
Wortwitz mit Klavier
Scharri steigt dann ein in das »Musasutra«, eine Psychoanalyse des Dichters, den die Muse nicht so richtig küssen will. Scharri stellt ihr auch gleich nach, sucht die Inspiration oder einfach nur Sex mit einer Körperlosen, der öffentliche Orgasmus ist ihm dann aber doch etwas peinlich. Er setzt sich ans Klavier und serviert einen Protestsong gegen das »Schubladendenken«.
Etwas Kabarett muss schließlich schon sein, nicht dass der eine oder andere der gut 80 Zuschauer am Ende sein Eintrittsgeld zurück will. Philipp Scharri rapt, plaudert und singt sich dann durch den Abend. Ab und zu muss das Klavier herhalten, manchmal genügt aber auch die von der Konserve eingespielte Musik als Grundlage. Es geht dann um Alltagsbewältigung und »Straßenphilosophie«, um Vegetarier, die Fische für Pflanzen halten, die Frage, warum die Götter ihren Zwist nicht untereinander austragen und »Karmapunkte« für eine reine Weste bei der Endabrechnung an der Himmelspforte.
Scharri glaubt nicht, dass »Deutschsprech« zum Untergang des Buches führen wird, dreht dann aber den Spieß um und zeigt auf, wie die coolen Jungs von heute reagieren, wenn ihre Enkel plötzlich mit einem richtigen Buch auftauchen. Er singt ein Loblied auf die »Happy Hippies« oder die »Hippie Hoper«, führt zusammen, was eigentlich nicht so richtig zueinander finden will.
Philipp Scharri hält immer einen tieferen Sinn, eine geistige Klippe parat, auch wenn er zum Vergnügen des Publikums gut zwei Stunden lang immer wunderbar locker und unbeschwert rüber kommt.