Punkrock ist nicht tot: Bad Religion in Straßburg
33 Jahre Bandgeschichte, 30 Songs auf der Setliste, fünf Herren im besten Alter auf der Bühne: Die kalifornische Punk-Band Bad Religion begeistert am Montagabend das mit der Band gealterte Publikum in der Straßburger Laîterie. Auch ohne Urgestein Greg Hetson an der Gitarre können die Musiker um Sänger Greg Graffin mit straightem Punkrock überzeugen. Dass Graffins Gesang und seine Texte eine Klasse für sich sind, hat sich auch im 33. Jahr der Bandgeschichte nicht geändert.
Straßburg. „Surf-Music never dies“ hatte sich der Support-Act Demon Vendetta auf seine überdimensionale Totenkopf-Flagge geschrieben. Doch nicht die druckvolle, tarantino-taugliche instrumentale Surfmusik des französischen Trios bleibt am Ende des Abends in der fast ausverkauften Straßburger Laîterie in Erinnerung, sondern das weiland von Art Brut besungene Gefühl „Punkrock ist nicht tot“ – zumindest, wenn er von Bad Religion stammt.
Die 30 Songs auf der Setliste reichen bei der kalifornischen Punkrock-Legende für knapp eineinhalb Stunden Konzert. Kompakt. Präzise. Auf den Punkt. So kennen die Fans die Band seit 1980 – wenn man mal von den zwei etwas lauwarm-langatmigen Platten um die Jahrtausendwende absieht. Doch deren Songs bekommt man live sowieso schon lange nicht mehr zu hören. Aber auch ohne diese Ausrutscher ist die Playlist ein gelungene Mischung aus rohen Klassikern und Songs der letzten Alben. Auch drei Jahre nach der Tour zum 30. Bandjubiläum ist eine Bad Religion Show ein beeindruckender Rückblick auf das Schaffen einer Band, die seit dem Einstieg von Drummer Brooks Wackerman 2001 wieder zu alten Qualitäten zurück gefunden hat.
Wackerman, der inzwischen vierte Schlagzeuger der Band, modernisierte den Sound des Quintetts grundlegend, ist flexibler und druckvoller als Vorgänger Bobby Schayer. Und dieser Touch Pennywise tat den alten Herren von Bad Religion definitiv gut, holte er sie doch aus ihrer musikalischen Lethargie der Jahrtausendwende und brachte das Tempo und die Wut der frühen Jahre zurück.
Doch nicht der Drummer steht in Straßburg im Zentrum, sondern Sänger und Mastermind Greg Graffin. Der Punkrock-Prediger und wohl schlauste Texter im Punkrock liefert vom Opener „Past is dead“ bis zur letzten Zugabe „Dept of false hope“ eine tadellose Show. Sparsam, unaufgeregt, mit einem Repertoire von drei, vielleicht vier markanten Posen wühlt er sich durch messerscharf beobachtete Texte, vorgetragen im graffin-typischen Stakkato. Wohl selten gibt es in knapp zweiminütigen Punksongs wie „Suffer“ oder „No Control“ so viel geballte Sozialkritik zu hören. So ganz kann Graffin seinen Doktortitel in Evolutionsbiologie eben auch beim Texten nicht vergessen.
Aufgefangen werden Graffins Strophen von ausufernden Melodielinien, wenn die Band in Richtung Refrain aufbricht und Gitarrist Brian Baker und Bassist Jay Bentley mit den inzwischen auch bei Live-Konzerten perfekt sitzenden Background-Chören einsteigen. Das Publikum in Straßburg leistet seinen Beitrag und ist bei den legendären „Oozing Aahs“, aber auch beim Rest der Lyrics stimmgewaltig zur Stelle. Die Stimmung springt auch auf die Herren auf der Bühne über.
Bassist Bentley ist sowieso immer für eine kleine Show- oder Lachnummer zu haben, steuert druckvoll den rauhen Gesang im Outro von „American Jesus“ bei und liefert mit seinem unauffälligen Bass-Spiel das Sound-Fundament. Doch auch der sonst eher ruhige Brian Baker an der Solo-Gitarre hatte in der Laîterie sichtlich Spaß: Schmunzelnd spielt er sich durch seine präzisen Soli, baut zur Freude von Graffin immer mal wieder eine nette Variation ein oder schiebt zusammen mit Drummer Wackerman beim Klassiker „Fuck Armageddon“ einen kleinen Jam-Zwischenteil ein. Ein Punk-Gitarrist, der mehr zu bieten hat, als die sprichwörtlichen drei Akkorde und damit weit mehr ist, als nur ein Ersatz für den 1993 ausgestiegenen Brett Gurewitz. Der ist zwar seit 2001 als Songschreiber wieder mit an Bord, das Touren spart er sich aber und kümmert sich lieber um sein Epitaph-Label.
Noch einer war beim Konzert in Straßburg nicht dabei: Rhythmusgitarrist Greg Hetson. Fehlte er beim Konzert Ende April im Stuttgarter Longhorn noch ersatzlos, wurde er in der Laîterie ohne Kommentar seitens der Band durch Mike Dimkich von „The Cult“ ersetzt. Der lieferte eine solide, wenn auch unauffällige Show am Rand der Bühne und meist auch am Rand der Gruppe. Hetsons Energie und Show fehlte jedoch spürbar. Offiziell ist er noch Mitglied der Band, hat aber derzeit nach Angaben von Bassist Bentley mit persönlichen Problemen zu kämpfen.
„Confusion is a fundamental state of mind“, hieße das wohl in Graffins Texten.