Die Dämonen des Reformators

Schauspiel »Martinus Luther« zog Publikum in seinen Bann

Johanna Graupe
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02. November 2017
Wort- und bildstarke Inszenierung: der alte Luther (Thomas Kügel) mit seiner resoluten Frau Katharina (Anja Klawun).

Wort- und bildstarke Inszenierung: der alte Luther (Thomas Kügel) mit seiner resoluten Frau Katharina (Anja Klawun). ©Johanna Graupe

Das Münchner Ensemble  zeichnet im Schauspiel »Martinus Luther – Anfang und Ende eines Mythos« mit großer Intensität den Lebensweg des Reformators nach. Der Aufführung am Freitag in Oberkirch folgen Vorstellungen in Offenburg und Kehl. 

Ein dunkler Bühnenraum, nur durch ein Kreuz aus Lichtkacheln erhellt, auf dem ein junger Mann  von Krämpfen geschüttelt liegt: Sebastian Gerasch interpretiert den jungen Luther intensiv, körperbetont. Die Dämonen, Ängste, die Luther ein Leben lang begleiten, werden schon hier deutlich.

Für den jungen Luther, einen angehenden Jura-Studenten, hat der Vater eine bürgerliche Karriere und eine gute Heirat vorgesehen. Doch der Sohn hat ein Erweckungserlebnis und gelobt, Mönch zu werden. Wände fallen auf der Bühne um. Gebannt folgt man dem anrührenden  Dialog mit dem Vater, großartig gespielt von Thomas Kügel. »Was man in höchster Not verspricht, muss man nicht halten«, meint er. 

Bruch mit dem Vater

Der Bruch mit dem Vater ist scharf. Der innere Zwiespalt, der Mut, sich damals gegen das Elternhaus aufzulehnen, wird deutlich. Hier wird schon der Kampf des jungen Luther sichtbar. Die Auflehnungen gegen Autoritäten ziehen sich wie ein roter Faden durch sein Leben: erst gegen den Vater, dann gegen Kirche und Papst. 
»Wie kriege ich einen gnädigen Gott?« Diese Kernfrage des Grüblers und Zweiflers werden in den Gesprächen mit dem Ordensoberen Johann von Staupitz deutlich. Der Generalvikar, der das große theologische Talent erkannt hat, rät Luther, seine Kritik am Papsttum, an Korruption und kirchlich sanktioniertem Ablasshandel nur kirchenintern, nicht auf Deutsch und nicht öffentlich abzuhandeln: »Du legst die Axt an den Stamm.« An diesen Rat hält sich Luther nicht: »Die Dämonen des Anfangs« zeigen seinen inneren Weg bis zum Thesenanschlag am 31. Oktober 1517.

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Krank und verbittert

Autor John von Düffel versucht erst gar nicht, die weiteren bekannten Stationen Luthers auf die Bühne zu bringen: Reichstag in Worms, Aufenthalt auf der Wartburg, Bauernkriege. Er macht einen großen Sprung, steigt im zweiten Teil des Stücks 1546 ein und lässt Luther mit den »Dämonen des Endes« ringen. Die Mühsal seines Lebens ist dem alten Luther (Thomas Kügel, in jeder seiner Rollen stark) anzusehen: Er ist krank, verbittert, hat mit Krankheiten zu kämpfen. Zwei seiner sechs Kinder sind verstorben. Seine Frau, die entlaufene Nonne, Katharina von Bora, regelt den Alltag: »Thesen stellt mein Mann auf, ich gebe Befehle«, beschreibt sie das Zusammenleben. Anja Klawun, eben noch Heilige und Verführerin ist jetzt die resolute Partnerin, die nicht umsonst »Herr Käthe« genannt wird.  

Während sich Luther in der Jugend kasteit und gefastet hat, ist er jetzt derb, maßlos im Essen und Trinken, aber auch im Reden und Denken. Als Mensch seiner Zeit und nicht als Übermensch wettert der  ehemals energievolle Revolutionär  in seinen Schriften ungebremst gegen Juden, Bauernaufstände, Türken, sodass der junge Student Pius Rosenkranz  (Sebastian Gerasch) mit katholisch-jüdischer Abstammung das Weite sucht und lieber Jura als Theologie studiert. Der Kreis schließt sich. 

Drei exzellente Schauspieler, die im Gedächtnis bleiben, fernsehbekannt und theatererfahren, schlüpfen in ganz unterschiedliche Rollen und sind auch zum Teil in einer vom Autor entwickelten Sprache, die eine Anlehnung an das damals übliche Frühmittelhochdeutsch ist, zu Hause. 
Die außergewöhnliche Produktion von Thomas Luft hat ein minimalistisches Bühnenbild und eine originelle Bühnenmusik auf Percussion-Instrumenten (Anno Kesting), die das Geschehen unterstreichen. Die Konzentration der Zuschauer löste sich am Schluss in einem sehr langen Beifall. 

Weitere Aufführungen: Mittwoch, 8. November 20 Uhr, Offenburg, Oberrheinhalle; Donnerstag, 9. November, 20 Uhr, Kehl, Stadthalle. 

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