Kultur
"Sie kann auch heute noch Vorbild sein"
Jutta Hagedorn
17. Juli 2009
Zusatzinhalte nur mit verfügbar - jetzt informieren
Ute Dahmen hat nach dreijähriger akribischer Recherche in Archiven und durch Gespräche mit Mitarbeitern, Freunden und Prominenten das Leben der Offenburger Verlegerin Aenne Burda nachgezeichnet. Ihre Biografie
»Aenne Burda. Wunder sind machbar« erscheint heute, Freitag. Ute Dahmen lebt und arbeitet als Journalistin in Offenburg.
Was ist das für ein Gefühl – nach drei Jahren Recherche –, das fertige Projekt in Händen zu halten?
Ute Dahmen: Sehr schön. Das Projekt war für mich eine Herausforderung und ich habe mich gefreut, das erste Exemplar in den Händen zu halten.
Wie war Ihr persönliches Verhältnis zu Aenne Burda? Sie kannten sie ja noch zu Lebzeiten. Was hatte sie, das andere Frauen so vielleicht nicht haben? Und was hat Sie letztendlich gereizt, dieses Buch zu schreiben?
Dahmen: Ich habe sie anfangs beruflich kennengelernt: Seit 1987 bei den Bambi-Verleihungen, in den 90ern habe ich sie häufiger für die Mittelbadische Presse interviewt. Später hat sie mich dann oft privat zu sich eingeladen. Da hat sie schöne Geschichten aus ihrem langen und prallen Leben erzählt. Das war faszinierend. Eine Frau, die 1909 geboren ist und Kaiserreich, Ersten Weltkrieg, Weimarer Republik, Drittes Reich und die Gründung der Bundesrepublik erlebt hat. Sie war unwahrscheinlich ehrlich, direkt – und dann hat sie auch so wunderbar gelacht. Es war ein Erlebnis, ihr zuzuhören. Hubert Burda hat mich nach ihrem Tod gefragt, ob ich Lust habe, die Biografie seiner Mutter zu schreiben. Das war gar keine Frage. Ich habe mich sehr über dieses Angebot gefreut.
Hat die private Bekanntschaft die Recherche erleichtert oder stand die reale Person manchmal »im Wege«? Man interpretiert Dokumente ja durchaus anders, wenn man die Stimme im Ohr hat, Gestik und Mimik noch vor Augen.
Dahmen: Es war eher wie ein Puzzlespiel. Auf der einen Seite war es für mich sehr wichtig, Aenne Burda persönlich zu kennen. Hinzu kamen Gespräche mit mehr als 50 Menschen, die sie gekannt haben, mit denen sie zusammengearbeitet hat, Freunde von ihr – und schließlich ganz viel Archivarbeit. Diese Puzzleteile zusammen haben ergeben, was letztendlich entstanden ist. Ich wollte Aenne Burda ja so authentisch wie möglich darstellen.
Aenne Burda war eine facettenreiche Persönlichkeit. Haben Sie etwas entdeckt, was Sie erstaunt hat, was so von ihr nicht bekannt war?
Dahmen: Ich wusste natürlich vieles, weil sie mir immer offen und ehrlich erzählt hat. Aber in der Biografie stehen gewiss auch Facetten Aenne Burdas, die in der Öffentlichkeit nicht unbedingt bekannt waren.
Welcher Teil der Person oder welche Episode in Aenne Burdas Leben hat Sie emotional am meisten beschäftigt, betroffen, beeindruckt?
Dahmen: Was ich unglaublich finde: Dass sie mit 40 Jahren, als Mutter von drei Kindern, Hausfrau, diesen Schritt wagt, diesen verschuldeten Betrieb übernimmt, die Ärmel hochkrempelt und den größten Modeverlag der Welt aufbaut. Hintergrund ist, dass sie erfährt, dass die Geliebte ihres Mannes diesen Modeverlag leitet und sie spontan sagt: Was die kann, kann ich auch. Und er reagiert gelassen: Engele, dann mach’s halt du. Vielleicht gäbe es ohne diese eheliche Problematik »Burda Moden« überhaupt nicht.
War es für sie vielleicht eine Provokation?
Dahmen: Welche Frau empfände das nicht als Provokation? Aber statt zu jammern, hat sie ihre Chance genutzt. Und das 1949. Damals waren die 40-Jährigen nicht so jung wie heute. Das war sicher sehr ungewöhnlich.
Haben Sie jetzt ein anderes Bild von Aenne Burda als vor dem Projekt?
Dahmen: Was mir noch mal klar geworden ist: Dass ihr Lebensweg auch heute noch Vorbild sein kann. Dass sie erfolgreich war, Frauen Schönheit und Selbstbewusstsein vermittelt hat, dass sie in Südamerika Frauen bisweilen zu einer eigenen Existenz verholfen hat. Das zieht ja ganz, ganz große Kreise. Und noch etwas anderes: Es gibt zum Beispiel ganz viele Künstler, die sich von ihr inspirieren ließen und Kunst mit Schnittmustern machen. Das kann man sehr anschaulich in der Aenne-Burda-Ausstellung im Ritterhaus nachvollziehen.
Hatten Sie ein bestimmtes Ziel oder Thema?
Dahmen: Für mich war es wichtig, mit möglichst vielen Mitarbeitern von Aenne Burda zu sprechen, die sie in verschiedenen Lebens- und Arbeitsphasen erlebt haben, auch mit Freunden. Ich habe versucht, ihr nahezukommen. Ich wünsche mir, dass meine Biografie vor allem für die Offenburgerinnen interessant ist, weil hier ganz viele Frauen jahrzehntelang im Verlag Aenne Burda gearbeitet haben – und natürlich auch Männer. In keiner anderen Stadt ist der persönliche Bezug zu der Verlegerin so gegeben wie in Offenburg.
Wie ist das Buch aufgebaut? Sind Sie chronologisch vorgegangen, thematisch? Ist es eher ein Rundumschlag oder steht ein bestimmter Aspekt im Fokus?
Dahmen: Ich beginne 1987 mit Aenne Burdas Triumph in Moskau, dann folgt eine relativ chronologische Biografie. Bescheidene Kindheit als Eisenbahnertochter in einer süddeutschen Kleinstadt bis hin zum großen Beerdigungszug 2005 in ihrer Heimatstadt Offenburg. Dazwischen erlebt
Aenne Burda die große Welt. Sie besucht in den 50er-Jahren als Provinzlerin die Schauen der großen Modedesigner in Berlin, reist mit Künstlerfreunden nach Ischia und 30 Jahre lang nach Sizilien. Sie richtet mit ihrem Mann das bedeutendste Ballereignis Deutschlands aus, den Bal
paré in München. Sie ist weltweit erfolgreich, hat Freunde aus Wirtschaft, Politik und Showbiz. Erst später, als sie zu den Wurzeln zurückkehrt, konzentriert sie sich wieder auf Offenburg. Ich habe viel im Stadtarchiv recherchiert, um zu sehen, wie war dieses Offenburg, in dem Aenne aufgewachsen ist? Das war für mich sehr spannend, die Geschichte dieser Stadt, in der ich lebe, besser kennenzulernen.
Warum Moskau am Anfang?
Dahmen: Moskau 1987 war Aenne Burdas persönlicher und beruflicher Triumph. Als erste westliche Verlegerin publiziert sie ein Blatt in der So-
wjetunion. Das war großartig. Sie hat, wie Hans-Dietrich Genscher sagte, den Eisernen Vorhang ein Stück zur Seite gerückt.
Welche Quellen und Informationen standen Ihnen zur Verfügung?
Dahmen: Ich habe im Archiv von Burda gearbeitet, im Stadtarchiv; war in Aenne Burdas Privatvilla und habe – oft auch mit ihr – viele Fotoalben durchgeblättert. Hinzu kamen wie gesagt ihre persönlichen Erzählungen und viele Interviews.
Wie verarbeitet man 60 Jahre Lebensgeschichte? Denn hier hatten Sie ja die berühmte Qual der Wahl?
Dahmen: Da hätte man noch mal drei Jahre dran arbeiten können, weil sich immer neue Zeitgenossen gefunden haben, die Geschichten zu erzählen hatten (lacht). Da muss man sich manchmal beschränken und kann nur noch exemplarisch vorgehen.
Sie sprachen bereits von ihrer Vorbildfunktion. Immerhin fing sie an, als Frauen noch unter der rechtlichen Knute ihrer Männer standen und nur bedingt selber Rechtsgeschäfte tätigen durften. Kann sie aber noch heute Vorbild sein? Inwiefern?
Dahmen: Ich denke, dass Aenne Burda grundsätzlich immer Vorbild sein konnte und kann. Das Großartige, das sie ausmacht, ist doch, dass sie Herausforderungen immer angenommen hat, Chancen erkannt und tatsächlich umgesetzt hat, und das immer mit großer Risikobereitschaft. Sie hatte einen ganz eisernen Willen, große Tatkraft und Disziplin. Das ist, was wir heute noch genauso brauchen. Ein Ziel vor Augen zu haben und zu sagen: Da möchte ich hin, und da gehe ich hin.
Wie lief das eigentlich konkret mit dem Verlag?
Dahmen: Ihr Mann hat ihr den Verlag überschrieben. Dieser Verlag hatte 200 000 Mark Schulden, und die hat sie erstmal erarbeitet und zurückgezahlt. Aenne Burda und auch ihrem Mann Franz Burda war es wichtig, dass getrennt gewirtschaftet wurde. Er hat gedruckt, und sie war eine Druck-Kundin.
Vielleicht noch ein Wort in diesem Zusammenhang zu ihrem Erfolg im Ausland, speziell in Russland, zu einer Zeit, als die Beziehungen zum Osten alles andere als gut waren.
Dahmen: Es war eine unglaubliche Leistung, dass Burda Moden als einziges westliches Blatt publiziert wurde. Dazu kommt dann noch der Besuch bei Raissa Gorbatschowa. Die Bilder gingen um die ganze Welt. Ich glaube, das hat
Aenne Burda selber auch als Höhepunkt ihres beruflichen Lebens gesehen. Zwei Jahre später kam dann die Isvestija-Geschichte – Burda Moden und die Burda GmbH wurden offiziell mit der Akquise für westliche Anzeigen in der Regierungszeitung der UdSSR betraut. Burda Moden war das Nadelöhr für Russland.
Und wie haben die Leserinnen das Modeheft aufgenommen?
Dahmen: Großartig. Der Wunsch nach Schönheit ist überall gleich. Burda Moden war das Fenster zum Westen. Es waren nicht nur die Schnittmuster, die die Leserinnen begeisterten, sondern auch Aenne Burdas Kolumnen. Sie sprach zu ihnen wie eine Freundin. Da gab es Leserbriefe, in denen stand: Ich habe das Gefühl, Sie schrieben nur für mich. Aenne vermittelte immer das Gefühl, sie ist eine von uns, sie weiß wie Frauen denken und fühlen.
Was war für Sie jetzt im Rückblick noch von Bedeutung, spannend, aufregend?
Dahmen: Neben der Persönlichkeit Aenne Burdas und den vielen beeindruckenden Gesprächen waren das sicherlich die Reisen an viele Orte und Stationen, die in Aenne Burdas Leben von Bedeutung waren. Moskau, wo sie ein berufliches Highlight erlebt, Sizilien, wo sie Ausgleich und Entspannung für ihren beruflichen Alltag gefunden hat. Ich habe die letzten Jahre meinen Urlaub danach ausgerichtet (lacht). Man sieht dann vieles durch die Augen der Person, die man beschreibt.
Sie haben ja auch aufregende Interviews geführt...?
Dahmen: Ja, mit den Mitarbeitern, aber auch mit den prominenten Freunden Aenne Burdas. Ich habe Karl Lagerfeld getroffen, mit Hans-Dietrich Genscher gesprochen, mit Berthold Beitz, mit Eliette von Karajan oder Udo Jürgens. Das waren Begegnungen, die für mich eine Bereicherung waren.
Termine zum 100. Geburtstag der Offenburger Verlegerin Aenne Burda:
18. Juli bis 10. Januar: Aenne Burda: Ein Leben für die Mode, Ausstellung im Museum im Ritterhaus Offenburg; dienstags bis sonntags 10-17 Uhr; Info: www.museum-offenburg.de.
23. Juli, 23 Uhr, SWR: Dokumentation über Aenne Burdas Leben und Werk aus: »Aenne Burda – eine Frau erobert die Welt«.
Ute Dahmen hat nach dreijähriger akribischer Recherche in Archiven und durch Gespräche mit Mitarbeitern, Freunden und Prominenten das Leben der Offenburger Verlegerin Aenne Burda nachgezeichnet. Ihre Biografie
»Aenne Burda. Wunder sind machbar« erscheint heute, Freitag. Ute Dahmen lebt und arbeitet als Journalistin in Offenburg.
Was ist das für ein Gefühl – nach drei Jahren Recherche –, das fertige Projekt in Händen zu halten?
Ute Dahmen: Sehr schön. Das Projekt war für mich eine Herausforderung und ich habe mich gefreut, das erste Exemplar in den Händen zu halten.
Wie war Ihr persönliches Verhältnis zu Aenne Burda? Sie kannten sie ja noch zu Lebzeiten. Was hatte sie, das andere Frauen so vielleicht nicht haben? Und was hat Sie letztendlich gereizt, dieses Buch zu schreiben?
Dahmen: Ich habe sie anfangs beruflich kennengelernt: Seit 1987 bei den Bambi-Verleihungen, in den 90ern habe ich sie häufiger für die Mittelbadische Presse interviewt. Später hat sie mich dann oft privat zu sich eingeladen. Da hat sie schöne Geschichten aus ihrem langen und prallen Leben erzählt. Das war faszinierend. Eine Frau, die 1909 geboren ist und Kaiserreich, Ersten Weltkrieg, Weimarer Republik, Drittes Reich und die Gründung der Bundesrepublik erlebt hat. Sie war unwahrscheinlich ehrlich, direkt – und dann hat sie auch so wunderbar gelacht. Es war ein Erlebnis, ihr zuzuhören. Hubert Burda hat mich nach ihrem Tod gefragt, ob ich Lust habe, die Biografie seiner Mutter zu schreiben. Das war gar keine Frage. Ich habe mich sehr über dieses Angebot gefreut.
Hat die private Bekanntschaft die Recherche erleichtert oder stand die reale Person manchmal »im Wege«? Man interpretiert Dokumente ja durchaus anders, wenn man die Stimme im Ohr hat, Gestik und Mimik noch vor Augen.
Dahmen: Es war eher wie ein Puzzlespiel. Auf der einen Seite war es für mich sehr wichtig, Aenne Burda persönlich zu kennen. Hinzu kamen Gespräche mit mehr als 50 Menschen, die sie gekannt haben, mit denen sie zusammengearbeitet hat, Freunde von ihr – und schließlich ganz viel Archivarbeit. Diese Puzzleteile zusammen haben ergeben, was letztendlich entstanden ist. Ich wollte Aenne Burda ja so authentisch wie möglich darstellen.
Aenne Burda war eine facettenreiche Persönlichkeit. Haben Sie etwas entdeckt, was Sie erstaunt hat, was so von ihr nicht bekannt war?
Dahmen: Ich wusste natürlich vieles, weil sie mir immer offen und ehrlich erzählt hat. Aber in der Biografie stehen gewiss auch Facetten Aenne Burdas, die in der Öffentlichkeit nicht unbedingt bekannt waren.
Welcher Teil der Person oder welche Episode in Aenne Burdas Leben hat Sie emotional am meisten beschäftigt, betroffen, beeindruckt?
Dahmen: Was ich unglaublich finde: Dass sie mit 40 Jahren, als Mutter von drei Kindern, Hausfrau, diesen Schritt wagt, diesen verschuldeten Betrieb übernimmt, die Ärmel hochkrempelt und den größten Modeverlag der Welt aufbaut. Hintergrund ist, dass sie erfährt, dass die Geliebte ihres Mannes diesen Modeverlag leitet und sie spontan sagt: Was die kann, kann ich auch. Und er reagiert gelassen: Engele, dann mach’s halt du. Vielleicht gäbe es ohne diese eheliche Problematik »Burda Moden« überhaupt nicht.
War es für sie vielleicht eine Provokation?
Dahmen: Welche Frau empfände das nicht als Provokation? Aber statt zu jammern, hat sie ihre Chance genutzt. Und das 1949. Damals waren die 40-Jährigen nicht so jung wie heute. Das war sicher sehr ungewöhnlich.
Haben Sie jetzt ein anderes Bild von Aenne Burda als vor dem Projekt?
Dahmen: Was mir noch mal klar geworden ist: Dass ihr Lebensweg auch heute noch Vorbild sein kann. Dass sie erfolgreich war, Frauen Schönheit und Selbstbewusstsein vermittelt hat, dass sie in Südamerika Frauen bisweilen zu einer eigenen Existenz verholfen hat. Das zieht ja ganz, ganz große Kreise. Und noch etwas anderes: Es gibt zum Beispiel ganz viele Künstler, die sich von ihr inspirieren ließen und Kunst mit Schnittmustern machen. Das kann man sehr anschaulich in der Aenne-Burda-Ausstellung im Ritterhaus nachvollziehen.
Hatten Sie ein bestimmtes Ziel oder Thema?
Dahmen: Für mich war es wichtig, mit möglichst vielen Mitarbeitern von Aenne Burda zu sprechen, die sie in verschiedenen Lebens- und Arbeitsphasen erlebt haben, auch mit Freunden. Ich habe versucht, ihr nahezukommen. Ich wünsche mir, dass meine Biografie vor allem für die Offenburgerinnen interessant ist, weil hier ganz viele Frauen jahrzehntelang im Verlag Aenne Burda gearbeitet haben – und natürlich auch Männer. In keiner anderen Stadt ist der persönliche Bezug zu der Verlegerin so gegeben wie in Offenburg.
Wie ist das Buch aufgebaut? Sind Sie chronologisch vorgegangen, thematisch? Ist es eher ein Rundumschlag oder steht ein bestimmter Aspekt im Fokus?
Dahmen: Ich beginne 1987 mit Aenne Burdas Triumph in Moskau, dann folgt eine relativ chronologische Biografie. Bescheidene Kindheit als Eisenbahnertochter in einer süddeutschen Kleinstadt bis hin zum großen Beerdigungszug 2005 in ihrer Heimatstadt Offenburg. Dazwischen erlebt
Aenne Burda die große Welt. Sie besucht in den 50er-Jahren als Provinzlerin die Schauen der großen Modedesigner in Berlin, reist mit Künstlerfreunden nach Ischia und 30 Jahre lang nach Sizilien. Sie richtet mit ihrem Mann das bedeutendste Ballereignis Deutschlands aus, den Bal
paré in München. Sie ist weltweit erfolgreich, hat Freunde aus Wirtschaft, Politik und Showbiz. Erst später, als sie zu den Wurzeln zurückkehrt, konzentriert sie sich wieder auf Offenburg. Ich habe viel im Stadtarchiv recherchiert, um zu sehen, wie war dieses Offenburg, in dem Aenne aufgewachsen ist? Das war für mich sehr spannend, die Geschichte dieser Stadt, in der ich lebe, besser kennenzulernen.
Warum Moskau am Anfang?
Dahmen: Moskau 1987 war Aenne Burdas persönlicher und beruflicher Triumph. Als erste westliche Verlegerin publiziert sie ein Blatt in der So-
wjetunion. Das war großartig. Sie hat, wie Hans-Dietrich Genscher sagte, den Eisernen Vorhang ein Stück zur Seite gerückt.
Welche Quellen und Informationen standen Ihnen zur Verfügung?
Dahmen: Ich habe im Archiv von Burda gearbeitet, im Stadtarchiv; war in Aenne Burdas Privatvilla und habe – oft auch mit ihr – viele Fotoalben durchgeblättert. Hinzu kamen wie gesagt ihre persönlichen Erzählungen und viele Interviews.
Wie verarbeitet man 60 Jahre Lebensgeschichte? Denn hier hatten Sie ja die berühmte Qual der Wahl?
Dahmen: Da hätte man noch mal drei Jahre dran arbeiten können, weil sich immer neue Zeitgenossen gefunden haben, die Geschichten zu erzählen hatten (lacht). Da muss man sich manchmal beschränken und kann nur noch exemplarisch vorgehen.
Sie sprachen bereits von ihrer Vorbildfunktion. Immerhin fing sie an, als Frauen noch unter der rechtlichen Knute ihrer Männer standen und nur bedingt selber Rechtsgeschäfte tätigen durften. Kann sie aber noch heute Vorbild sein? Inwiefern?
Dahmen: Ich denke, dass Aenne Burda grundsätzlich immer Vorbild sein konnte und kann. Das Großartige, das sie ausmacht, ist doch, dass sie Herausforderungen immer angenommen hat, Chancen erkannt und tatsächlich umgesetzt hat, und das immer mit großer Risikobereitschaft. Sie hatte einen ganz eisernen Willen, große Tatkraft und Disziplin. Das ist, was wir heute noch genauso brauchen. Ein Ziel vor Augen zu haben und zu sagen: Da möchte ich hin, und da gehe ich hin.
Wie lief das eigentlich konkret mit dem Verlag?
Dahmen: Ihr Mann hat ihr den Verlag überschrieben. Dieser Verlag hatte 200 000 Mark Schulden, und die hat sie erstmal erarbeitet und zurückgezahlt. Aenne Burda und auch ihrem Mann Franz Burda war es wichtig, dass getrennt gewirtschaftet wurde. Er hat gedruckt, und sie war eine Druck-Kundin.
Vielleicht noch ein Wort in diesem Zusammenhang zu ihrem Erfolg im Ausland, speziell in Russland, zu einer Zeit, als die Beziehungen zum Osten alles andere als gut waren.
Dahmen: Es war eine unglaubliche Leistung, dass Burda Moden als einziges westliches Blatt publiziert wurde. Dazu kommt dann noch der Besuch bei Raissa Gorbatschowa. Die Bilder gingen um die ganze Welt. Ich glaube, das hat
Aenne Burda selber auch als Höhepunkt ihres beruflichen Lebens gesehen. Zwei Jahre später kam dann die Isvestija-Geschichte – Burda Moden und die Burda GmbH wurden offiziell mit der Akquise für westliche Anzeigen in der Regierungszeitung der UdSSR betraut. Burda Moden war das Nadelöhr für Russland.
Und wie haben die Leserinnen das Modeheft aufgenommen?
Dahmen: Großartig. Der Wunsch nach Schönheit ist überall gleich. Burda Moden war das Fenster zum Westen. Es waren nicht nur die Schnittmuster, die die Leserinnen begeisterten, sondern auch Aenne Burdas Kolumnen. Sie sprach zu ihnen wie eine Freundin. Da gab es Leserbriefe, in denen stand: Ich habe das Gefühl, Sie schrieben nur für mich. Aenne vermittelte immer das Gefühl, sie ist eine von uns, sie weiß wie Frauen denken und fühlen.
Was war für Sie jetzt im Rückblick noch von Bedeutung, spannend, aufregend?
Dahmen: Neben der Persönlichkeit Aenne Burdas und den vielen beeindruckenden Gesprächen waren das sicherlich die Reisen an viele Orte und Stationen, die in Aenne Burdas Leben von Bedeutung waren. Moskau, wo sie ein berufliches Highlight erlebt, Sizilien, wo sie Ausgleich und Entspannung für ihren beruflichen Alltag gefunden hat. Ich habe die letzten Jahre meinen Urlaub danach ausgerichtet (lacht). Man sieht dann vieles durch die Augen der Person, die man beschreibt.
Sie haben ja auch aufregende Interviews geführt...?
Dahmen: Ja, mit den Mitarbeitern, aber auch mit den prominenten Freunden Aenne Burdas. Ich habe Karl Lagerfeld getroffen, mit Hans-Dietrich Genscher gesprochen, mit Berthold Beitz, mit Eliette von Karajan oder Udo Jürgens. Das waren Begegnungen, die für mich eine Bereicherung waren.
Termine zum 100. Geburtstag der Offenburger Verlegerin Aenne Burda:
18. Juli bis 10. Januar: Aenne Burda: Ein Leben für die Mode, Ausstellung im Museum im Ritterhaus Offenburg; dienstags bis sonntags 10-17 Uhr; Info: www.museum-offenburg.de.
23. Juli, 23 Uhr, SWR: Dokumentation über Aenne Burdas Leben und Werk aus: »Aenne Burda – eine Frau erobert die Welt«.