Spektakulär und sehr komisch
Achern. Im Herbst feiert die Freiburger Puppenbühne ihr 25-jähriges Bestehen. Da freute sich Johannes Minuth, der 56-jährige Gründervater des Unternehmens, ganz besonders, dass sein Acherner Gastspiel bei der ersten »Ortenauer Puppenparade« für einen Publikumsansturm sorgte.
Der studierte Germanist wurde bundesweit als »Puppendoktor« bekannt. Seine 1996 als Buch erschienene Dissertation »Das Kaspertheater und seine Entwicklungsgeschichte« gilt als Standardwerk des Genres. 17 Theaterstücke haben Johannes Minuth und Ehefrau Karin im Repertoire. Der »Faust« ist Minuths besonderes »Lieblingskind«, mit dem er auf Einladung der Deutschen Botschaft im vergangenen Frühjahr sogar in Moskau zu sehen war.
Kenner wissen, dass sich Goethe einst von einem Puppenspiel bei der Niederschrift des Faust inspirieren ließ. In seiner Autobiografie »Dichtung und Wahrheit« heißt es: »Die bedeutende Puppenspielfabel klang und summte gar vieltönig in mir wider.« Die älteste belegte Aufführung hat immerhin schon weit über 250 Jahre auf dem Buckel. Minuths zeitgemäße, von Bernd Lafrenz spektakulär inszenierte Interpretation wirbelt den Ablauf des Stücks publikumswirksam durcheinander und betont die komischen Elemente der faustischen Sinnsuche.
Schwäbelnder Famulus
Die altertümelnde »Wein, Weib und Gesang«-Devise wird zu einem wirkungsvollen Abgesang auf die »Sex, Drugs and Rock-’n’-Roll«-Kultur, der Faust, auf Betreiben des Gehörnten, mit Haut und Haar verfiel. Mephistopheles als hysterisch lachenden Rockstar zu bewundern, machte dabei ebenso Spaß wie der Dialekt des behäbig schwäbelnden Famulus. Auch Gretchens bieder auftretende Mutter wettert auf Schwäbisch und ruft das »Heilix Blechle« an, bevor sie den vom Teufel herbeigeschafften Perlenschmuck spornstreichs zum Pfarrer bringt.
Moderne Familiendramen klingen an, wenn Faust erst nach der Schwängerung Gretchens in Auerbachs Keller einkehrt, um sich in der darauf- folgenden Walpurgis-Nacht von einem sich lasziv auf dem TV-Schirm räkelnden Unterwäschemodell zu sexuellen Orgien verführen zu lassen. Die vom Phallus beherrschten Schattenbilder deuten dabei nur an, ohne plump ins Detail zu gehen.
Johannes Minuth spricht Goethes Verse stimmgewaltig, um in den mit Bedacht zelebrierten Kunstpausen für Nachdenklichkeit zu sorgen. Die Einspielung von Musik, Geräuschen, pyrotechnischen Effekten und die einfallsreiche Lichtregie komplettierten die temporeich vorangetriebene Illusion. Kurz: Die Ortenauer Puppenparade ist in Achern prächtig angekommen und viele Besucher freuen sich schon jetzt auf eine Neuauflage.