Suzanne von Borsody und Guntbert Warns leben im Multiversum
In seinem Stück »Konstellationen« lässt Nick Payne Situationen einer Beziehung durchspielen – immer mit unterschiedlichem Ausgang. So als befände sich das Paar in unterschiedlichen Welten. Das bescherte dem Publikum am Freitagabend in der Oberrheinhalle einen interessanten Theaterabend.
Wer ins Theater geht, möchte eine Geschichte auf der Bühne sehen – am liebsten von Anfang bis Ende. Gerne auch mit einem offenen Ende. Nick Payne bricht mit dieser Tradition: In »Konstellationen« zeigten am Freitagabend Marianne und Roland, gespielt von Suzanne von Borsody und Guntbert Warns verschiedene Möglichkeiten. Die Szenen wiederholten sich immer wieder aufs Neue.
Aber anders als im Theaterstück »Drei Mal Leben« von Yasmina Reza oder im Film »Lola rennt« beeinflusst das Verhalten der Protagonisten in der vorhergehenden Szene die Zukunft nicht. Das ist gewöhnungsbedürftig, weil Menschen meinen, sie könnten das Geschehen beeinflussen. Payne legt aber ein Multiversum an. Geschuldet ist das Marianne, einer Physikerin, die kosmische Strahlung misst und über den Urknall forscht. Und sie will die Wahl – das sagt sie gleich zu Anfang, als sie Roland auf einer Grillparty trifft.
Im Bühnenbild von Momme Röhrbein ist die Welt so etwas wie eine Scheibe. Die einzige Requisiten sind weiße Stühle. Im blitzenden Licht, das die einzelnen Bilder von einander trennt, werden sie verrückt und ins Spiel eingebunden – oder auch nicht.
Gleich zu Beginn deutet sich das Ende an. Die Wissenschaftlerin ist erkrankt, verliert ihre Sprache, will in eine Sterbeklinik reisen. Andererseits lernt sie gerade erst Roland kennen Die Zeit bewegt sich vorwärts und rückwärts zugleich.
Imker mit Machogehabe
Guntbert Warns darf in der Rolle von Roland Varianz zeigen: Er ist Imker und Selfmade-Mann, der durchstarten will, aber gemütlich. Mal gibt er den zugänglichen Typ, dann wieder ist er reserviert. Machogehabe an den Tag legen kann er auch. Doch egal, ob er damit auf eine verschlossene, taffe oder nette Marianne trifft, der Fortgang der Geschichte wird davon nicht beeinflusst: Sie erkrankt.
Bestimmen die Entscheidungen, die man trifft, die Zukunft? Lässt sich aus einer Gleichung irgendein Anzeichen von freiem Willen erkennen? Die beiden starken Schauspieler tragen das Stück mit ihrer Präsenz und ihrer Lust an den Möglichkeiten. Für die Zuschauer heißt es mit- und nachdenken. Dafür werden sie auch mit heiteren Einsprengseln belohnt, etwa dem Heiratsantrag von Roland, der über das Wesen seiner Honigbienen spricht, bevor er den Ring überreicht. Und sie? Dreht harsch ab, freut sich und küsst ihn, vertagt die Sache – alles ist drin.
»Es gibt keine lineare Erklärung«, sagt Marianne, als sich das Paar in mehreren Bildern einen Betrug gesteht. Mal war er fremdgegangen, mal sie – auch da gibt es eine Varianz in den vielen Welten, an die sich die Zuschauer erst einmal gewöhnen müssen.
Ein interessanter, neuartiger Theaterabend, der nach 80 Minuten vorbei war, und vom Publikum mit langanhaltendem Beifall bedacht wurde. Für alle, die das Happy End lieben, bleibt Hoffnung. Denn in einem ihrer Paralleluniversen sagt Marianne, ihr Gehirntumor sei Grad eins und »vollständig heilbar«.