Offenburg: Tim Otto Roth - Buchbesprechung

Tim Otto Roth und die Kulturgeschichte der Schattenbilder

Jutta Hagedorn
Lesezeit 4 Minuten
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23. Februar 2016

Tim Otto Roth zeigt in der aktuellen Ausstellung in der Städtischen Galerie Offenburg seine Schattenbilder heimischer Pflanzen. ©Ulrich Marx

Tim Otto Roth hat jetzt seine neue Ausstellung in der Städtischen Galerie Offenburg eröffnet: XX oder der »Mummelsee in der Pfanne«. Eine Schau, die das breite Spektrum seines Schaffens zwischen Kunst und Wissenschaft illustriert. Seine »Kulturgeschichte der Schattenbilder« gehört in diesen Kosmos.

Der Künstler Tim Otto Roth hat wie kaum ein anderer Wissenschaft und Kunst zu einem Ganzen gefügt, im Grunde sagt er sogar, dass Kunst und Wissenschaft zwei Seiten einer Medaille sind. Denkt man an ­seine Licht-Klang-Installation­ »Heaven’s Carousel« im vergangenen Jahr in Karlsruhe zum Stadtjubiläum, wird anschaulich, wie Roth das meint. Mathematik, Astrophysik, Biologie fließen bei ihm wie selbstverständlich in die Arbeiten ein, er sieht diese Verschmelzung als »ästhetische Herausforderung«, wie er im Gespräch mit der Mittelbadischen Presse im Juli sagt. Ihm gehe es »um die Sensibilisierung für Kunst im weitesten Sinne«.

Nun liegt also sein Buch »Körper. Projektion. Bild« vor, die er wohl zu Recht als eine »Kulturgeschichte der Schattenbilder« nennt. Es ist eine Thematik, mit der er sich bereits in seiner Promotion auseinandergesetzt hat. Schattenbilder«, schreibt Roth, »haben das moderne Verständnis von Bildlichkeit radikal verändert«. 
Die rund 500-seitige Diskussion muss man wohl als Standardwerk sehen, denn – so Roth in seiner Einleitung – hat es bislang an einer systematischen Einordnung der Schattenbilder gefehlt. Roths Bibliografie ist eine wahre Fundgrube. Der Text ist leicht verständlich, wobei man sich schon für die Thematik interessieren muss. Es ist eben eine durch und durch wissenschaftliche Arbeit auf einem ganz bestimmten Gebiet. 

Neues Sehverständnis

Roth beginnt buchstäblich am Anfang, bei den Höhlenmenschen, genauer bei Planton und dessen Höhlengleichnis in der Politeia. Unter anderem, um überhaupt erst mal zu erklären, was es mit Schattenbildern auf sich hat und was sie für unser Sehverständnis bedeuten. »So waren die mit den Röntgenstrahlen verbundenen Schattenbilder ein ›Schock‹, der zu einem Bruch mit bisherigen Seh- und Bildherstellungsmethoden zu Beginn des 20. Jahrhunderts brach.«

Damit stellt er auch gleich die Frage nach des Pudels Kern: Kann man flächige Projektionen von Gegenständen verstehen, wenn man das dreidimensionale Konzept der Welt nicht kennt? Roth kommt auf die paradoxe Erfahrung, dass nämlich der Schatten eines Objekts größer wird, je weiter es sich von der Projektionsfläche entfernt und je näher es zur Lichtquelle rückt. Daraus entstehe die nächste Frage: Was macht ein Bild aus und wann kann man von Bild sprechen. 

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Roth stellt »das Höhlengleichnis mittels einer anthropologischen Spekulation vom Kopf auf die Füße«. Seine Feststellung: Künstliche Lichtquellen – also nicht Sonnen oder Sternenlicht – an einer Höhlenwand gaben den Ausschlag dafür, dass sich der Mensch zu einem »Bilder verkennenden und machenden Wesen entwickelte«. Mensch nicht nur als homo pictor, sondern auch als homo projectans.

Seltenes Phänomen

Die ersten Schattenbilder schuf der Mensch am Lagefeuer. In den Wissenschaften hielten sie Einzug durch die Röntgenaufnahmen, in die Kunst drangen sie erst nach dem Ersten Weltkrieg vor. Inzwischen seien sie kein seltenes Phänomen mehr, allerdings beklagt Roth die fehlende Systematik bei der Erforschung.  
Er stellt »verfahrenstechnische Überlegungen« an, stellt klar, wann die räumliche Beschaffenheit des projizierten Gegenstandes wichtig ist; untersucht die wissenschaftlichen Verwendungen von Schattenbildern und kommt über die »Röntgenkinomatografie« zur Kunst mit den Fotografen Christian Schad, Man Ray und dem Bauhauskünstler Laszlo Moholy-Nagy sowie den Strömungen nach dem Zweiten Weltkrieg.

Er verfolge einen bild­theoretischen Ansatz, sagt Roth, setzt sich aber auch konkret mit Bilder durch deren eingehende Beschreibungen auseinander. 
Das Schöne an diesem mächtigen Buch ist, dass man auch als totaler Laie seine Lehren daraus ziehen, dass man kapitelweise unbeschadet einsteigen kann. Die vielen Bildbeispiele mit Erklärungen helfen bei der Orientierung und beim Verständnis. 

 

Info

Buch

Tim Otto Roth, Körper. Projektion. Bild. Eine Kulturgeschichte der Schattenbilder; Wilhelm Fink Verlag 2015, 39,95 Euro. Ausstellung: XX oder der »Mummelsee in der Pfanne«, Städtische Galerie Offenburg, 20. Februar bis 29. Mai 2016.

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