Kultur
Vertrauensbruch oder Neid?
Jutta Hagedorn
04. Februar 2006
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Der Dresdner Startrompeter Ludwig Güttler war ein integraler Bestandteil der Reihe »Konzerte in Gengenbacher Kirchen«. Im Herbst hat sich der Verein von ihm getrennt. Um die Gründe ranken sich viele Vermutungen. Wie es scheint, geht es um Missgunst, Konkurrenz, Vertrauensbruch und ums Geld.
Der Dresdner Startrompeter Ludwig Güttler war ein integraler Bestandteil der Reihe »Konzerte in Gengenbacher Kirchen«. Im Herbst hat sich der Verein von ihm getrennt. Um die Gründe ranken sich viele Vermutungen. Wie es scheint, geht es um Missgunst, Konkurrenz, Vertrauensbruch und ums Geld.
Von Jutta Hagedorn
Ortenau/Gengenbach. Seit 1979 war der inzwischen weltberühmte Musiker und Orchesterleiter Ludwig Güttler aus Dresden eng mit Gengenbach verbunden. Zunächst als unbekannter Musiker bei den Sommerkonzerten, ab 1997 bei den »Konzerten in Gengenbacher Kirchen«. Er saß als Künstlerischer Leiter im Kuratorium. Um so befremdlicher mutet die brüske Trennung vom Starmusiker an.
Über die Gründe streiten sich die Geister. Es ist zu vermuten, dass es schon lange rumort hat. Georges Aubert, 2002 bis 2004 Konzertbeauftragter des Vereins: »Es hat schon früher Angebote seitens Güttlers gegeben, sich zurückzuziehen.« Güttler habe gesagt, die Organisation sei mit dem katholischen Bezirkskantor Matthias Degott und ihm, Aubert, fachlich ausreichend besetzt. Güttler habe sich eher als »Feigenblatt« gesehen, »ein wichtiges allerdings«, ergänzt Aubert. Ansonsten schränkt er ein, die Fakten nicht genau zu kennen.
Im Juli 2005 trat Güttler zurück, doch hatten ihn der evangelische Pfarrer Jan Mathis und der katholische Pfarrer Udo Hildenbrand auf Intervention des Kuratoriumsvorsitzenden Wolfgang Schäuble zurückgeholt. »Es war wohl zu peinlich«, mutmaßt Konrad Wink, bis Februar 2005 Vorsitzender des Fördervereins »Konzerte in Gengenbacher Kirchen«. Im Dezember kam es zum Bruch, diesmal betrieben von der Gengenbacher Seite. Die Gründe sind vielschichtig.
Da ist seitens der Pfarrer in einer gemeinsamen Erklärung gegenüber dem Offenburger Tageblatt die Rede vom »Vertrauensbruch«. Die Konzertagentur Bubu-Concerts aus Solingen hatte der evangelischen Stadtkirche Offenburg ein Angebot über ein Güttler-Konzert gemacht. Zu Konditionen, die aus Gengenbacher Sicht weitaus günstiger waren als die mit Güttler selber. Bubu-Concerts mietet für 500 Euro den Kirchenraum an, das Management des Konzerts wird von der Agentur übernommen – in Gengenbach honorarfreie Arbeit der Konzertbeauftragten. Mathis und Hildenbrand werfen Güttler nun vor, ihnen von dieser Alternative nichts gesagt zu haben. Ferner habe Güttler die Frage noch nicht beantwortet, inwieweit er das Angebot an Offenburg initiierte.
Den Vertrauensbruch sehen die Pfarrer darin, dass Güttler als Kuratoriumsmitglied Einblick in die finanzielle Situation des Vereins hatte. Sie fragen sich zudem, ob Güttler die Agentur möglicherweise nie über seine enge Zusammenarbeit mit Gengenbach informiert hat.
Seitens der Konzertagentur heißt es auf Anfrage der Mittelbadischen Presse, wie das Angebot für Offenburg zustande kam: »Wir haben nicht mal gewusst, dass es Gengenbach gibt, geschweige denn, dass es so nah bei Offenburg liegt. Ansonsten hätten wir nie angefragt. Altkontakte gehen vor.« Anfragen an Kirchen erfolgten routinemäßig, erst danach werde der Künstler gefragt.
Vielleicht hätte Güttler den Pfarrern von den Angeboten Bubus berichten müssen. Güttler sagte in einem Interview mit dem Offenburger Tageblatt: »Für Gengenbacher Verhältnisse (kam) für mich dieses Modell nie in Frage.« Die Pfarrer: »Die Bemühungen, im Nachhinein auf die wirtschaftliche Unmöglichkeit einer solchen Offerte zu verweisen, laufen angesichts des konkreten Angebots ins Leere.«
Für Otto Trillinger, bis 2002 Konzertbeautragter, und Konrad Wink ist die Bubu-Angelegenheit ein vorgeschobenes Argument. Das Management durch Bubu, sagt Trillinger, sei ausschließlich für die Kirchen billiger gekommen, »für die Konzertbesucher nicht«. Bubu-Concerts bestätigt, dass die Kartenpreise auf mindestens 37 Euro gestiegen wären. Diese Preissteigerung bestätigt auch Güttler, weswegen er den Gengenbachern nichts vom Bubu-Modell gesagt habe. Denn die ehrenamtlichen Leistungen der Konzertbeauftragen – die Güttler mit rund 2500 Euro pro Konzert angibt – müssten durch die Agentur erbracht werden. Die Preiserhöhung durch den Einsstz der Agentur bestreiten die Pfarrer in einer Erklärung anhand einer Aufrechnung gegenüber der Mittelbadischen Presse. Außerdem seien die bisherigen günstigen Preise nicht zu halten gewesen.
Laut Aubert hätten die Güttler-Konzerte in der Vergangenheit große Gewinne gebracht, weil die Honorare moderat gewesen seien und der Zulauf enorm. »In den vergangenen Jahren wurden seine Konzerte aber zu einer Belastung.« Die Honorare seien jährlich gestiegen, das Publikum rückläufig. Weder korrekt noch fair, so Wink. Die Höhe des Honorars etwa sei abhängig gewesen vom auftretenden Güttler-Ensemble. Güttler liege am unteren Ende der Honorar-Skala der Starmusiker, weiß Wink.
Güttler selbst sagt: »Güttler war stets finanzierbar. Wenn es Probleme gab - ..., - habe ich von meinem Honorar nachgelassen«. Das bestätigt Trillinger für seine Zeit als Konzertbeauftragter. Güttler habe »keinen Pfennig Nachlass gegeben«, so Aubert, Trillingers Nachfolger.
»Jedes größere Konzert braucht Sponsoren«, sagt Wink. »Ich hätte die Ressourcen gehabt. Der Güttler-Sponsor hätte weiterbezahlt.« Er hätte sogar zusätzlich Spender besorgt, »und die Gelder hätten allen zur Verfügung gestanden«.
Güttler führt als einen der Gründe für seine Abkehr von Gengenbach eine E-Mail von Aubert an Mathias Degott an, in der es darum gegangen sei, wie man Güttlers »Aktivitäten in Gengenbach eingrenzen« könne. Aubert konnte dazu nichts sagen. Er habe aber alles unterlassen, was Güttler habe schaden können. Liegt hier vielleicht ein Knackpunkt? Konkurrenz zwischen Güttler und den Konzertbeauftragten?
»Güttler war im Kuratorium bestimmend. Er machte die meisten Vorschläge«, sagt Wink. Diese Dominanz könnte mit ausschlaggebend gewesen sein, meint er. »Das hat einigen nicht gepasst. Am Ende wurde er nicht mehr informiert.« Man habe Güttler vielleicht auch seinen Aufstieg nicht gegönnt. Als er kam, war er ein kleines Licht – jetzt ist er berühmt. »Degott ist durch und durch Künstler«, sagt Trillinger. Allerdings sei er zumindest in einer der letzten Vereinssitzungen nicht gut vorbereitet gewesen und habe von »leichten Defiziten« gesprochen. Dabei sei es unter anderem um sein »Elias«-Konzert gegangen. »Hier hat Güttler eingehakt. Degott habe sich nicht um Sponsoren gekümmert, und es hat ihn geärgert, dass Güttler auf die Wunde zeigte. Er wollte Güttler nicht mehr«, behauptet Trillinger.
Ein weiterer Grund für die Trennung könnte, so Trillinger, auch die Bestrebungen sein, eine neue Konzertreihe mit regionalen Künstlern »ohne hochrangige Sachen« zu gründen.
Was Trillinger stört, ist die anfängliche Geheimniskrämerei. Die Pfarrer sagen, sie haben keine schmutzige Wäsche waschen wollen. Beide, bestätigt Mathis, werden nichts mehr sagen. »Dem, was bereits veröffentlicht wurde, kann ich nichts mehr hinzufügen«, sagt auch Wolfgang Böser, zwischen Februar und Dezember 2005 Interimsvorsitzender. Konrad Wink sagt abschließend: »Ich bin zurückgetreten, weil ich Güttler nicht rausschmeißen wollte. Es ist ein vermintes Feld.«
Ein peinlicher Verlust
Wie so oft ist – vielleicht selbst für die diversen Beteiligten – nicht mehr klar nachvollziehbar, was nun der eigentliche Grund für die Trennung von Ludwig Güttler, dem künstlerischen Leiter der Reihe »Konzerte in Gengenbacher Kirchen«, war. Dinge schaukeln sich hoch, ein Wort gibt das andere – so ist jedenfalls zu vermuten. Ganz aufgelöst wird das Rätsel um die »Güttler-Affaire« wohl nie.
Letztendlich steht im Raum, dass es hinter den Kulissen schon eine Weile geknistert hat, dass man Sponsoren- und Spendergelder benötigte, nicht nur, um die Güttler-Konzerte zu finanzieren, dass man aber anscheinend ausschließlich für die Güttler-Konzerte zahlungskräftige Sponsoren fand. Für die beiden evangelischen und katholischen Pfarrer, Jan Mathis und Udo Hildenbrand, ging es um Vertrauensbruch, für Otto Trillinger, einem Freund Güttlers, und Konrad Wink, einem ehemaligen Vereinsvorsitzenden, ging es auch »um Konkurrenzkampf auf dem kulturellen Sektor« und um »Missgunst«.
Wie dem auch sei: Der Weggang von Güttler, der über fast 20 Jahre hin hervorragende kulturelle Arbeit in Gengenbach geleistet hat, der zu den renommiertesten Musikern der Welt zählt, ist ein Verlust. Nicht nur für Gengenbach. Trotz aller Debatten um Finanzen und Honorare – Güttler hat der Konzertreihe einen Glanz gegeben, den sie wohl kaum wieder bekommen wird.
Die Trennung ist auch peinlich, denn hier geht es nicht um irgendwen. Güttler ist es mit zu verdanken, dass die Frauenkirche in Dresden wieder aufgebaut wurde. In einem Interview kurz vor seinem letzten Gengenbach-Konzert im Oktober sagte er gegenüber der Mittelbadischen Presse, man dürfe nicht fragen, was für einen selber bei einer Sache herausspringt, sondern was für die Allgemeinheit gut ist. Darüber gilt es nachzudenken.
Konzerte in Gengenbacher Kirchen
Die evangelische sowie die katholische Kirchengemeinden Gengenbach veranstalten seit vielen Jahren Kirchenkonzerte. Seit 1997 bestehen die »Konzerte in Gengenbacher Kirchen« als ökumenische Reihe. Jede Gemeinde stellt einen Konzertbeauftragten für die Organisation. Dazu zählen zunächst Otto Trillinger, 2002 bis 2004 Georges Aubert, seitdem Christian Daxer für die evangelische Kirchengemeinde, und Matthias Degott für die katholische.
Ein Förderverein sorgt für die Finanzierung, ein Kuratorium mit Innenminister Wolfgang Schäuble an der Spitze kontrolliert das Ganze. Zum Gremium zählen kraft ihrer Ämter die Pfarrer Udo Hildenbrand und Jan Mathis, bis 2003 Wolfgang Schmidt, sowie der künstlerische Leiter Ludwig Güttler, der jetzt ausgeschieden ist. Der Förderverein »Konzerte in Gengenbacher Kirchen« hat derzeit 115 Mitglieder. Er trägt sich aus Mitgliedsbeiträgen, Konzerterlösen und Spenden. Defizite werden von den Kirchen übernommen oder von Spenden/Sponsoren gedeckt.
Seit Dezember 2005 ist Ditmar Gasse Vorsitzender des Vereines, seine Stellvertreterinnen sind Angela Gengenbacher und Ines Kienlechner. Konrad Wink war bis Februar 2005 Vorsitzender, sein Stellvertreter Wolfgang Böser übernahm das Amt bis zur Neuwahl im Dezember. red