Lichtblitze von den Türmchen des Oppenauer "Schlössle"
Es blinkt, es tickt und zischt: Die ersten Besucher des Oppenauer „Schlössles“ erlebten eine geheimnisvolle Symphonie aus Klang und Licht. Im imposanten Bau des ehemaligen Postgebäudes kann Konzeptkünstler und Komponist Tim Otto Roth nun seiner Kreativität freien Lauf lassen.
Als der Unternehmer und Oppenauer Ehrenbürger Günter Bimmerle das Anwesen in der Poststraße 5 vor einigen Jahren kaufte, wurde viel darüber spekuliert, was er wohl mit dem Gebäude vorhabe. Zum 1. August hat Tim Otto Roth die Räume im ersten Obergeschoss bezogen. Mit einer Lichtinstallation feierte er Anfang Oktober seinen Einzug ins neue Domizil. Der in Oppenau geborene und mittlerweile international tätige Künstler bezeichnet die Vergrößerung seines Ateliers gerade in Oppenau als „bewusstes Statement zum Renchtal und der Ortenau und deren Ressourcen“.
Aktuell sind im neuen Studio einige Arbeiten des Konzeptkünstlers zu sehen und zu hören. Vor allem in den Abendstunden werden die beiden markanten Türmchen des Gebäudes in Lichtskulpturen verwandelt. Lichtblitze verweisen darauf, dass eine kleine Messstation im Gebäude aufgebaut ist. Hier erkundet der Künstler gemeinsam mit Wissenschaftlern vom Karlsruher Institut für Technologie ein Phänomen, das uns täglich umgibt, aber für uns nicht wahrnehmbar ist.
Kosmisches Theater
„Ich möchte den Menschen das erfahrbar machen, was normalerweise nicht zu sehen ist“, betont Roth, „aus dem All gelangen hochenergetische Atomkerne, die sogenannte kosmische Strahlung, in die Erdatmosphäre, die komplexe Reaktionen auslösen“. Wird ein solches Teilchen im Schlösschen gemessen, dann leuchtet das Türmchen, das der Strahlung am nächsten ist, auf. Damit soll dem Betrachter bewusst werden, das er „Teil eines kosmischen Theaters“ ist, das ihn unsichtbar umgibt.
Tim Otto Roth ist nicht nur ein rastloser Grenzgänger zwischen Kunst und Wissenschaft, sondern auch oft unterwegs. Wenn er nicht gerade im Schwarzwaldstädtchen Oppenau ist, dann ist er in Metropolen wie Rom oder Washington mit einem seiner Licht- und Klangkunstwerken beschäftigt. Derzeit verbringt er unter anderem seine Zeit am Aachner Ludwig Forum für Internationale Kunst. Nach Stationen in Berlin und München ist dort seine beeindruckende skulpturale Installation mit dem Titel „[aiskju:b]“ noch bis zum 11. November zu sehen.
Der Würfel mit acht Metern Kantenlänge ermöglicht einen sinnlichen Zugang zu einem der spannendsten Bereiche der Astronomie. Bis zu 100 Mal pro Sekunde werden hier 444 Lautsprecher angesteuert. Klänge und Farben vermitteln, wie imaginäre Neutrinos durch die Installation laufen. Tonhöhe und Farbe hängen von der Energie der Teilchen ab.
Neutrinos in Echtzeit
Das begehbare Kunstwerk macht echte Messdaten vom IceCube Neutrino Observatorium in den Tiefen des ewigen Eises der Antarktis, die Aachener Physiker aufbereitet haben, erlebbar – zum Teil nahezu in Echtzeit. Die unsichtbaren Neutrinos durchdringen unseren Körper und durchqueren problemlos die ganze Erde. Sie kommen unter anderem von explodierten Sternen und aus der Umgebung schwarzer Löcher. Die Kunstinstallation vermittelt damit das faszinierende Gefühl, dem Ursprung des Universums auf die Schliche zu kommen.
Recht irdisch, doch nicht minder spektakulär, ist Roths erste Teppichkollektion aus Indien, die im neuen Studio bewundert werden kann. Entstanden sind sie im Rahmen eines Projekts in Kooperation mit dem indischen Teppichfabrikanten Bholanath Baranwal. Roth hat mit Hilfe mathematischer Prinzipien völlig neue Wege beschritten, um komplexe Muster zu kreieren. Mit einer einfachen Regel entstehen diese erst während des Knüpfens – Einfachkeit erzeugt Komplexität.