Literaturübersetzer brauchen Gefühl und viel Geduld
Die Preisträger des Europäischen Übersetzerpreises Offenburg stellten sich am Samstag, dem Vorabend der Verleihung, im Salmen mit Lesungen vor. Michael Walter und Thomas Mohr gaben zudem interessante Einblicke in ihre Arbeit.
Der Vorabend zur Verleihung des Europäischen Übersetzerpreises Offenburg 2018 war so etwas wie der Himmel für die Literaturinteressierten. Nicht nur die Präsentation von Auszügen der übersetzten Werke brachten die Preisträger Michael Walter und Thomas Mohr mit, sie gaben auch tiefe Einblicke in das Wesen der Übersetzungsarbeit. Sie vermittelten Eindrücke von der Kunst, den richtigen Ton des Autors zu treffen, »der nicht mit dem eigenen Ton verwechselt werden darf.«
»Aus dem Amerikanischen, Englischen von…«: Nur eine Zeile weist auf dem Buchumschlag auf den Übersetzer hin. Wie stark der Einfluss einer Übersetzung auf die literarische Qualität ist, darüber zu spekulieren ist unnötig. Wie die beiden Preisträger arbeiten, konnte im Podiumsgespräch vom Juror und Laudator Heinrich Detering herausgearbeitet werden. Michael Walter, Übersetzer des »Tristram Shandy Gentleman« von Laurence Sterne, ein Roman aus dem 18. Jahrhundert, gab anschaulich Auskunft. »Ich habe drei Jahrzehnte mit dem ›Tristram‹ gelebt«, bekannte er. Es sei nicht so sehr das Sortieren und Sammeln von Begrifflichkeiten.Man müsse auf den Autoren blicken, ihm nahekommen, das Gefühl entwickeln, aus dem er geschrieben habe. Das mache allerdings auch etwas mit einem, »weil man sich verändert«, berichtete Walter.
Den Tonfall treffen
Der Anglist las aus Briefen von Laurence Sterne. Einer der berühmtesten ist Sternes respektvolles und mitleidendes Schreiben an den Sklaven Sancho: »So dient es den Bedrängten, wirft Schatten auf die Welt, in der ein so großer Teil in Ketten lebt«. Auch Wortwendungen, wie »welchen Scheuerwisch der Seele haben Sie aus mir gemacht«, zeigten, wie traumhaft sicher der Übersetzer Walter den Tonfall und die Melodik seines Autors getroffen hat.
Es brauche unendliche Geduld, erzählte Förderpreisträger Thomas Mohr. »Für einen halben Satz können das Stunden sein«. Der Übersetzer von aktueller amerikanischer Literatur las aus A. J. Jacobs »Britannica und ich«. Die berühmte Enzyklopädie umfasse 44 Millionen Wörter, merkte Mohr mit Humor an. Nicht alle diese Worte zu kennen, ist nötig, nein, denn im Untertitel des Übersetzerpreises steht eben auch: »Wort für Wort ist längst kein Satz«.
Auslegungssache
Die Offenburger Kulturchefin Carmen Lötsch bemüßigte in ihrer Begrüßung zum Vergnügen der Zuhörer die »Kommunikationssysteme der Säugtiere«. »Wir Menschen sprechen oft die gleiche Sprache«, so Lötsch. Aber was gemeint sei, werde manchmal nicht verstanden, spielte sie auf die Auslegung von Deutsch in unterschiedlichen kulturellen Lebensräumen an. Englisch allerdings sei »die globale Lingua franca« (Verkehrssprache), betonte Lötsch.
Malena Kimmig, die Leiterin der Stadtbücherei, verwies darauf, dass der Europäische Übersetzerpreis zum ersten Mal innerhalb der Offenburger Literaturreihe »Wortspiel« vergeben wurde. Er wurde von einem großen Rahmenprogramm begleitet.
Eine gelungene Überraschung war der Vortrag der Querflöten-Solistin Sabine Hübner. Sie ist die Ehefrau von Michael Walter.