WKV-Schau zu Horst Brandstätter

Lust an der Provokation

Adrienne Braun
Lesezeit 4 Minuten
Jetzt Artikel teilen:
06. August 2020
Der Württembergische Kunstverein erinnert an Horst Brandstätter.

Der Württembergische Kunstverein erinnert an Horst Brandstätter. ©Foto: Michael Leonhardt

Mit dem Zensurstreit hat Horst Brandstätter Wellen geschlagen. Nun erinnert eine Ausstellung im WKV an den streitbaren Stuttgarter – enttäuscht aber auch.

StuttgartManfred Rommel sprach ein Machtwort. Eigentlich hätte in dem Katalog der Städtischen Galerie auch ein Text von Horst Brandstätter erscheinen sollen. Darauf wolle man nun „ganz verzichten“, beschied seinerzeit der Oberbürgermeister Rommel. Also veröffentlichte Horst Brandstätter selbst eine Broschüre, in der denn auch Sätze standen wie „Noch Lothar der Smarte profitiert von Eberhard mit dem Barte“ – in Anspielung auf Lothar Späth. Die Presse wurde zur Buchvorstellung geladen mit der Versprechung: „Wir garantieren, es darf gelacht werden“. Der Streit um Zensur und Meinungsfreiheit schlug damals hohe Wellen in der Stadt.

Horst Brandstätter hat angeeckt und provoziert – und das gern. Er war ein kritischer und politischer Kopf und hat immer wieder für Debatten gesorgt, die der Stadt letztlich guttaten. Eigentlich war er Buchhändler und Antiquar, aber Brandstätter tummelte sich auf vielen Feldern, schrieb für das Feuilleton der Stuttgarter Nachrichten, veröffentlichte Bücher und drehte Fernsehfilme. Eine Weile hat er auch als Dramaturg für den Schauspielintendanten Claus Peymann gearbeitet.

Ein Intellektueller war er nicht, aber ein Querdenker

Im Württembergischen Kunstverein Stuttgart erinnert die Ausstellung „Und die Frage der (Un)Freiheit“ nun an den streitbaren Mann, der 1950 in Stuttgart geboren wurde, den Wehrdienst verweigerte mit Hilfe des späteren RAF-Anwalts Klaus Croissant. Er war kein Intellektueller im klassischen Sinne und hatte nicht studiert – und war doch ein passionierter Querdenker.

In der Ausstellung kann man sein Fernseh-Feature „Winnental – Eine deutsche Heilanstalt“ aus dem Jahr 1988 sehen. Brandstätter interessierte die deutsche Psychiatrie-Geschichte, weshalb er die Heilanstalt in Winnenden exemplarisch für seine Arbeit herausgriff. In seiner persönlich gefärbten Dokumentation arbeitete er die Euthanasiemorde in Grafeneck auf, zeigte aber auch die Zustände in der Anstalt selbst.

Sein Film solle „keine Anklage gegen die Psychiatrie schlechthin sein“, heißt es in dem Film, der doch aufrütteln wollte. Dass es in der Heilanstalt hinten und vorne an Personal fehle, sei „eine Anklage an uns alle“. Mehr noch: Brandstätter appellierte an die Zuschauer, sich „im Patienten wiederzuerkennen“.

- Anzeige -

Als „starrsinnigen Widerspenstigen“ bezeichnete ihn der Künstler Johannes Grützke, mit dem Brandstätter viel zusammengearbeitet hat und dessen Werke er auch in seiner Kunstgalerie ausstellte, die er 1993 in Öhningen eröffnete.

Auch für die Literatur hat Brandstätter gekämpft. So konnte er die Porsche AG überzeugen, dass sie die rekonstruierte Bibliothek von Franz Kafka kauft und der Kafka-Gesellschaft in Prag schenkt. Dann wieder hat er eine Komödie geschrieben über den Heilbronner Arzt Robert Mayer, der den Ersten Hauptsatz der Thermodynamik formulierte. Die Württembergische Landesbühne führte es 1987 sogar auf.

Die Ausstellung selbst hat ihre Schwächen

So spannend es ist, an diesen Stuttgarter zu erinnern, so wenig überzeugt die Ausstellung im Württembergischen Kunstverein. Die Kuratorin Natalie Reinsch hat zwar mit Unterstützung der Familie Brandstätter und dem Autor und Kabarettisten Peter Grohmann viele interessante Aspekte zusammengetragen und in einer Publikation veröffentlicht, in der Ausstellung selbst aber gelingt es nicht, die Figur Brandstätter plastisch werden zu lassen.

Statt das Publikum zu leiten, werden summarisch einzelne Themen unvermittelt angerissen und eher Fragen aufgeworfen als beantworten. So erfährt man zwar, dass Brandstätter im Privaten schwierig gewesen sei, muss sich aber seinen eigenen Reim auf einen wahrlich gewichtigen Hinweis der Familie machen: Ihnen allen wäre „einiges erspart geblieben“, wenn Brandstätter sich früher „seiner Geschichte gestellt“ hätte.

Ausstellung bis 30. August, geöffnet Dienstag bis Sonntag 11 bis 18 Uhr, Mittwoch bis 20 Uhr

Weitere Artikel aus der Kategorie: Kultur

Vida Mikneviciuté (von links), Klaus Florian Vogt und Kwangchul Youn beeindruckten bei der Wagner-Gala. Am Dirigentenpult Kirill Petrenko.
vor 1 Stunde
Osterfestspiele Baden-Baden
Kirill Petrenko und die Berliner Philharmoniker räumten bei ihrer Gala bei den Osterfestspielen mit Vorurteilen gegen die Musik von Richard Wagner auf.
José F. A. Oliver
27.03.2024
Kulturkolumne
Einst las ich den Satz, die Zeit sei eine blinde Führerin. Übersetzt hieß das für mich nichts anderes, als dass wir diejenigen sein sollten, die diese an die Hand nehmen müssten. In einer Welt, die groß ist und klein zugleich: Die Welt ist groß. Die Welt ist klein ...
Berühmten Kollegen setzte Anna Haifisch ein Denkmal. So zeigt sie in einer Zeichnung den Karikaturisten Saul Steinberg (1914–1999) beim Kampf gegen eine Schaffenskrise.
26.03.2024
Ausstellung in Straßburg
Noch bis zum 7. April sind im Straßburger Musée Tomi Ungerer Werke der deutschen Zeichnerin Anna Haifisch zu sehen. Sie stellt Menschen gerne oft als Tiere dar und karikiert Kollegen.
Gäste im "Grand Hotel Grimm" mit unlauteren Absichten: ein Zwerg mit langem Bart, ein unscheinbarer Handlungsreisender und eine elegante junge Dame mit dem Namen Rotkäppchen.
26.03.2024
Puppenparade Ortenau
Die „Berliner Stadtmusikanten“ des Theaters Zitadelle sind in die Jahre gekommen. Mit „Grand Hotel Grimm“ boten sie bei der Puppenparade in Lahr dennoch eine erfrischende Vorstellung.
Im Mittelpunkt der Tragödie: die Schwestern Chrysothemis (Elza van den Heever, links) und Elektra ­(Nina Stemme).
26.03.2024
Festspielhaus Baden-Baden
Das archaische Thema der Oper „Elektra“ ließ das Publikum bei der Eröffnung der Osterfestspiele Baden-Baden frösteln. Umjubelt wurden Sängerin Nina Stemme und Dirigent Kirill Petrenko.
Dietrich Mack. 
26.03.2024
Kulturkolumne
„Hoffnungsglück“ hat Goethe die Aufbruchstimmung genannt, die der Frühling verbreitet..Dieses Gefühl genießt auch der Kolumnist, der verrät, warum für ihn Bach nicht nur der fünfte, sondern auch der beste Evangelist ist.
Sechshändig am Klavier: die Schwestern Alisa und Lia Benner aus Lahr und Ennco Sinner aus Kippenheim.
19.03.2024
"Jugend musiziert"
Eine Auswahl der Besten beim Landeswettbewerb in Offenburg stellte sich in der Offenburger Reithalle vor, oft begleitet von Vater, Mutter oder Geschwistern.
Harte Szene im Gemüsekrimi: Dietmar Bertram hobelt eine Gurke, um sie zum Reden zu bringen.
17.03.2024
Lahr
Ein Detektiv spielt mit Essen: Dietmar Bertram präsentierte „Hollyfood – Die Gemüsekrimis“ bei der Puppenparade Ortenau im Lahrer Schlachthof.
Am Abgrund: In "A long way down" wird über ein ernstes Thema gealbert. 
17.03.2024
Offenburg
Mit britischem Humor thematisiert die Tragikomödie „A long way down“ die Selbstmordgedanken gescheiterter Existenzen. Für die Aufführung in der Oberrheinhalle gab es viel Beifall.
Von Gier befeuert: Carsten Klemm (rechts) als Kunstfälscher Fritz Knobel und Luc Feit (links) als Skandalreporter Hermann Willié. 
17.03.2024
Lahr
Den Skandal um die angeblichen Hitlertagebücher des Kunstfälschers Kujau brachte die Landesbühne Esslingen mit „Schtonck“ auf die Bühne.
Arbeiten aus mehr als drei Jahrzehnten zeigt Karl Vollmer im Artforum.
17.03.2024
Offenburg
Karl Vollmer reflektiert das Zeitgeschehen und bezieht Position. Zwei Werke seiner Ausstellung „Wider Erwarten – Ortung“ beim Kunstverein Ortenau hat er Alexej Nawalny gewidmet.
Das Trio Van Beethoven erhielt frenetischen Schlussbeifall.
13.03.2024
Achern
Das Trio Van Beethoven eroberte am Sonntag mit Werken von drei weitgehend unbekannten Komponisten das Publikum in der Alten Kirche Fautenbach.

Das könnte Sie auch interessieren

- Anzeige -
  • HYDRO liefert etwa Dreibockheber für die Flugzeugwartung. 
    26.03.2024
    HYDRO Systems KG und Rhinestahl fustionieren
    HYDRO Systems KG und Rhinestahl schließen sich zusammen. Mit diesem Schritt befinden sich die Kompetenzen in den Bereichen Ground Support Equipment (GSE) und Aircraft- & Engine Tooling unter einem Dach.
  • Alle Beauty-Dienstleistungen bietet die Kosmetik Lounge in Offenburg unter einem Dach.
    26.03.2024
    Kosmetik Lounge Offenburg: Da steckt alles unter einem Dach
    Mit einer pfiffigen Geschäftsidee lässt Elena Plett in Offenburg aufhorchen. Die staatlich geprüfte Kosmetikerin denkt "outside the box" und hat in ihrer Kosmetik Lounge ein außergewöhnliches Geschäftsmodell gestartet.
  • Konfetti, Flitter und Feuerwerk beschließen die große Preisverleihung im Forum-Kino in Offenburg. Die SHORTS feiern 2024 ihr 25. Jubiläum. 
    26.03.2024
    25 Jahre SHORTS – 25 Jahre Bühne für künftige Filmemacher
    Vom kleinen Screening in 25 Jahren zum gewachsenen Filmfestival: Die SHORTS der Hochschule Offenburg feiern Jubiläum. Von 9. bis 12. April dreht sich im Forum-Kino Offenburg alles um die Werke junger Filmemacher. Am 13. April wird das Jubiläum im "Kesselhaus" gefeiert.
  • Das LIBERTY-Team startet am Mittwoch, 27. März, in die Afterwork-Party-Saison. 2024 finden die Veranstaltungen in Kooperation mit reiff medien statt. 
    22.03.2024
    Businessaustausch jetzt in Kooperation mit reiff medien
    Das Offenburger LIBERTY startet mit Power in die Eventsaison: Am Mittwoch, 27. März, steigt die erste XXL-Afterwork-Party mit einem neuen Kooperationspartner. Das LIBERTY lädt zusammen mit reiff medien zum zwanglosen Feierabend-Businessaustausch ein.