Kultur

Maria Callas zum 100. Geburtstag

Dietrich Mack
Lesezeit 4 Minuten
Jetzt Artikel teilen:
30. November 2023
Dietrich Mack.

Dietrich Mack. ©privat

Woran soll man sich in unsicheren Zeiten halten, wenn nicht an seinen Vorurteilen? Zwischen Menschen können sie problematisch, ja zerstörerisch sein, ob in der Ehe oder zwischen ganzen Völkern. Festhalten oder Loslassen – das ist hier die Frage. Auch in der Kunst.

Liebhaber und Kenner feiner Kammermusik verachten oft Opern. Zu viel Spektakel. Auch die große und großartige Dichterin Ingeborg Bachmann, die vor 50 Jahren in Rom starb, hatte viele Vorurteile. Doch „im Jänner 1956“, schreibt die Österreicherin, „während der Generalprobe für „La Traviata“… ist meine Einstellung gegenüber der Oper überhaupt – ich fürchte, sie reichte von der Herablassung bis zur Gleichgültigkeit – ins Wanken gekommen, ist dann umgeschlagen in ein besessenes Interesse für diese Kunstform, in einen anhaltenden Eifer, sie neu zu sehen und endlich zu begreifen.“

Dieses Erweckungserlebnis hatte Ingeborg Bachmann durch Maria Callas, die in der „Scala“ Violetta sang, die Hauptrolle in „Traviata“ von Verdi. Bachmanns kurzer Text „Hommage à Maria Callas“ ist immer noch die tiefste Huldigung, die man sich zum 100. Geburtstag von Maria Callas am 2. Dezember denken kann.  

„Einfach Pech gehabt“

Maria Callas war in allem Glanz und Leid ein Superstar, wie nur noch der italienische Tenor Enrico Caruso, dessen 150. Geburtstag im Februar war. Auch Marilyn Monroe, Romy Schneider und Ingeborg Bachmann gehören zu diesen besonderen Künstlerinnen, die von Mythen umrankt sind. Sie hielten das Leben nur mit Barbituraten und Morphium aus, starben früh, alle unter fünfzig.

Maria Callas wurde zwar 53, aber sie war tot, bevor sie am 16. September 1977 einsam in Paris starb. „Es gibt Leute, die zum Glücklichsein geboren werden, und andere, die zum Unglücklichsein bestimmt sind. Ich habe einfach Pech gehabt“.

Pech in einem bürgerlichen Sinn hatte Maria Callas nicht. Zwar hatte sie eine unglückliche Kindheit in New York, aber schon mit neunzehn Jahren, 1942, mitten im Zweiten Weltkrieg, sang sie ihre erste „Tosca“ in Athen, wurde schnell weltberühmt, arbeitete mit den berühmtesten Dirigenten und Regisseuren zusammen, forderte und erhielt riesige Gagen, führte an der Seite des griechischen Milliardärs Aristoteles Onassis ein glamouröses Leben, stieg zur Primadonna assoluta ihres Jahrhunderts auf.

Ihr Repertoire war riesig. Sie sang Wagner (Isolde, Kundry, Sieglinde), vor allem aber Verdi und Puccini und immer wieder die Belcanto-Opern von Bellini, Donizetti und Rossini. Sie erregte ihr Publikum bis zum Fanatismus, versetzte es in ein Delirium mit der Wahnsinnsarie aus Donizettis Oper „Lucia di Lammermoor“. Ihre Stimme war enorm wandelbar, biegsam, dramatisch, drei Oktaven ohne Schwierigkeiten, manchmal darüber hinaus. 

Die Töne „wie Perlen von einer zerrissenen Kette gefallen, über Treppenstufen kullerten, bis sie schließlich irgendwo liegenblieben“(Bachmann). Selbst auf den vielen Tonträgern, live oder im Studio aufgenommen, hört man, dass sie nicht Violetta, Tosca, Norma, Medea, Aida sang, sondern es war, nicht immer korrekt, aber immer wahrhaftig.

Ingeborg Bachmann, seelenverwandt, rühmte sie so: „Sie ist die einzige Kreatur, die je eine Opernbühne betreten hat. Sie wird nie vergessen machen,  dass es Ich und Du gibt, dass es Schmerz gibt, Freude, sie ist groß im Hass, in der Liebe, in der Zartheit, in der Brutalität, sie ist groß in jedem Ausdruck… Sie hat nicht Rollen gesungen, niemals, sondern auf der Rasierklinge gelebt…Sie ist die einzige Person, die rechtmäßig die Bühne in diesen Jahrzehnten betreten hat, um den Zuhörer unten erfrieren, leiden, zittern zu machen… sie war immer ein Mensch, immer die Ärmste, die Heimgesuchteste, die Traviata… die Tränen, die ich geweint habe – ich brauche mich ihrer nicht zu schämen.“

Verschlossene Auster

Es gibt viele Geschichten, Filme, Bücher über Maria Callas (und ihre zwei Pudel); eine Briefmarke und eine Rose sind ihr gewidmet. Wir können die Aufnahmen mit ihr hören und ahnen, dass sie immer um ihr Leben sang. Im Innersten aber war sie eine verschlossene Auster.

Weitere Artikel aus der Kategorie: Kultur

Die Messe für zeitgenössische Kunst und Design in Straßburg ist ein Muss für alle Kunstliebhaber und Sammler.
02.12.2024
Kultur
Mehr als 50 Galerien waren am Wochenende auf der Straßburger Kunstmesse ST-ART vertreten. Hier erleben Besucher neue künstlerische Ausdrucksformen und aufregende Entdeckungen.
Isolde Wawrin (von links), Ilse Teipelke und Eva Schaeuble haben in der Auseinandersetzung mit der Keramiktradition eigene Impulse gesetzt.
29.11.2024
Ausstellung
Isolde Wawrin, Ilse Teipelke und Eva Schaeuble zeigen Keramikarbeiten, die zu einem großen Teil in der inzwischen geschlossenen Karlsruher Keramikmanufaktur Majolika entstanden sind.
Mit seinen Spitzen bringt Michael Feindler das Publikum auch zum Lachen.
28.11.2024
Lahr
Michael Feindler analysiert in seinem politischen Kabarett-Programm „Durchbruch“ bitterböse und mit messerscharfer Logik.
Steve (Joseph Reichelt) geht vor Kate (Neda Rahmanian) auf die Knie.
28.11.2024
Kehl
In der romantischen Komödie „How to Date a Feminist“ von Samantha Ellis stellten die Hamburger Kammerspiele das Geschlechter-Klischee mit Humor auf den Prüfstand.
Tara Erraught sang die anspruchsvolle Partie der Iphigenie bei den Herbstfestspielen in Baden-Baden.
27.11.2024
Herbstfestspiele Baden-Baden
Beim Finale boten die Herbstfestspiele in Baden-Baden glänzende Aufführungen von „Iphigenie auf Tauris“ und „Orfeo ed Euridice“ von Gluck, dazu Mozarts „Requiem“.
In ihren Liedern thematisiert Hannah Mawi das Lebensgefühl ihrer Generation
27.11.2024
Lahr
Die Lahrer Sängerin Hannah Wilhelm, die sich inzwischen Hannah Mawi nennt, zeigte beim Konzert in der Heimat, dass sie sich von der Interpretin zur Profimusikerin weiterentwickelt hat.
Wolfgang Muthspiel setzte bei seinem Gastspiel im Rahmen des Festivals  „Jazzdor“ auf formale Strenge.
27.11.2024
Lahr
Die Atmosphäre beim Konzert des österreichischen Gitarristen Wolfgang Muthspiel in der Lahrer "Jamm Bar" litt unter dem akademisch angelegten Ansatz des musikalischen Vortrags.
23.11.2024
Kultur
Der Offenburger Künstler Stefan Strumbel präsentierte anlässlich seiner ersten Einzelausstellung in New York eine Videoinstallation. Die Arbeit wurde auf einem Display am Times Square gezeigt.
Dietrich Mack
21.11.2024
Kulturkolumne
31 Jahre beschäftigte sich Richard Wagner mit dem "Ring des Nibelungen", 18 Jahre arbeitete Karl-Heinz Stockhausen an seinem Opernzyklus „Licht“. Zwei Besessene, wenn es um ihre Musik ging.
Der Chor und das Kammermusikensemble wurden mit viel Applaus belohnt. 
21.11.2024
Kehl
Die Bezirkskantorei Kehl und das Kammerensemble Kehl-Strasbourg führten den „Messias“ von Georg Friedrich Händel in der englischen Originalsprache auf.
Musikalische Entdeckungsreise voller Charme und Poesie: Tubaspieler Michel Godard mit Anne Paceo am Schlagzeug.
19.11.2024
Offenburg
Zum Abschluss der diesjährigen Jazzpassage setzte das „Tuba-Trio“ von Michel Godard ein Glanzlicht, während die Formation „Root 70“ keine neuen Impulse geben konnte.
Hoffnungsvoller Nachwuchs der Karlsruher Kunstakademie: Hojeong Lee (von links), Janika Kungl und Julla Kroner präsentieren sich in Offenburg. 
15.11.2024
Offenburg
Der Förderkreis Kunst und Kultur in Offenburg hat drei Absolventinnen der Kunstakademie Karlsruhe ausgezeichnet. Ihre Ausstellung im Artforum wird am Sonntag eröffnet.

Das könnte Sie auch interessieren

- Anzeige -
  • Ortsbegehung auf dem Areal des Windparks auf der Hummelsebene: Mit dabei waren unter anderem Lukas Schuwald, Ökostromgruppe Freiburg, Andreas König, Bürgermeister Durbach, Viktor Lorenz, Bürgermeister Appenweier, Dr. Rainer Bender, Dr. Meinrad Heinrich, BUND, Meinrad Baumann, Bürgermeister Bad Peterstal-Griesbach, Herbert Birk (AR Mitglied), Hans-Jürgen Kiefer (ehemals AR-Mitglied) Andrea Ruch-Erdle, Firma Ruch.
    30.11.2024
    Jetzt in Windenergie auf der Hummelsebene investieren
    In der Region für die Region – noch dazu gewinnbringend – in Ökostrom investieren, das können alle Menschen ab sofort mit Einlagen von 1000 bis 25.000 Euro. Wer sich am Bürgerprojekt beteiligt, erhält eine dauerhafte Verzinsung von bis zu 5,5 Prozent pro Jahr.
  • Adventsbummel im Rée Carré: Für die Besucherinnen und Besucher gibt es Aktionen, Unterhaltung und Leckereien.
    29.11.2024
    Aktionen & Angebote: Die weihnachtliche Vorfreude steigt
    In der Adventszeit wird das Rée Carré zu einem festlichen Treff der Generationen. Das Quartier leuchtet im Schein der Lichter und verzaubert mit weihnachtlichen Aromen. Begleitet von besonderen Aktionen laden die Händler dazu ein, die stimmungsvolle Zeit zu genießen.
  • Die Arbeit bei der Diakonie Kork ist so vielfältig wie das Leben selbst. In den Wohnheimen wird auch gemeinsam gekocht und gebacken.⇒Foto: Diakonie Kork
    27.11.2024
    Hohe Mitarbeiterzufriedenheit in der Diakonie Kork
    Die Arbeit mit dem Menschen erfordert viel Professionalität und Flexibilität. Dennoch ist die Mitarbeiterzufriedenheit bei der Diakonie Kork überdurchschnittlich hoch. Die Teamkoordinatorin Bettina Meier erläutert, woran das liegt.
  • Uwe Kleinert lebt seit 41 Jahren im Wohnverbund der Diakonie Kork. Am Esstisch der Willstätter Wohngemeinschaft sitzt er selten alleine. ⇒Foto: Silke Keil
    26.11.2024
    Wohngemeinschaften der Diakonie Kork bieten Familienleben
    Die Diakonie Kork ermöglicht es Menschen mit Beeinträchtigung und Epilepsie, fern des Stammgeländes mitten in den Ortschaften zu wohnen. Uwe Kleinert ist einer von ihnen. Er ist in einer Wohngemeinschaft in Willstätt heimisch geworden.