Maria Callas zum 100. Geburtstag
Liebhaber und Kenner feiner Kammermusik verachten oft Opern. Zu viel Spektakel. Auch die große und großartige Dichterin Ingeborg Bachmann, die vor 50 Jahren in Rom starb, hatte viele Vorurteile. Doch „im Jänner 1956“, schreibt die Österreicherin, „während der Generalprobe für „La Traviata“… ist meine Einstellung gegenüber der Oper überhaupt – ich fürchte, sie reichte von der Herablassung bis zur Gleichgültigkeit – ins Wanken gekommen, ist dann umgeschlagen in ein besessenes Interesse für diese Kunstform, in einen anhaltenden Eifer, sie neu zu sehen und endlich zu begreifen.“
Dieses Erweckungserlebnis hatte Ingeborg Bachmann durch Maria Callas, die in der „Scala“ Violetta sang, die Hauptrolle in „Traviata“ von Verdi. Bachmanns kurzer Text „Hommage à Maria Callas“ ist immer noch die tiefste Huldigung, die man sich zum 100. Geburtstag von Maria Callas am 2. Dezember denken kann.
„Einfach Pech gehabt“
Maria Callas war in allem Glanz und Leid ein Superstar, wie nur noch der italienische Tenor Enrico Caruso, dessen 150. Geburtstag im Februar war. Auch Marilyn Monroe, Romy Schneider und Ingeborg Bachmann gehören zu diesen besonderen Künstlerinnen, die von Mythen umrankt sind. Sie hielten das Leben nur mit Barbituraten und Morphium aus, starben früh, alle unter fünfzig.
Maria Callas wurde zwar 53, aber sie war tot, bevor sie am 16. September 1977 einsam in Paris starb. „Es gibt Leute, die zum Glücklichsein geboren werden, und andere, die zum Unglücklichsein bestimmt sind. Ich habe einfach Pech gehabt“.
Pech in einem bürgerlichen Sinn hatte Maria Callas nicht. Zwar hatte sie eine unglückliche Kindheit in New York, aber schon mit neunzehn Jahren, 1942, mitten im Zweiten Weltkrieg, sang sie ihre erste „Tosca“ in Athen, wurde schnell weltberühmt, arbeitete mit den berühmtesten Dirigenten und Regisseuren zusammen, forderte und erhielt riesige Gagen, führte an der Seite des griechischen Milliardärs Aristoteles Onassis ein glamouröses Leben, stieg zur Primadonna assoluta ihres Jahrhunderts auf.
Ihr Repertoire war riesig. Sie sang Wagner (Isolde, Kundry, Sieglinde), vor allem aber Verdi und Puccini und immer wieder die Belcanto-Opern von Bellini, Donizetti und Rossini. Sie erregte ihr Publikum bis zum Fanatismus, versetzte es in ein Delirium mit der Wahnsinnsarie aus Donizettis Oper „Lucia di Lammermoor“. Ihre Stimme war enorm wandelbar, biegsam, dramatisch, drei Oktaven ohne Schwierigkeiten, manchmal darüber hinaus.
Die Töne „wie Perlen von einer zerrissenen Kette gefallen, über Treppenstufen kullerten, bis sie schließlich irgendwo liegenblieben“(Bachmann). Selbst auf den vielen Tonträgern, live oder im Studio aufgenommen, hört man, dass sie nicht Violetta, Tosca, Norma, Medea, Aida sang, sondern es war, nicht immer korrekt, aber immer wahrhaftig.
Ingeborg Bachmann, seelenverwandt, rühmte sie so: „Sie ist die einzige Kreatur, die je eine Opernbühne betreten hat. Sie wird nie vergessen machen, dass es Ich und Du gibt, dass es Schmerz gibt, Freude, sie ist groß im Hass, in der Liebe, in der Zartheit, in der Brutalität, sie ist groß in jedem Ausdruck… Sie hat nicht Rollen gesungen, niemals, sondern auf der Rasierklinge gelebt…Sie ist die einzige Person, die rechtmäßig die Bühne in diesen Jahrzehnten betreten hat, um den Zuhörer unten erfrieren, leiden, zittern zu machen… sie war immer ein Mensch, immer die Ärmste, die Heimgesuchteste, die Traviata… die Tränen, die ich geweint habe – ich brauche mich ihrer nicht zu schämen.“
Verschlossene Auster
Es gibt viele Geschichten, Filme, Bücher über Maria Callas (und ihre zwei Pudel); eine Briefmarke und eine Rose sind ihr gewidmet. Wir können die Aufnahmen mit ihr hören und ahnen, dass sie immer um ihr Leben sang. Im Innersten aber war sie eine verschlossene Auster.