"Jazzpassage" in Offenburg

Notaufnahme statt Konzertsaal für Pianist Michael Wollny

Jürgen Haberer
Lesezeit 3 Minuten
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19. November 2019
Lust an der Improvisation: Saxofonist Émile Parisien (Mitte) und sein Quartett beim Auftritt in der Offenburger Reithalle.

Lust an der Improvisation: Saxofonist Émile Parisien (Mitte) und sein Quartett beim Auftritt in der Offenburger Reithalle. ©Ulrich Marx

Zum Abschluss der 17. Ausgabe der deutsch-französischen „Jazzpassage“ gab Émile Parisien mit seinem Quartett ein beeindruckendes Konzert. Das geplante Duo mit Michael Wollny musste allerdings auf 2020 verschoben werden. Der Pianist konnte am Sonntag wegen eines schweren Infekts nicht in der Reithalle auftreten.

Die Hiobsbotschaft des Abends markierte gleichzeitig eine eher unerfreuliche Premiere. Erstmals in seiner Musikerkariere musste Michael Wollny einen Auftritt absagen. Der deutsche Pianist war am Sonntagnachmittag mit einer schweren Magen- und Darminfektion in Offenburg angekommen. An einen Auftritt am Abend war deshalb nicht zu denken. 

Während das Publikum in der gut besuchten Reithalle bis zuletzt hoffte, dass Wollny zumindest am Ende des Konzerts mit Émile Parisien für ein oder zwei Stücke dazustoßen könnte, war er längst mit Edgar Common, dem Leiter des Offenburger Kulturbüros, auf dem  Weg in die Notaufnahme des Ortenau Klinikums. Dort wurde er untersucht und reichlich mit Medikamenten eingedeckt. 

Der gemeinsame Auftritt mit Émile Parisien in Offenburg wird aber auf jeden Fall im Herbst 2020 nachgeholt. Noch unklar ist nur, ob das Konzert terminlich innerhalb der 18. Ausgabe der „Jazzpassage“ platziert werden kann. 

Die rund 400 Zuhörer in der Reithalle kamen am Ende trotzdem auf ihre Kosten, auch wenn viele Besucher wohl vor allem wegen Michael Wollny gekommen waren. Der französische Jazzmusiker Émile Parisien am Sopransaxofon und seine drei Mitstreiter, der Pianist Julien Touéry, Ivan Gélugne am Kontrabass und Julien Loutelier am Schlagzeug, lieferten ein Konzert voller Feinheiten ab. Ihr Spiel war ein musikalischer Rausch der Klangfarben und wartete immer wieder mit wunderbar inszenierten Brüchen und unerwarteten Wechseln auf. 

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Expressive Klangsprache

Sehr viel stärker als bei früheren Auftritten in Straßburg und Offenburg tauchte das Emile Parisien Quartett  in eine expressive, erzählende Klangsprache ein und generierte unerwartete Nuancen.  Zum Einstieg gab es zeitgenössischen Jazz, gefolgt von einem poetischen Kontrapunkt, einem sphärischen und schwebenden Zwischenspiel. Getragen von einer spürbaren Lust an der Improvisation  öffnete das Quartett ein musikalisches Füllhorn, in dem klassische Anleihen ebenso aufblitzten wie Elemente der Weltmusik. Es war ein Spiel mit atmosphärischen Kontrasten, Beschleunigung, Bruch und Neuansatz sowie einem neckischen Ausschöpfen der Leerräume zwischen den Tönen. 

Im Finale folgte dann eine wilde, ungezügelte Eruption, ein ekstatischer Ausbruch, gekrönt von einer Fragmentierung, von winzigen Phrasen mit immer länger werdenden Kunstpausen. 
Nach der Zugabe des Quartetts herrschte dann trotzdem eine gewisse Konfusion im Saal, weil es die Veranstalter versäumten, den neuesten Stand vom Krankenlager Michael Wollnys zu kommunizieren.  

Die vier Abende der deutsch-französischen „Jazzpassage“ in der Offenburger Reithalle waren wie immer eingebettet in das Straßburger Festival „Jazzdor“, das bis zum 23. November läuft und noch mit fünf Konzerten aufwarten wird. 

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