Ausstellung im Literaturmuseum der Moderne in Marbach

Thomas Manns bittere Enttäuschung im amerikanischen Exil

Hans-Dieter Fronz
Lesezeit 4 Minuten
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07. Januar 2019
Unter Palmen: Thomas Mann mit Frau Katia auf seinem kalifornischen Anwesen.

Unter Palmen: Thomas Mann mit Frau Katia auf seinem kalifornischen Anwesen. ©Literaturmuseum Marbach

Das Literaturmuseum der Moderne in Marbach beleuchtet in einer Ausstellung Thomas Manns zwiespältige Erfahrungen in seinem amerikanischen Exil.

Die Vereinigten Staaten von Amerika sind, wie gerade wieder deutlich wird, eine tief gespaltene Nation. Einerseits bieten sie das Bild einer liberalen, weltoffenen Demokratie. Auf der anderen Seite zeigt das Land Züge einer selbst-herrlichen, aggressiven Supermacht. Diese so konträren Gesichter zeichneten sich bereits in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ab. Thomas Mann (1875–1955), der mit seiner Frau Katia und seinen sechs Kindern von 1938 bis 1952 im Exil in den Staaten lebte, bekam dies am eigenen Leib zu spüren. Als Repräsentant, ja als Inkarnation des europäischen Geistes, wurde er begrüßt. Wenige Jahre später erfuhr er Anfeindung und Verunglimpfung.

Aus den amerikanischen Jahren des Schriftstellers lässt sich einiges über die tiefere Verfasstheit der amerikanischen Zwei-Parteien-Demokratie lernen. Die Ausstellung »Thomas Mann in Amerika« des Literaturmuseums der Moderne in Marbach am Neckar beleuchtet die Jahre Manns im Exil aus dem Blickwinkel seiner zwiespältigen Erfahrungen. 

Mit rund 100 Exponaten – Tagebuchaufzeichnungen und Briefen, Handschriften zu den in Amerika entstandenen Romanen sowie Film- und Tondokumenten – dokumentiert sie zum einen die wohlwollende Aufnahme, die Mann zuteil wurde. Zum anderen rückt die Schau auch die Anfeindungen in den Fokus, denen der Romancier in der McCarthy-Arä ausgesetzt war. Die Mehrzahl der Leihgaben stammen aus dem Thomas-Mann-Archiv der ETH Zürich.

Reisefolklore

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Die vorsintflutlich anmutenden, originalen Koffer der Manns vor dem Eingang zur Schau sind als Reisefolklore auch Zeitkolorit. Sie und eine Reihe von Fotos führen ins Jahr 1938 zurück, als die Manns für eine Lesereise des Schriftstellers den Atlantik überquerten. Angesichts der unsicheren Verhältnisse in Europa entschlossen sie sich schließlich dazu, nicht nach Europa zurückzukehren. »Wo ich bin, ist Deutschland«, sagte Mann selbstbewusst.

Durch die Vermittlung seiner Gönnerin Agnes E. Meyer erhielt er an der Princeton University eine Honorarprofessur sowie eine Stelle an der Library of Congress. Mann las über Goethe, Wagner und Freud sowie über seinen eigenen Roman »Der Zauberberg«. Der Schriftsteller wurde hofiert und gefeiert. Seine Bücher verkauften sich gut. 

In der Zeit des amerikanischen Exils schrieb oder vollendete Thomas Mann vier Romane: »Lotte in Weimar«, »Joseph der Ernährer«, »Doktor Faustus« und »Der Erwählte«. Gleichzeitig unterstützte er Emigrantenkollegen. So profitierten von seinem Einsatz in Hilfskomitees Autoren wie Siegfried Kracauer und Ludwig Marcuse, Hermann Broch und Robert Musil. Während des Zweiten Weltkriegs richtete sich Mann zudem in einer monatlichen Rundfunkrede in der BBC an »deutsche Hörer«. Das 1942 bezogene Wohnhaus der Manns in Pacific Palisades in Kalifornien war laut Enkel Frido Mann so etwas wie das »Weiße Haus des Exils«. 2016 kaufte die Bundesrepublik das Anwesen und richtete darin ein Kulturzentrum ein.

McCarthy-Ära

Eine Zäsur bedeuteten der Tod von US-Präsident Roosevelt kurz vor Kriegsende und die nachfolgende McCarthy-Ära. In den Jahren des Exils hatte Mann nicht nur einen politischen Lernprozess durchlaufen, sondern auch einen tief greifenden Wandel seines Selbstverständnisses als Schriftsteller vollzogen. Er hatte die Notwendigkeit des Einsatzes für Demokratie und Freiheit auch als Schriftsteller erkannt und entsprechend gehandelt. Die Vereinigten Staaten waren für ihn das Land der geistigen Freiheit und Toleranz. Jetzt kehrte sich ihm unvermittelt die hässliche Fratze eines illiberalen, intoleranten Amerikas zu. Eines Landes, in dem im Zuge der Kommunistenhatz jeder kritische Geist ins Fadenkreuz der Verfolgung geriet. 1952 zog Thomas Mann die Konsequenz: Er verließ mit seiner Familie die USA, um in die Schweiz zurückzukehren, wo er 1933 sein erstes Exil gefunden hatte.
 

Info

Ausstellung

»Thomas Mann in Amerika«, Literaturmuseum der Moderne, Schillerhöhe, Marbach, bis 30. Juni, Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag, 10 bis 18 Uhr.

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