Überraschung und Enttäuschung beim „Konzert der zwei Ufer“
Sehr französisch gestaltete sich die 18. Ausgabe des „Konzerts der zwei Ufer“ mit dem Straßburger Philharmonieorchester auf der französischen Rheinseite. Das Konzert am Samstagabend markierte den Höhepunkt des musikalischen Wochenendes, das unter dem Motto „Symphonie des Arts“ stand. Das Erfolgsrezept des grenzüberschreitenden Sommerevents beruhte bisher auf einer bewährten Mischung: ein hochkarätiges Orchester, ein facettenreiches Programm aus der Welt der Klassik und prächtige Lichtspiele mit Feuerwerk. Die einmalige Open-Air-Atmosphäre erfreute sich auch auf deutscher Seite einer wachsenden Beliebtheit.
Unter diesem Vorzeichen hatten sich am frühen Abend zahlreiche Besucher aus der ganzen Ortenau von Kehl aus über die Passerelle auf die andere Seite des Rheins aufgemacht, um am musikalischen Ereignis des Jahres teilzunehmen. Diesmal sollte es allerdings ganz anders kommen. Beim Konzert unter der Leitung vom renommierten belgischen Dirigenten Dirk Brossé wurden die Musikerinnen und Musiker vom französischen Sänger Benjamin Biolay begleitet. Oder vielmehr umgekehrt: die Philharmoniker traten in den Hintergrund, um dem Gesangssolisten den Vortritt zu lassen. Vor allem für die deutschen Konzertbesucher eine kleine Überraschung. Bekannte Melodien aus der Welt der Klassik? Fehlanzeige. Die Enttäuschung war an nicht wenigen Gesichtern abzulesen.
Franzosen begeistert
Die restlichen 6000 Konzertbesucher aus Frankreich zeigten sich wiederum begeistert. Biolay, der in Deutschland beim breiten Publikum noch relativ unbekannt ist, wird als eine der wichtigsten Figuren der französischen Musikszene gehandelt. Der erstklassige Musiker hat sich vor allem um die Auferstehung des „Nouvelle chanson“ verdient gemacht.
An diesem Abend zeigt sich der Sänger facettenreich und geht über das Genre des Chansons hinaus. Sein Repertoire umfasst sanft vorgetragene Balladen und zart dahingehauchte Chansons wie „Ton Héritage“, die streckenweise Anklänge an Gainsbourg beinhalten. Aber auch poppige Stücke wie „Aime mon amour“ sind zu hören. „À l’origine“ gegen Ende des Auftritts kommt gar mit brachialem Unterton daher.
Die Stimme von Benjamin Biolay, der nicht ohne Grund als Enfant terrible der französischen Musikszene gilt, entpuppt sich immer wieder als recht eigenwillig: mal gefühlvoll, mal rauchig-rauh mit einem Hauch Edelpunk oder mit New-Wave-Einflüssen wie bei „La Superbe“. Zwischendurch erklingt eine Reminiszenz an Frank Sinatra mit „It Was a Very Good Year“, wunderbar begleitet von den Straßburger Philharmonikern. Heftiger Beifall erfüllt den Platz. Es folgt ein schönes Duett Biolays mit seiner Ex-Ehefrau, der Schauspielerin und Sängerin Chiara Mastroianni, Tochter von Marcello Mastroianni und Catherine Deneuve.
Kein Feuerwerk
Lässig-cool und mit einer unglaublichen Präsenz steht Biolay auf der bunt erleuchteten Bühne als er mit „Ma Route“ den Abschied einstimmt. Der Platz wird dabei von Hunderten von Handys erleuchtet, die im sanften Rhythmus der Gitarre hin und her geschwenkt werden. Das muss vorerst reichen, denn das von vielen sehnlich erwarte festliche Feuerwerk gegen Ende des Konzerts kommt nicht. Der Himmel über dem Rheinvorland bleibt dunkel.
Ein weiteres Mal macht sich Enttäuschung breit, während eine lange Menschenschlange über die Fußgängerbrücke auf die andere Seite des Rheins pilgert. Das Feuerwerk wäre zu verschmerzen, doch die Frage, ob das „Konzert der zwei Ufer“ noch eine grenzüberschreitende Veranstaltung ist, müssen sich die Veranstalter gefallen lassen.