Uraufführung mit erfrischenden Tönen von Heinz Jaggi
Eine Uraufführung von Heinz Jaggi und die annullierte „Sinfonie d-Moll“ von Anton Bruckner: Das Herbstkonzert des Concertino Offenburg am Sonntagabend bot ein Kontrastprogramm. Dafür sorgten auch Schlagzeuger Jaro Baron und seine Duopartnerin Franziska Fessler an der Violine.
Kontraste hat der musikalische Leiter Dieter Baran in seiner kurzen Einführung zum Konzert im Konzertsaal der Freien Waldorfschule angekündigt. Er meinte damit die Begegnung mit einem neuen, vom Concertino selbst in Auftrag gegeben Werk, und die von Anton Bruckner später selbst annullierte „Sinfonie d-Moll“.
Das 1985 gegründete Orchester hat sich damit wieder einmal selbst in dem Spannungsfeld verortet, in dem es sich am wohlsten zu fühlen scheint. Es darf durchaus etwas Modernes sein, wenn das Klanggefüge nicht zu weit auf das Feld der musikalischen Abstraktion vordringt und tonale Ansätze zumindest erkennbar bleiben. Genauso wichtig ist der Blick auf das Oeuvre der klassischen Literatur. Es sollte aber auf keinen Fall ein Allerweltsstück sein, dass in jeder Klassiksammlung zu finden ist.
Für den ersten Teil des diesjährigen Herbstkonzerts hat sich Baran an den Schweizer Heinz Jaggi gewandt, den Solopauker des Sinfonieorchesters Biel-Solothurn, dem seit 2017 auch Barans Sohn Jaro angehört. Jaggi hat sich an die Arbeit gemacht und ein „Konzert für Violine, Schlagzeug und Streicher“ komponiert, eine moderne, aber nie verstörende Klangcollage, die kontrastreich neue Töne anschlägt.
Rasante Läufe mit gebrochenen Akkorden für die Violine von Franziska Fässler, die mit Jaro Baran zusammen seit 2014 das Duo Arcophon bildet. Das Schlagwerk wechselt zwischen Vibraphon, kleiner Trommel und Tam-Tam. Bongos und Becken, dazu die Streicher des kleinen Orchesters, die fast immer präsent sind, aber nie aufdringlich wirken.
Der erste Satz ist lebhaft und vielschichtig, der zweite geprägt von einer starken Reduktion, einer sphärischen, manchmal fast ersterbenden Aura. Das Zwischenspiel ist eine Reminiszenz an barocke Harmonien, das Finale eine polyrhythmische Verbeugung vor der Rezeptur der progressiven Rockmusik. Die Uraufführung selbst ist eine erfrischende, wunderbar abwechslungsreiche Klangreise, die das spürbar beeindruckte Publikum in der Waldorfschule mit langanhaltendem Beifall belohnt.
Opulente Tonsprache
Nach der Pause dann Bruckners „Sinfonie d-Moll“, die später von ihm durch einen handschriftlichen Eintrag auf der Partitur „genullt“ wurde. Anton Bruckner hat in dem 1869 komponierten Werk wohl vor allem an der Rezeptur seiner späteren Werke gearbeitet. Die knapp 50-minütige Sinfonie ist kürzer als seine späteren Tonschöpfungen, nimmt trotz einer gewissen Schlichtheit aber bereits die opulente und dramatische Tonsprache, den machtvollen Charakter seines Spätwerkes vorweg.
Das nun durch Holz- und Blechbläser verstärkte Concertino läuft zu Bestform auf. Es begeistert das Publikum mit einem musikalischen Parforceritt und einer machtvollen Klangsprache – eine bemerkenswert reife Leistung. Als Zugabe und Abgesang folgt zum Schluss dann der zweite ungarische Tanz von Johannes Brahms.