Achern - Großweier

Wenn das Lachen im Hals stecken bleibt

Wolfgang Winter
Lesezeit 3 Minuten
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18. Mai 2022
Kabarettist Christoph Sieber gastierte in der Schloßfeldhalle Großweier.

Kabarettist Christoph Sieber gastierte in der Schloßfeldhalle Großweier. ©Daniela Busam

Eine scharfzüngige Abrechnung mit dem aktuellen Zeitgeschehen war der Abend mit dem Polit-Kabarettisten Christoph Sieber, der mit seinem bereits 2019 präsentierten Programm erneut gut ankam.

Das schmeichlerisch als „geistig moralische Elite des Rheintals“ begrüßte Publikum in der gut besuchten Schloßfeldhalle in Großweier erlebte am Freitag ein rund zweistündiges Pointenfeuerwerk. Im Rahmen des gong-Kulturangebots kam es in den Genuß von Christoph Siebers 2019 uraufgeführtem „Mensch bleiben“-Programm. Getreu dem spitzbübisch vertretenen Grundsatz „Lieber faul als immer müde“ stellte der Großmeister des Polit-Kabaretts eine Neuproduktion erst für 2025 in Aussicht.
An den Anfang stellte der „Mitternachtsspitzen“-Gastgeber eine scharfzüngige Abrechnung mit dem aktuellen Zeitgeschehen. Darin imaginiert der Künstler das Bild eines vor einem Jahr ins Koma Gefallenen, der, kürzlich aufgewacht, erklärt bekommt: „Die FDP sitzt im Finanzministerium und haut 100 Milliarden für die Rüstung raus, die SPD gewinnt wieder Wahlen, und Robert Habeck, ein Grüner, ist Wirtschaftsminister, war in Katar und hat mit einem Kotau um Gaslieferungen gebeten.“ Da würde „der Komatöse doch sagen“: „Schläfere mich wieder ein. Das will ich alles nicht wissen!“ witzelt Sieber. Dagegen frage er sich irritiert, „wo denn die 100 Milliarden Euro gewesen waren, als wir sie für die Bildung gebraucht hätten?“.

Dichterische Glanzleistung

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Seinen Hut ziehe er dagegen vor den im Internet grassierenden Verschwörungsmythologien. Hunderttausende davon zu überzeugen, daß die Erde eine Scheibe sei, die von außerirdischen jüdischen Echsen regiert werde, die den Holocaust rächen wollen, der nie stattgefunden haben soll, betrachte er als eine dichterische Glanzleistung. Dazu passe das Facebook-Fundstück: „Wozu brauche ich Fakten, ich habe doch schon eine Meinung, nur weil es Fakt ist, braucht es ja nicht zu stimmen“. Nach diesem mit großem Applaus gefeierten Einstieg folgte Sieber seinem bereits 2019 präsentierten Programm.
Darin philosophiert er ausgehend von der Frage „Künstliche Intelligenz oder menschliche Dummheit, was setzt sich durch?“ über „intelligente Abdunklungssysteme, früher Rolladen genannt“, die den Nutzer auf Grund ihrer Komplexität gnadenlos in den Wahnsinn treiben. Auch macht er sich über Kühlschränke lustig, die selbstständig Harzer Roller nachbestellen, obwohl den schon seit Monaten niemand mehr essen will. Als ebenso überflüssig erweisen sich intelligente Schränke, die helfen, die Socken zu finden.
Zur gleichen Zeit werde im Jobcenter die Würde des Menschen durch Hartz 4 ersetzt und der Arbeitslose im „Spiel der Wirtschaftskräfte lediglich als Kollateralschaden gesehen“. Zwangsläufig bleibe, wenn der Preis zur Maxime wird, der Wert auf der Strecke.
Wenn Sieber seinen Song „Apokalypse de luxe“ mit dem beklemmenden Refrain „Wenn wir vor die Hunde gehen, wollen wir gute Laune sehen, die Zukunft wird auf den Strich geschickt, bis die Welt zusammenbricht“ nach Ballermann-Art grölt, bleibt das Gelächter im Halse stecken. Zur Entspannung gab es viele tolle Zugaben.

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