Werke von tiefer Empfindung
Nicole Reuther, mutige Leiterin des Kulturamts, begrüßte nach dem Corona-Stillstand zum ersten Mal wieder das Abonnement-Publikum in der Alten Kirche Fautenbach. Der Neustart gelang imponierend mit dem ganz jungen, erst 2020 gegründeten Ensemble Baroque for You in den beiden Sonntagskonzerten mit acht Werken von Händel, Telemann, Cavalli und van Eyck.
Auf die leere Bühne trat zunächst Jan Nigges mit einer Sopranblockflöte und spielte mit beschwingter Gestik den „Nachtigallen-Gesang“des blinden Komponisten van Eyck aus dem Frühbarock; unverkennbar ahmt das Solo mit seinen Trillern und melodiösen Intervallsprüngen den Vogel nach. Er betätigte sich in der Folge auch als eloquenter Moderator des Konzerts, der in wortreichen Beschreibungen die Werke und die drei mit ihm auftretenden Künstlerinnen vorstellte.
Berückende Schönheit
Es erklang die herrliche Sopranstimme von Sibylla Elsing mit einer Arie aus der Oper „La Calisto“ von Francesco Cavalli. Die Cembalistin Kadra Dreizehnter, höchst zuverlässig in allen Belangen, leitet mit Moll-Akkorden das traurige Schicksal der Nymphe Calisto ein. Darauf ertönt eine Stimme von andachtsvoller Leuchtkraft, absolut höhensicher und von so berückender Schönheit, dass Göttervater Jupiter als Täter und zugleich Opfer der Verführung glaubhaft wirkt...
Den feierlich-repräsentativen Charakter des Barock hat wie kein anderer Georg Friedrich Händel verbreitet. Den seriösen und abwechselnd auch heiter-tänzerischen, mitunter rasant-übermütigen Ton vermittelten Jan Nigges (Altflöte) und im Nebeneinander von Eleganz und Diskretion die Basso-Continuo-Spielerinnen Kadra Dreizehnter und Julia Nilsen-Savage (Violoncello) in der Sonate C-dur (HWV 365).
Seine Opern machten Händel weltberühmt, auch jene, die bei der Uraufführung durchgefallen waren wie zum Beispiel „Xerxes“, woraus Baroque for You die Arie „Va godendo“ präsentierte: Die Sopranistin nimmt das Thema der präludierenden Sopran-
flöte auf und führt es auf den Gipfel einer krönenden Koloratur.
Im materiellen Erfolg konnte es mit Händel der ebenfalls aus Sachsen stammende Telemann aufnehmen, der den Rest des Konzertes dominierte. Dass er auch Werke von tiefer Empfindung schuf wurde deutlich im bewegenden Gesang aus einer Kirchenkantate (TWV 1.165) : „Oh, wer kann die Liebe sagen“, worin Telemann und Interpretin Sibylla Elsing lyrische Dimensionen erreichten.
200 Jahre altes Cello
Telemanns Opern sind heute viel weniger verbreitet als seine Kammer- und Hausmusikwerke. Zu bewundern war am Sonntag die Sonate für Violoncello und Cembalo (TWV
D 1.46). Auffallend war die akustische Veränderung des Violoncellos: Dass Julia Nilsen-Savage, nun in der Mitte der Bühne dem Publikum zugewandt musizierte, entlockte ihrem 200 Jahre alten Instrument mehr Klangvolumen und Wärme.
Jan Nigges erwähnte am Schluss, dass Telemann eine Pest-Epidemie erlebt hatte; auch das mag ihn zu tief empfundener Musik inspiriert haben. Vor allem ihr Text ist auch eine Antwort auf die Pandemie: Die Arie „Mich tröstet die Hoffnung“ aus seiner Oper „Der geduldige Sokrates“ ist ein seltener, sehr kostbarer Fund des Ensembles, das ihm auch in mustergültig intonationsreiner Wiedergabe gerecht wurde. Mit erfindungsreichen wunderschönen Variationen wurde das von der Altflöte vorgegebene Thema vielfach variiert und zum Abschluss gebracht.
Entsprechend herzlich, mit lang anhaltendem Applaus und mit Bravo-Rufen, wurde das fantastische Quartett gefeiert. In der zweiten Zugabe wurden die Zuhörer noch einmal mit der Arie „Va godendo“ beglückt.