Wie ein Schmerz unter dem Rippenbogen
Zum Finale der Offenburger Literaturtage Wortspiel im Salmen war Gesa Jessen eingeladen, die mit ihrem Debüt „Ein lautes Lied“ bereits für Aufsehen gesorgt hat. Es ist kein Roman im klassischen Sinne, keine „Erzählung“, vielmehr eine belletristische Abhandlung über eine verlorene Liebe, es geht um Reflexionen, Betrachtungen, Erinnerungen. Die Ich-Erzählerin verarbeitet den Abschied von einer großen Liebe, verknüpft mit Beschreibungen und Erinnerungen an Landschaften, Begegnungen, Gefühlen, Erfahrungen, gespeist und angestoßen von unzähligen Bezügen zu Autoren und Zitaten aus deren literarischem Werk, die ihre Betrachtungen reflektieren.
Der Titel ist ein Zitat aus einem Heine-Gedicht, das sie sozusagen auch als Prolog zitiert. Mit einem „lauten Lied“ vertreibt man die Angst. Und um Angst geht es auch in dem Text von Gesa Jessen. Man musste schon gut zuhören, allerdings tat Gesa Jessen den Zuhörern den Gefallen, viel zu lesen. Sie erlaubte ihnen so, einzutauchen und mitzuempfinden. Das gelang auch, wahrscheinlich, weil Gesa Jessens Betrachtungen, die Wechsel zwischen Gefühlen, Erinnerungen zu Beschreibungen realer Jetzt-Situationen so nachvollziehbar sind.
Schreiben, sagte die Autorin, sei für sie Erleichterung und Notwendigkeit, sich anderen mitzuteilen. Ihre Sprache sei, um sie selbst zu zitieren, „monströs schön“, etwa wenn sie beschreibt, wie sich der Verlust der Liebe anfühlt: ein „Schmerz unter dem Rippenbogen wie ein fünf Cent Stück groß“.
Von Christa Peiseler auf die Fülle der literarischen Bezüge angesprochen, erklärte Jessen das als einen Dialog mit den Autoren. Es handele sich um Texte, die sie schon lange begleiteten, mit denen sie verwachsen sei. Sie beschäftige die Frage, was mit Menschen passiere, die viel lesen. Sie hoffe, sagte Jessen schmunzelnd, dass es nicht zu viele Zitate seien. Literatur sei für sie ein Erlebnis.
Wie Kirsten Pieper von der Buchhandlung Akzente anmerkte, spielen Natur und Vögel in dem Buch eine besondere Rolle. Welche Bedeutung hat die Natur tatsächlich für die Autorin? Die wiederum musste lachend zugeben, dass ihr selber erst beim Lesen aufgefallen sei, wie häufig zum Beispiel Vögel erscheinen. Natur ist für Gesa Jessen literarisch wie wissenschaftlich ein Thema, dem sie sich widmet, handelt ihre Promotion doch von Literatur und Natur in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Dabei beschäftige sie zum einen die Natur, „die wir beschreiben“, aber auch die, die ausgelassen werde, „wo Sprache an ihre Grenzen kommt“.