Berlin

Wohin führt künstliche Intelligenz die Kunst?

dpa
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17. Juli 2019
Ai-Da, die weltweit erste Roboterkünstlerin, in Oxford neben einem eigenen Kunstwerk.

Ai-Da, die weltweit erste Roboterkünstlerin, in Oxford neben einem eigenen Kunstwerk. ©dpa - Jacob King

Von wegen Verdi. Ai-Da singt sich nicht durchs ägyptische Reich der Pharaonen. Die humanoide Robotergestalt malt und zeichnet in Oxford, was sie mit ihren Kameraaugen scannen kann.

Ai-Da verdankt ihre Existenz der britische Firma Engineered Arts, der Name geht zurück auf die Pionierin moderner Informatik, Ada Lovelace. Ai-Da ist jüngster Spross einer höchst unterschiedlichen Familie von Algorithmen beeinflusster Kunstwesen.
Aber ist das Kunst, was der Algorithmus da mit Hilfe einer feinen Mechanik erzeugt? Und wo beginnt Kreativität? Solche Fragen stellen sich zunehmend auch in Ausstellungen oder Atliers. Mit dem Siegeszug künstlicher Intelligenz (KI) ergeben sich für Agierende wie Betrachter neue Perspektiven. Und der Kunstmarkt lärmt mit großem Tamtam kräftig mit.

Der Donnerschlag kam aus New York. Für gut 432 000 Dollar (380 000 Euro) wechselte «Edmond de Belamy» im Auktionshaus Christie's im Oktober seinen Besitzer. Der etwas verschwommen wirkende Computerdruck einer männlichen Figur geht zurück auf das französische Kollektiv Obvious, das die Maschine mit 15 000 Porträts aus mehreren Jahrhunderten fütterte. Dann ließen sie zwei Algorithmen gegeneinander arbeiten: der erste entwarf Bilder auf Basis der gespeicherten Porträts, der zweite wies sie zurück, wenn er eine Maschine hinter der Arbeit vermutete. Was ersteren wieder lernen und besser werden ließ...

So entstanden Edmond und eine ganze Belamy-Dynastie. Zum Frust von Robbie Barrat. Der US-amerikanische Künstler und Entwickler hatte den Algorithmus zwar als Open Source zur freien Verwendung ins Netz gestellt. Der Auktionserlös von Christie's ging aber zu den Obvious-Tüfftlern nach Paris.

Die hatten das Werk von einem Teil des Algorithmus signieren lassen: min G max D Ex[log(D(x))]+Ez[log(1-D(G(z)))]. Die Urheberrechtsfrage hat allerdings keinen digitalen Ursprung. Schon bei Ready-mades wie Marcel Duchamps berühmter «Fontaine» stellte sich die Frage, welche Rechte noch beim industriellen Hersteller etwa eines zur Kunst erklärten Urinals liegen.

Ortswechsel: An der Universität Delft entstand «The Next Rembrandt». Dort wurden die Rechner mit Porträts von Rembrandt van Rijn (1606-1669) gefüttert. Erfasst wurde selbst die Pinselstrichtechnik des Niederländers. Auf der Basis erstand vor drei Jahren per 3D-Druck ein atemberaubend «neuer» Rembrandt, den der Meister nie malte. 

Thomas Christian Bächle, am Berliner Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft mitverantwortlich für Forschungen zur «Entwicklung der digitalen Gesellschaft», können «Belamy» oder «Next Rembrandt» nicht wirklich überzeugen. «Das ist interessant in der Art und Weise, wie es in Szene gesetzt wird, eine ganz neoliberale Marktlogik, Aufmerksamkeitsökonomie und dazu der Skandal mit der Frage, ob das jetzt ein Plagiat ist und wem das gehört.» Für Meilensteine fehlt dem Medienwissenschaftler die Idee der Zäsur, etwas radikal Neues dahinter.

Bächle meidet im Gespräch auch den KI-Begriff, «weil die Erwartung geweckt wird, dass es ein Kontinuum gibt zwischen menschlicher und maschineller oder künstlicher Intelligenz. Als wären es Ausprägungen ein und desselben Gegenstands.» Im Schaffensprozess wird läut Bächle versucht, menschliche Handlungsmacht auszulagern an die Maschine.

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Doch hält es der Wissenschaftler für problematisch, «wenn man den Begriff Künstliche Intelligenz für bare Münze nimmt und sagt: Da ist schöpferische Intelligenz, irgendein Bewusstsein dahinter und dann passiert etwas Neues. Nein! Da hat irgendein menschlicher Künstler diese Installation so eingerichtet und drückt auf den Startknopf.»

Die KI-Welt der Kunst hat viele verschiedene Knöpfe: In München arbeitet Hell Gette bei ihren preisgekrönten Papierarbeiten #digitalanalog mit einer App auf dem Smartphone, die sie Emojis in Landschaften integrieren lässt. Die digitalen Werke bearbeitet sie nach Ausdruck noch analog. 

Komplexer wird es beim in Berlin arbeitenden Künstler Roman Lipski. Er und sein Partner Florian Dohmann von der Künstlerinitiative YQP präsentierten ihre Zusammenarbeit während der jüngsten Münchner Digitalkonferenz UBX als «echte Partnerschaft zwischen einem Maler und künstlicher Intelligenz».
 

Lipski gab der Maschine, die er inzwischen seine «Muse» nennt, neun gemalte Varianten einer Landschaft in Kalifornien vor. Dohmanns Rechner warf darauf seine Ideen zu diesem Thema aus, die wiederum den Maler zu neuen Interpretationen inspirierten. Die immer neuen Idee des Rechners sind als Stream online zu sehen. Der Name von Lipskis eigener Serie entspricht ihrem Ziel: «unfinished».

Ähnlich arbeitet das Aican-Netzwerk, das eigene Arbeiten auf Basis von mehr als 100 000 Kunstwerke ausdruckt. Der Münchner Künstler Mario Klingemann hat einen KI-Spiegel entworfen, in dem Betrachter als ihr eigenes Bild erscheinen und agieren. 
Wissenschaftler Bächle sieht in der KI-Entwicklung auch eine Rückbesinnung: «Der KI-Stempel sorgt dafür, dass klassische ästhetische Kategorien innerhalb des marktwirtschaftlich orientierten Kunstsystems wieder gestärkt werden. Indem Fragen gestellt werden wie: Was ist Kreativität? Was ist der Künstler? Wer ist denn der Urheber? Die Bedeutung, die vermutet wird hinter KI und Kunst, führt eigentlich wieder genau zurück zu diesen uralten Fragen.»

Fragen hinterlassen auch die Tulpen von Anna Ridler und David Pfau. Die videorealistischen, im Rechner generierten Blumen wurden online versteigert. Doch wie die Vorbilder welkt auch die Kunst dahin - und ist nach einer Woche verschwunden im digitalen Nirwana.

 

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