Woodstock-Stimmung: Ten Years After in der Kehler Stadthalle
Der Kehler Verein Rheinkultur feierte 40-jähriges Jubiläum als umtriebigster Veranstalter der Region. Hierfür holte man nach 1992 zum zweiten Mal die legendären „Ten Years After“ in die Kehler Stadthalle.
Wann immer einem Claus Haberecht, Hans-Joachim Marz oder Alexander Neumann begegneten, sah man stets strahlende Gesichter: Ob an der Abendkasse oder mitten im Publikum, die Drei vom Rheinkultur-Vorstand ließen es krachen. Auf der Bühne brannte ein Feuerwerk aus Blues, Rock‘n‘Roll und allem, was da artverwandt an den „British Blues Boom“ früherer Jahre erinnerte.
Im Vordergrund stand der mit Abstand Gruppenjüngste, ein echter Berserker an der Gitarre. Marcus Bonfanti hatte noch 2001, während seines Besuches des Liverpool Institute for Performing Arts, überlegt, ober er überhaupt Musiker werden wolle. 2008 erschien sein erstes Album, dann ging die Post ab, als leidenschaftlicher Sänger und Gitarrist gewann er mehrere „Blues Awards“ – und landete nebenher inmitten einer noch lebenden Legende.
Die 1967 gegründeten Ten Years After verloren schon vor etlichen Jahren ihren legendären Frontmann Alvin Lee, ein eigentlich unersetzlicher Verlust. Doch Bonfanti präsentierte an diesem denkwürdigen Abend in Kehl ein Wunder. Als er beim finalen „I say Yeah“ das Publikum zum Mitsingen brachte, war der Bann längst gebrochen. Bonfanti lieferte eine Hommage an Alvin Lee, die aus Zitaten meisterliche Huldigungen schuf. Mit der Wucht heutiger Gitarrenbands, roher Energie und rasender Virtuosität kam ein Knaller nach dem anderen von der Bühne: „Love Like A Man“, „Good Morning Little Schoolgirl“, „The Hobbit“ oder „One Of These Days“.
Die beiden Gründungsmitglieder Chick Churchill (Keyboard) und Ric Lee (Schlagzeug) landeten mit der Bass-Ikone Colin Hodgkinson (unter anderem Spencer Davis, Alexis Korner, Chris Rea) als weiterem Ersatzmann, einen weiteren Coup. Seit 2014 sind „Ten Years After“ nun in Fortschreibung einer glorreichen Band-Geschichte, die weder Retro noch Cover ist.
Bonfanti lieferte sich mit dem vitalen Hodgkinson Rhythm- & Blues-Schlachten, die Frage des Alters der Protagonisten löste sich in feinster Musikalität auf. Churchill hämmerte als rockender und rollender Tastenmann nicht minder virtuos durch den typischen, stets harmonisch wirkenden TYA-Sound. Erinnerungen wurden wach bei rund 500 Besuchern, die überwiegend schon in ihrer Jugend Alben der britischen Band gekauft haben dürften.
Zeit für ein Reih-um-Solo
Der Auftritt erinnerte an die einstige Experimentierfreude der progressiven Rockmusik, die keine Schablonen kannte – und nicht unwesentlich vom Jazz inspiriert war. Das berühmte Reih-um-Solo kehrte wieder, was heute kaum noch einer kennt, im Jazz ein alter Standard. Es setzt bei jedem Mitspieler echte Klasse am Instrument voraus, wie man es hier erleben durfte. Vor allem Ric Lee trommelte gefühlte zehn Minuten alles aus seinem Schlagzeug heraus, was so an Rhythmusgefühl bei dieser einmaligen Band eine Rolle spielt.
Die legendären Helden von Woodstock mit ihren zwei neuen Mitstreitern brachten zum Ende hin, noch vor zwei umjubelten Zugaben, den legendärsten eigenen Song aus guter alter Zeit: „I‘m Going Home“.
Alvin Lee wurde durch seine eigene Live-Interpretation dieses Hammerhits seinerzeit weltberühmt. Er spielte sich in Woodstock in einen Rausch und durchbrach jede bis dato bekannte Höchstgeschwindigkeit in diesem Genre. Bonfanti kopierte das nicht. Er zelebrierte Töne und Gesang und schuf durch Anleihen aus schönster Nachbarschaft ein Medley, welches für einen Abend aus Kehl ein neues Woodstock werden ließ.