Salzburg

Zwiespältige Monteverdi-Oper in Salzburg

dpa
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13. August 2018
Sonya Yoncheva (Poppea, hinten) und ein Ensemblemitglied in Monteverdis "L'incoronazione di Poppea" in Salzburg.

Sonya Yoncheva (Poppea, hinten) und ein Ensemblemitglied in Monteverdis "L'incoronazione di Poppea" in Salzburg. ©dpa - Barbara Gindl

Ein Altmeister der historischen Musik, ein gefeierter Tanzkünstler, zwei Spezialisten für Bühneninstallationen: Große Künstler unterschiedlicher Genres für ein einziges Projekt zusammenzubringen, das können nur Festivals wie die Salzburger Festspiele.

Bei der Premiere der Neuinszenierung von Claudio Monteverdis Barockoper «Lincoronazione di Poppea» am Sonntagabend hatte Festspielintendant Markus Hinterhäuser den Dirigenten William Christie und seine formidable Barock-Combo «Les Arts Florissants» mit der belgischen Tanz-Legende Jan Lauwers (Needcompany) und dem ebenfalls aus Belgien stammenden Künstlerduo Lemm&Barkey zusammengespannt. Obwohl man wunderschöne Bilder sah, wunderschöne Musik hörte und wunderschöne Stimmen, vermochte das Ergebnis nicht restlos zu überzeugen. Der Schlussapplaus fiel auffallend kurz aus und Lauwers schallten Buhsalven entgegen.

Die letzte Oper des großen Claudio Monteverdi (1567-1643) ist eine rabenschwarze Angelegenheit. Nach einem Prolog, in dem sich die für Tugend, Glück und Liebe zuständigen Götter um die Vorherrschaft streiten, schwenkt die Handlung an den Hof des (zumindest der Legende nach) ebenso irrsinnigen wie blutrünstigen römischen Kaisers Nero, der sich mit der ehrgeizigen Poppea eine neue Geliebte zugelegt hat, für die er Kaiserin Ottavia verstoßen will. Die sinnt auf Rache und gewinnt Poppeas unglücklichen Liebhaber Ottone für ein Mordkomplott.

Der Anschlag schlägt fehl, Nero schickt Ottone und seine Gattin in die Wüste und heiratet Poppea mit großem Pomp. Die Tugend zieht den Kürzeren und mit der Liebe ist es auch nicht weit her. Denn Nero wird sich auch Poppeas entledigen, was aber in der Oper keine Rolle mehr spielt.

Von einer klassischen Inszenierung kann man nicht sprechen bei dem, was Lauwers und seine jungen Tänzerinnen und Tänzer von der Bodhi Project & Sead Salzburg Experimental Academy of Dance auf die Bühne des Hauses für Mozart bringen. Es handelt sich mehr um eine Tanzperfomance mit Stimmen und Musikbegleitung. Der Bühnenboden ist mit einem schräg gestellten, gemalten Teppich aus Leichen ausgelegt; von der Decke hängt ein zerzauster Kronleuchter. Blickfang ist ein rundes Podest, auf dem sich diverse Tänzer unablässig um die eigene Achse drehen, dass einem selbst ganz schwindelig wird. Vielleicht ein Symbol für den Irrsinn, der an Neros Hof (und in der Welt) regiert?

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Sänger vollbringen wahre Wunder

Es gibt viele eindrückliche Menschen-Bilder, die an Höllenfantasien von Hieronymus Bosch oder Peter Paul Rubens erinnern. Wenn es mörderisch wird in Neros Palast, brechen die Tänzer tot zusammen oder sie werden mit Blut beschmiert. Manchmal laufen sie an klobigen Krücken über die Bühne oder feiern Orgien. Den finalen Triumph Neros und Poppeas nicht zuletzt über den tugendhaft-nervenden Seneca, den der Kaiser in den Selbstmord treibt, grundieren römische Wutbürger in Slow Motion.
Christie und seine Musiker schauen mit ihren Barockinstrumenten zur Hälfte aus dem Orchestergraben heraus und sind Teil der Bühneninstallation. Manchmal schauen die Sänger und Tänzer ihnen in die Noten oder setzen ihnen lustig Hüte auf.

Ob Christie das toll findet, weiß man nicht recht. Er leitet die Aufführung vom Cembalo aus und wirkt recht unbeteiligt, was man der Musik nicht anmerkt. Auch die Sänger vollbringen wahre Wunder. Tief unter die Haut geht  das berühmte Schlussduett Nerone/Poppea mit Kate Lindsey (Mezzosopran) als Nerone und Sonya Yoncheva (Sopran) als Poppea. In der Rolle der Zofe Arnalta brilliert der komödiantisch hoch begabte Countertenor Dominque Visse. Nicht zu vergessen die grandiose Stéphanie dOustrac als rachsüchtige Kaiserin.

Monteverdis Opern dauern recht lange, drei Stunden in diesem Fall, und der dauernde Wohlklang kann auch anstrengend sein, wenn die Inszenierung nicht dagegenhält. Tut sie nicht, was dann streckenweise in überaus edlen Leerlauf mündet. Die zündenden Ideen liefert Lauwers nur im Programmheft, wenn er Poppeas zynische Einlassung «Wer unglücklich geboren ist, klage sich selbst an, nicht die anderen» als Essenz kapitalistischer Denkweise bezeichnet. Oder übersetzt: Jeder ist seines Glückes Schmied. Auf der Bühne sieht man nichts davon. 

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