Oberkirch

Abdeckfolien - Vom Erdbeerfeld ins Vogelnest

Simon Allgeier
Lesezeit 4 Minuten
Jetzt Artikel teilen:
14. April 2016
Der Anbau von Erdbeeren unter Folienabdeckungen ist im Renchtal weit verbreitet. Weil ein Landwirt die Folienreste nicht ordnungsgemäß beseitigt haben soll, hat Naturschützer Christoph Münch nun Anzeige gegen ihn erstattet.

(Bild 1/2) Der Anbau von Erdbeeren unter Folienabdeckungen ist im Renchtal weit verbreitet. Weil ein Landwirt die Folienreste nicht ordnungsgemäß beseitigt haben soll, hat Naturschützer Christoph Münch nun Anzeige gegen ihn erstattet. ©Archivfoto: Hubert Grimmig

Immer mehr Erdbeerfelder im Renchtal verschwinden unter Folien. Reste davon verwenden Vögel auch als Nistmaterial – mit fatalen Folgen für die Brut. Naturschützer Christoph Münch will dem nicht länger zuschauen. Er hat Anzeige gegen einen Landwirt aus Zusenhofen erstattet. 
 

Die vielen Vorteile von Plastik – vor allem die Wasserundurchlässigkeit – für den Vogelnachwuchs können sie tödlich sein. Als Christoph Münch ein aufgegebenes Bussardnest untersuchte, wurde ihm das vor Augen geführt: »Im Nest stand Wasser und darin lagen die abgestorbenen Eier.« Die Ursache für die Versiegelung hatte der Oberkircher Naturschützer schnell gefunden. »Das Nest war mit Folienfetzen ausgekleidet.« Wie der Bussard nutzen laut Münch auch viele andere Vögel Plastikfetzen für ihren Nestbau, »da sie ihnen wie ein großes geeignetes Blatt erscheinen«. 

»Das Problem nimmt zu, je mehr Folien in der Landwirtschaft verwendet werden«, erläutert Bund-Ortsverbandsvorsitzender Meinrad Heinrich gegenüber der ARZ (siehe Hintergrund). 

Umso mehr schockierte es Münch, als er bereits am 24. Oktober vergangenen Jahres auf einem zwei Hektar großen Erdbeerfeld bei Zusenhofen »mehrere tausend Folienfetzen« entdeckte. Der überwiegende Teil davon etwa handflächengroß, aber auch bis zu 70 Zentimeter große Stücke seien darunter gewesen. Etwa 1,5 Hektar Kunststofffolie seien hier »nach der Erdbeer­ernte maschinell zerrissen« und liegen gelassen worden, informierte er das Ordnungsamt im Landratsamt Ortenaukreis. Gegen den Zusenhofener Landwirt Franz-Josef Müller, der das Erdbeerfeld bewirtschaftet, erstattete Münch eine Ordnungswidrigkeitsanzeige »wegen rechtswidriger Entsorgung von Kunststoffabfällen«.

»Das ist Quatsch«

»Das ist Quatsch«, begegnet Müller den Vorwürfen Münchs. Jeder Landwirt wisse um die schädliche Wirkung von Plastik auf die Böden. Die Behauptung, er habe die Folien absichtlich auf dem Feld zerkleinert und zurückgelassen, sei eine Unverschämtheit. In der Praxis sei es so, dass die Abdeckfolien durch die UV-Strahlung porös werden. Beim Herausziehen aus dem Boden nach einem oder zwei Jahren – je nachdem, ob es sich um eine ein- oder zweijährige Erdbeerkultur handele, könne es vorkommen, dass Reste im Boden zurückbleiben. Mitarbeiter des Landratsamtes hätten sich nach der Anzeige Münchs auf seinem Feld umgeschaut und laut Müller lediglich zwei am Straßenrand liegende Tropfschläuche bemängelt.

- Anzeige -

Mit der Antwort von Landrat Frank Scherer zu den Vorfällen in Zusenhofen – das Amt weise Landwirte auf den richtigen Umgang mit Folien hin – gab sich Münch indes nicht zufrieden und wandte sich an das Ministerium für ländlichen Raum und Verbraucherschutz. Dieses konstatiert in einem Schreiben an Münch vom 22. März, dass Mitarbeiter des Amtes für Umweltschutz und Gewerbeaufsicht das Grundstück überprüft hätten und dabei tatsächlich Folienreste gefunden worden seien. Das Amt für Landwirtschaft sollte deshalb ein Gespräch mit dem Landwirt führen. 

Obrecht: Landwirte brauchen Verfrühung
 

Einsatz von Tunneln beim Anbau von Beeren wird sich laut OGM-Vorstandsvorsitzendem noch erhöhen

»Jeder Landwirt legt großen Wert darauf, dass die Abdeckfolien wieder sauber entfernt werden«, erklärt Wendelin Obrecht. Gerade auch mit Blick auf die künftige Bewirtschaftung der Böden sei das enorm wichtig, betont der Vorstandsvorsitzende des Obstgroßmarktes Mittelbaden (OGM). Sollten Kollegen den Umgang mit Abdeckfolien zu locker handhaben, missbillige er dies aufs Schärfste. Aus eigener Erfahrung wisse er jedoch, dass Abdeckfolien auch von schlechter Qualität sein können, so dass sie bei der Verwendung im zweiten Jahr zerbröseln. »Dann ist es ein großer Aufwand, die Folienreste wieder vollständig zu entfernen.«

Den generellen Einsatz von Abdeckfolien oder Tunneln beim Erdbeeranbau verteidigt Obrecht. Das sei die einzige Möglichkeit, mit den kleinen Strukturen im Renchtal eine Wertschöpfung zu erzielen und im Wettbewerb mithalten zu können. Zudem seien die Abdeckfolien beginnend ab der zweiten Februarhälfte nur rund sechs Wochen auf den Feldern, danach würden sie wieder entfernt. Tunnel würden von Ende Januar bis Ende Mai verwendet. Deren Zahl könne in den nächsten Jahren vor allem im Anbau von Himbeeren und Brombeeren noch zunehmend, prognostiziert Obrecht. Hier komme es auf den Schutz vor Insekten wie der Kirschessigfliege an. 

Hintergrund

Verwendung von Abdeckfolien nimmt stark zu

Die Verwendung von Abdeckfolien und begehbaren Tunneln beim Erdbeeranbau steigt in den vergangenen Jahren rapide an. »Im Jahr 2000 waren erst knapp 7 Hektar (ha) unter Tunneln zu finden, 2008 belief sich die Fläche bereits auf 49 ha, bis 2012 verdoppelte sich die Fläche sogar auf 98 ha«, ermittelte das Statistische Landesamt Baden-Württemberg bereits im September 2013. Neben dem Verfrühungseffekt seien die Pflanzen unter Folientunneln weniger den Wetterkapriolen wie Spätfrost und Hagel ausgesetzt. 

Den ökonomischen Vorteilen für die Landwirtschaft stehen laut Andre Baumann (Foto), Landesvorsitzender des Nabu Baden-Württemberg, die optischen Veränderungen der Landschaft durch die Folien gegenüber. Verantwortung dafür trage aber vor allem der Verbraucher, der am liebsten ganzjährig Erdbeeren und Spargel im Supermarkt vorfinden wolle. Dass Folienreste einfach zurückgelassen werden, ärgert Baumann. »Ackerflächen sind keine Müllkippen«, betont er gegenüber der ARZ. Wenn ein Landwirt die von ihm verwendeten Abdeckfolien nicht ordnungsgemäß und vollständig entfernen könne, solle er es sein lassen, meint Baumann. Der Einfluss von Plastik auf die Natur nehme indes generell zu. Die Folienfetzen gefährdeten nicht nur die Vogelbrut, auch die Brutstätten gingen verloren. »Wir stellen fest, dass ganze Landschaften unter Folien verschwinden.«all

Stichwort

Anzeigen und Gegenanzeigen

Als Reaktion auf das ­Schreiben des Oberkircher Naturschützers Christoph Münch überprüften Mitarbeiter des Landratsamtes laut Pressesprecher Kai Hockenjos das Feld in Zusenhofen. Die aufgefundenen Folien seien brüchig gewesen, da es sich um mehrjährige Kulturen gehandelt habe. Im Gespräch mit den Mitarbeitern des Landratsamts habe der Landwirt erklärt, dass die Folienreste bei der Vorbereitung des Bodens für eine Maisaussaat entfernt werden sollten. 

Dass sich Münch und der Zusenhofener Landwirt Franz-Josef Müller, auf dessen Erdbeerfeld der Naturschützer die Folienreste fand, beharken, ist kein Einzelfall. Zuletzt hatte Müller im März in seiner Funktion als Kreisvorsitzender des Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverbands Anzeige gegen Münch wegen Verstößen gegen das Betretungsrecht und Amtsanmaßung erstattet. Zwei Wochen später reagierte Münch mit einer Gegenanzeige wegen übler Nachrede. Auch Ablagerungen am Stangenbach waren in der Vergangenheit wiederholt Gegenstand von Auseinandersetzungen zwischen Christoph Münch und Franz-Josef Müller. all

Weitere Artikel aus der Kategorie: Achern / Oberkirch

Beim ehemaligen Gasthaus Krone in Rheinbischofsheim geht es oft eng zu. Das beklagen Anwohner und Ortschaftsräte. Abgemeldete Autos aus Frankreich seien die Ursache.
vor 4 Stunden
Viele Autos bei der "Krone"
Ortschaftsrat und Bürger sammeln in Rheinbischofsheim kritische Stellen für die Verkehrsschau im April. Ärger bereitet vor allem wildes Parken.
Saisonstart beim Golfclub (von links): Clubmanagerin Tanja Taxis, Vizepräsident Klaus Sturn, Vizepräsidentin Ingrid Volkenand und Präsident Thomas Kohler im Geräteraum.
vor 7 Stunden
Der Golfclub setzt auf Naturnähe
Der Golfclub Urloffen mit seinen 900 Mitgliedern ist auch als Kaderstützpunkt des Golfverbands vorbereitet auf die neue Saison. Interessierte können jederzeit reinschnuppern.
Am 29. Januar brannte die „Neue Hütte“ ab. Da die Ermittlungen laufen, darf der Brandschutt noch nicht beseitigt werden.
vor 10 Stunden
Untersuchungen laufen noch
In Rheinbischofsheim liegen Wochen nach dem Brand im Wald weiterhin Schuttreste einer Hütte.
Die Hesselhurster Kinder freuen sich schon jetzt auf die immer schönen Basteltage unter der Anleitung von Jugendleiterin Bianca Krieg beim Förderverein Dorfgemeinschaft Hesselhurst. ⇒Foto: Richard Lux
vor 13 Stunden
Hauptversammlung
Hauptversammlung: Die Dorfgemeinschaft Hesselhurst zählt bereits 204 Mitglieder. Auch dieses Jahr sind wieder eine Menge Aktionen geplant.
Der Hegering Hinteres Renchtal hat die Wiederansiedlung des Luchses im Schwarzwald kontrovers diskutiert.
vor 13 Stunden
Oppenau
Der Hegering Hinteres Renchtal diskutierte bei seiner Versammlung über den Luchs. Dessen Wiederansiedlung könnte vor allem mit den Schutzmaßnahmen für ein anderes Tier kollidieren.
Die ABL tritt bei der Gemeinderatswahl mit voller Liste an. 
vor 15 Stunden
Achern
Die Acherner Bürger Liste tritt mit Personen aus allen Acherner Teilorten bei der Gemeinderatswahl an. Alle aktuellen Stadträte bewerben sich wieder.
Ehrungen beim SC Önsbach, von links Werner Huschka, Angelika Weber, Beate Hund, Ursula Schemel, Reiner Steurer, Roland Gutenkunst, Hermann Haungs, Bruno Tabor, Werner Ell, Gregor Harter und Monika Kast. 
vor 15 Stunden
Achern - Önsbach
Der 886 Mitglieder starke SC Önsbach geht optimistisch in die Zukunft. Für die neue Saison wird wieder eine Fußball-Herrenmannschaft gemeldet.
Die musikalischen Nachwuchstalente des Hans-Furler-Gymnasiums bekamen bei der 21. Soiree reichlich Beifall vom Publikum.
vor 15 Stunden
Oberkirch
Die Soiree am Oberkircher Hans-Furler-Gymnasium ließ keine Wünsche offen. Die talentierten Nachwuchs-Musiker der Schule offenbarten dem Publikum ihre musikalische Begabung und ernteten dafür viel Applaus.
Sie kandidieren für den Stadelhofener Ortschaftsrat: von links Klaus Müller, Lena Blümle, Diana Vogt-Bruder, Sebastian Hund, Rainer Huber, Thomas Schadt, Frank Grimmig, Katja Hund, Marius Meier, Markus Plail, Fabian Knapp, Annika Spraul, Bastian Springmann und Dominic Ell (von links).
vor 15 Stunden
Ortschaftsratswahl
14 Kandidaten für zehn Plätze – so lautet die Formel bei der Ortschaftsratswahl in Stadelhofen. Mit dabei ist erstmals auch eine 17-Jährige.
Ein Teil der Geehrten der Kolpingsfamilie Lautenbach mit den Vorsitzenden und geistiger Leitung (von links): Vorsitzende Eva Breuer, Josef Müller, geistige Leitung Sabina Breidung, Bernhard Müller und stellvertretende Vorsitzende Stefanie Fischer.
vor 15 Stunden
Lautenbach
Im zurückliegenden Kalenderjahr feierte die Lautenbacher Kolpingsfamilie ihr 75-jähriges Jubiläum. Darauf blickte man in der Jahreshauptversammlung zufrieden zurück. Außerdem wurden langjährige Mitglieder geehrt.
Yvonne Bierer, Tanja Weinzierle (links) und Michael Sauter (rechts) informierten über die Fällungen im Binzigwald.⇒Foto: Meier
vor 15 Stunden
Binzigwald
Anwohner des Binzigwalds zeigten sich bei einer Begehung des Schonwaldes überrascht davon, dass dort mit schwerem Gerät Bäume gefällt worden waren. Die Förster nahmen vor Ort Stellung.
Sie kandidieren auf der CDU-Liste für den Ortschaftsrat Zusenhofen (von links): Christian Ell, Johannes Danen, Markus Grimmig, Marcel Zerrer, Daniela Serrer, Peter Müller, Selina Wurth, Alfons Braun, Felix Armbruster und Jens Junker. 
vor 15 Stunden
Oberkirch - Zusenhofen
Jüngere Kandidaten treten für die CDU Zusenhofen bei der Ortschaftsratswahl an. Vorsitzender Dieter Blaeß lobt deren Engagement. Die vier CDU-Ortschaftsräte sollen mit Erfahrung punkten.

Das könnte Sie auch interessieren

- Anzeige -
  • HYDRO liefert etwa Dreibockheber für die Flugzeugwartung. 
    26.03.2024
    HYDRO Systems KG und Rhinestahl fustionieren
    HYDRO Systems KG und Rhinestahl schließen sich zusammen. Mit diesem Schritt befinden sich die Kompetenzen in den Bereichen Ground Support Equipment (GSE) und Aircraft- & Engine Tooling unter einem Dach.
  • Alle Beauty-Dienstleistungen bietet die Kosmetik Lounge in Offenburg unter einem Dach.
    26.03.2024
    Kosmetik Lounge Offenburg: Da steckt alles unter einem Dach
    Mit einer pfiffigen Geschäftsidee lässt Elena Plett in Offenburg aufhorchen. Die staatlich geprüfte Kosmetikerin denkt "outside the box" und hat in ihrer Kosmetik Lounge ein außergewöhnliches Geschäftsmodell gestartet.
  • Konfetti, Flitter und Feuerwerk beschließen die große Preisverleihung im Forum-Kino in Offenburg. Die SHORTS feiern 2024 ihr 25. Jubiläum. 
    26.03.2024
    25 Jahre SHORTS – 25 Jahre Bühne für künftige Filmemacher
    Vom kleinen Screening in 25 Jahren zum gewachsenen Filmfestival: Die SHORTS der Hochschule Offenburg feiern Jubiläum. Von 9. bis 12. April dreht sich im Forum-Kino Offenburg alles um die Werke junger Filmemacher. Am 13. April wird das Jubiläum im "Kesselhaus" gefeiert.
  • Das LIBERTY-Team startet am Mittwoch, 27. März, in die Afterwork-Party-Saison. 2024 finden die Veranstaltungen in Kooperation mit reiff medien statt. 
    22.03.2024
    Businessaustausch jetzt in Kooperation mit reiff medien
    Das Offenburger LIBERTY startet mit Power in die Eventsaison: Am Mittwoch, 27. März, steigt die erste XXL-Afterwork-Party mit einem neuen Kooperationspartner. Das LIBERTY lädt zusammen mit reiff medien zum zwanglosen Feierabend-Businessaustausch ein.