Oberkirch

Als Achern traurige Feuerwehrgeschichte schrieb

Patric König
Lesezeit 4 Minuten
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05. August 2016
Nur mithilfe von Drehleitern ­konnten beim Acherner Krankenhausbrand Patienten aus dem fünften und sechsten Stock gerettet werden. Der Rauch erwies sich dabei als größerer Feind der Menschen als das Feuer selbst.

(Bild 1/6) Nur mithilfe von Drehleitern ­konnten beim Acherner Krankenhausbrand Patienten aus dem fünften und sechsten Stock gerettet werden. Der Rauch erwies sich dabei als größerer Feind der Menschen als das Feuer selbst. ©Eugen Kühling

Die bis dahin größte Brandkatastrophe der noch jungen Bundesrepublik Deutschland ereignete sich am 28. Mai 1980 in Achern: der Krankenhausbrand. Für elf Menschen kam jede Rettung zu spät. Auch die Feuerwehr Oberkirch trug dazu bei, dass insgesamt 190 Personen gerettet werden konnten.

 Große Illusionen machte sich Klaus Müller vor Ort nicht. »Es war mir klar, dass es etliche Tote geben wird«, erinnert er sich an seinen Einsatz beim Acherner Krankenhausbrand. Müller, damals 35 Jahre alt, war einer der  Oberkircher Atemschutzträger, die zehn Menschen aus dem fünften und sechsten Stock des Krankenhauses befreiten.

Die Retter hatten dabei eher mit dem Rauch als mit dem Feuer zu kämpfen. »Grauer Rauch quoll aus allen Zimmern, es roch intensiv nach verbranntem Kunststoff«, beschreibt es Müller. Teilweise konnten die Helfer die Hand vor Augen kaum mehr sehen. 

Dabei hatte am 28. Mai 1980 alles scheinbar harmlos angefangen: Um 19.39 Uhr hatte der Pförtner einen Kellerbrand im Krankenhaus gemeldet. Auslöser, so sollte sich später herausstellen, war ein Kurzschluss. Als die Feuerwehr Achern anrückte, unterhielten sich im Eingangsbereich noch die Menschen. Um 19.43 Uhr schien das Feuer gelöscht. 

Zwei Minuten später wird starke Rauchentwicklung in den Treppenhäusern gemeldet: Ein Stromversorgungsschacht brennt, es gibt eine Verpuffung. Die Feuerwehr veranlasst die Evakuierung des Krankenhauses und fordert Überlandhilfe an. 130 der 260 Menschen können sich selbst in Sicherheit bringen. Den Patienten aus den oberen Stockwerken ist der Weg ins Freie versperrt.  Gegen 20 Uhr wird Katastrophenalarm ausgelöst. 691 Feuerwehrmänner von Freiburg bis Muggensturm rücken an.

Die Oberkircher Feuerwehr stellt die zweite Drehleiter vor Ort. Klaus Müller und seine Kameraden erwartet ein schwieriger Einsatz: »Wir hatten einen ungünstigen Standort und mussten den Rettungskorb immer wieder mit bloßer Muskelkraft vom Gebäude abstoßen.«

Die bettlägrigen  Patienten erwartet eine sogenannte »Crashrettung«, die schnellstmögliche Sofortrettung aus Lebensgefahr. »Wir haben zum Teil die Infusionen selbst weggemacht«, erinnert sich Müller. Ganz alleine muss er die Bettlägrigen über das Fensterbrett in den Rettungskorb wuchten – für einen zweiten Feuerwehrmann reicht der Platz nicht aus.

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Insgesamt werden 99 Personen, darunter 25 Babys der Säuglingsstation, über die Drehleitern gerettet, 30 davon von der Acherner Feuerwehr. Einige der Feuerwehrleute hatten immer wieder ihr Atemschutzgerät abgesetzt, um Patienten mit dem Luftsauerstoffgemisch zu versorgen. »Schwestern, Ärzte und Pfleger, aber auch die Hilfsorganisationen bewiesen bei der Bergung der Verletzten Entschlusskraft und Opferbereitschaft«, schreibt die ARZ in einem Extrablatt am 29. Mai 1980.  
Die Letzten müssen annähernd zwei Stunden in ihren Krankenzimmern bangen. Zuletzt ist Zimmer 518 dran. »Wir hatten uns schon aufgegeben«, schildert eine 66-jährige Patientin vor Gericht. Um 21.30 Uhr hat die Feuerwehr den Brand unter Kontrolle. Um 22.59 Uhr, nachdem die Feuerwehr das Gebäude erneut abgesucht hat, ist klar, dass keine Personen mehr anwesend sind im  ausgebrannten Neubau, der erst neun Jahre zuvor in Betrieb genommen worden war. 

Müllers Gefühl hat den Feuerwehrmann nicht getäuscht: Der Acherner Krankenhausbrand erweist sich als die bisher schwerste Brandkatastrophe in der Geschichte der 31 Jahre jungen Bundesrepublik Deutschland. Laut der Chronik »100 Jahre Krankenhaus Achern« kamen elf Menschen beim Krankenhausbrand ums Leben. Sechs sind an einer Rauchvergiftung am Unfallort gestorben, zwei auf dem Transport, drei wenige Tage später. 25 Personen, darunter auch einige Helfer, sind verletzt worden. 

Der Staatsanwalt bringt in seiner Anklageschrift nur neun dieser Todesfälle direkt mit dem Brand in Verbindung. Wegen fahrlässiger Tötung und Körperverletzung verantworten muss sich vor dem Landgericht Baden-Baden ein Amtsleiter beim Landratsamt. Der Staatsanwalt hält ihm vor, brandschutztechnische Mängel im Krankenhaus nicht schnell genug abgestellt zu haben, die schon zwei Jahre vor dem Brand offen zu Tage getreten waren.

Bei einer Brandschutzschau wurden damals der Einbau von Brandschutztüren und Brandklappen und die Abschottung der Versorgungsschächte gefordert – jener Schächte, über die sich der Rauch beim Brand ausbreiten wird. Gesetzte Frist: März 1979. »Der Exitus in diesem Krankenhaus war vorhersehbar. Er ist 16 Monate zuvor sogar amtlich erfasst worden«, fasste es die Illustrierte »Bunte« zusammen.

Während die Türen am Tag des Brands schon geliefert, aber noch nicht eingebaut sind, hat sich bei der Abschottung so gut wie nichts getan. Der Prozess endet dennoch mit einem Freispruch: Das Gericht hat Zweifel, ob die Abschottung bei sofortigem Baubeginn rechtzeitig am Brandtag fertig gewesen wäre.

Nicht nur die Juristen, auch die Feuerwehrmänner beschäftigen sich noch lange mit den Geschehnissen am 28. Mai 1980. Notfallseelsorger gibt es noch nicht, die Feuerwehrleute tauschten sich deshalb vor allem untereinander aus. Während die Einsatzkräfte vor Ort sich am Wurstsalat stärken konnten, der eigentlich für einen später abgesagten Polterabend in einem benachbarten Lokal gerichtet worden war, zog es die Oberkircher in der Nacht noch in ein heimisches Lokal.  Müller: »Wir haben uns im ›Pfauen‹ notfallseelsorgerischen Tätigkeiten hingegeben.«

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