Architektonische Perle auf Mösbacher Obstwiese

(Bild 1/2) Durch seine Einfachheit und schöne Details überzeugte das Kirschblütenhaus in Mösbach die Jury der Architektenkammer Baden-Württemberg. Dieses Objekt, geplant von Architekt Markus Seifermann aus London, sei »beispielhaftes Bauen«. ©René Lamb
Die einen finden es genial, die anderen schütteln den Kopf: Das lange und schmale Holzhaus mit dem aquariumartigen Riesenfenster, der rostigen Metallfassade und dem asymmetrischen Dach in Mösbach sorgt schon seit Baubeginn 2012 für Diskussionen. Aber jetzt ist es offiziell: Es ist ein beispielhafter Bau.
Das Kirschblütenhaus in Mösbach steht aus Sicht der Architektenkammer Baden-Württemberg für beispielhaftes Bauen und es gehört aus Sicht des Architektur-Fachverlags Callwey zu den 30 besten Einfamilienhäusern aus Holz, die derzeit in Deutschland, Österreich, Südtirol, Skandinavien und der Schweiz zu finden sind.
Gebaut hat das Haus eine Familie mit zwei Kindern, die von Ottenhöfen nach Mösbach umzog, um fortan mitten in einer Kirschbaumwiese zu leben. Ihr Haus ragt über das leicht abfallende Gelände hinaus und bietet so unter dem Wohnraum noch Platz zum Parken von zwei Fahrzeugen. Es hat Fenster nur nach Osten und nach Westen und besteht nahezu komplett aus Holz. »Es ist hell, es passt alles, wir fühlen uns absolut wohl, denn wir haben das Gefühl, mitten in der Natur zu leben«, sagen die Bauherren.
»Kirschblütenhaus« hat Architekt Markus Seifermann es genannt und die Blüten spiegeln sich im Frühjahr tatsächlich in allen Fenstern. Die Auszeichnung »Beispielhaftes Bauen« ist aus Sicht des Architekten ein Kompliment und eine Ehre für eine Dreierkonstellation aus seiner Planung, dem Mut des Bauherrn und der Baurechtsbehörde in Achern, die das Projekt genehmigte: »Die Zusammenarbeit war problemlos«, berichtet er.
Normalerweise größer
Markus Seifermann stammt aus Ottenhöfen, lebt und arbeitet aber schon seit zehn Jahren in London, wo er sich 2009 mit seiner Frau selbstständig machte. Beide widmen sich mit ihrem Architekturbüro »ÜberRaum« oft viel größeren Bauvorhaben. Zuletzt etwa realisierten sie die Hauptverwaltung eines Finanzdienstleisters mit Platz für 150 Mitarbeiter. Die deutsche Regierung legt Baumaßnahmen an Botschaftsgebäuden und deutschen Schulen in Großbritannien in die Hände des Ottenhöfeners. Aktuell wurde eines seiner Projekte, die Umgestaltung eines denkmalgeschützten Gebäudes in Nähe des Buckingham-Palastes zum ZDF-Studio London, für den German Design Award 2015 nominiert.
»Holzhäuser sind für uns wirklich die absolute Ausnahme«, so der 38-Jährige, der sein Abitur am Gymnasium Achern gemacht und in Konstanz und London Architektur studiert hat. Den traditionellen Wohnbau aus Holz auf zeitgemäße Weise weiter zu entwickeln und damit junge Bauherren anzusprechen, sei in Vorarlberg oder der Bodenseeregion sehr verbreitet, in der Ortenau dagegen noch nicht, weiß er. Dass darüber auch kontrovers diskutiert werde, sei »gut und notwendig«.
Nun auch in Seebach
Der Bauherr aus Mösbach hat bereits einen weiteren angestiftet, mit den Architekten von »ÜberRaum« ganz aus Holz und anders als andere zu bauen – diesmal in Seebach. Dort habe die Gemeinde sogar den Bebauungsplan geändert, um das Vorhaben zu ermöglichen, berichten sie und freuen sich nun auf die Realisierung.
Beispielhaftes Bauen im Ortenaukreis
23 von 100 vorgeschlagenen Bauprojekten der vergangenen sechs Jahre im Ortenaukreis hat die Architektenkammer aktuell als beispielhaft ausgezeichnet. Das Kirschblütenhaus in Mösbach war dabei das einzig preiswürdige in Achern und Umgebung.
Ausgezeichnet wurden in der Region außerdem die Bauherren und Architekten der Mediathek und des neuen Tunnelbetriebsgebäudes in Oberkirch sowie die Planer für die energetische Sanierung einer Schule in Hesselhurst, die mit dem Landkreis als Bauherren zusammengearbeitet hatten.
In Offenburg wurden das Multiplex-Kino, die Oberrheinhalle und der Neubau der Fakultät Medien- und Informationswesen der Hochschule Offenburg ausgezeichnet.
Weitere beispielhafte Wohn- und Geschäftshäuser fand die sechsköpfige Jury unter dem Vorsitz von Professor Susanne Dürr aus Karlsruhe in Friesenheim, Haslach, Wolfach und Oberwolfach.mg