Bei Opernnacht in Rheinbischofsheim liegt alle Macht bei den Frauen
Gelungenes Abschlusskonzert: Ein fulminantes Feuerwerk durch die Jahrhunderte der Musikgeschichte ist die neunte Opernnacht in der voll besetzten Graf-Reinhard-Halle.
Die 16 jungen Künstler, elf Sänger und fünf Pianisten aus aller Welt präsentierten bei der Opernnacht am Sonntagabend in der voll besetzten Graf-Reinhard-Halle beim Abschlusskonzert ihr Erlerntes. Vorausgegangen war die 14-tägige Sommerakademie am Rhein unter Leitung von Jean-Noël Briend. Opernregisseur Robert Lehmeier zauberte aus den einzelnen Arien „Die Frauen von Bische“ ein heiteres Drama in zwei Akten. Dabei wurde die hohe Kunst der Sänger, ihren Gesang mit Schauspiel zu verbinden, sehr gut hervorgehoben.
„Bische im Jahr 2074, kurz nach der 800-Jahrfeier“, begann Briend, der auch als Erzähler fungierte. Nichts sei mehr, wie es war. Die männliche Bevölkerung sei dramatisch geschrumpft, Frauen hätten die Macht übernommen. Schon der erste Auftritt begann sehr ungewöhnlich, denn die Opernsängerinnen kamen beim „Walkürenritt“ von Richard Wagner als singende Putzkolonne durch das Publikum zur Bühne. Auch wenn gegen einen Walkürenritt kein Kraut gewachsen ist, versuchte sich der junge Tenor Vadim Sansier als Held in der Rolle des Mylio aus der Arie „Le roi d’Ys“ von Édouard Lalo, der die Mauer der eifersüchtigen Wächterinnen überwinden muss, um zu seiner geliebten Rozenn zu gelangen.
Früher sei für die Männer vieles besser gewesen, fuhr Briend fort. Die Frauen hätten sich um ihre Prinzen verzehrt, um sie gelitten, auf sie gewartet oder sich wie Panima (Vendula Bruliková) für Tanimo in der Arie „Ach, ich fühl’s“ ins Grab gelegt – aus der Zauberflöte von Wolfgang Amadeus Mozart. Oder sie hätten ihr Angespartes für ein angenehmes Leben zu zweit auf dem Land ausgegeben, wie Violetta Valéry in Verdis „La Traviata“, von Briend selbst stimmgewaltig vorgetragen.
Dass sich Männer nicht immer fair verhielten, brachte Sopranistin Constanze Aubigny in der Arie „Il ne revient pas“ als von Faust (Oper von Charles Gounod) sitzengelassenes Gretchen zu Gehör. Aber bereits 2024 sei schon vieles nicht mehr, wie es gewesen ist, fuhr der gestandene Opernsänger fort. „Helden waren keine Helden mehr und Prinzen Vegetarier“, sagte er. Tamino habe etwa eine ausgewachsene Wurst-Phobie.
Nichts Gutes im Sinn
Auf der Bühne schmissen Felicity Förster, Vendula Bruliková und Agnè Cepaityte in „Zu Hilfe, zu Hilfe“ aus der Zauberflöte den Grill an und hatten nichts Gutes mit Tamino im Sinn. Mit was fremdgehende Männer zu rechnen haben, zeigte Felicity Förster als Rosalinde in der Arie „Klänge der Heimat“ aus der Fledermaus von Johann Strauß Sohn.
Im zweiten Teil wurde sozusagen der „gemütliche Teil“ verlassen. Von wegen Frau oder Mann – es sei alles durcheinander, so der Tenor. Frauen würden sich als Männer verkleiden, die Frauen erobern und Prinzen, die Frauen sind, seien auf der Suche nach ihrem Prinzen. Und da Männer scheinbar immer älter aussehen, als ihnen lieb sei, müssten Frauen in Hosen schlüpfen, um jugendliche Männer zu spielen, wie Mezzosopranistin Agnè Capaityte in „Lieto del dolce incarco…Se Romeo“ als Romeo, der um Julia kämpft, in der Oper von Vincenzo Bellini.
Schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts soll das Publikum gut damit gelebt haben können, dass Romeo und Julia von zwei Frauenstimmen interpretiert wurden. Nicht ganz einfach sei auch, wenn sich eine junge Frau in einen jungen Mann verliebt, der gar kein Mann ist, stiftete Briend noch mehr Verwirrung. Vendula Brulikovà besang als Marzelline, was zwischen ihr und „Fidelio“ schwingt, aus einer Oper von Ludwig van Beethoven.
Zum Finale stimmten alle „Feu partout“ aus „La vie Parisienne“ von Jaques Offenbach ein. Am Flügel begleiteten virtuos Cécilia Laronde, Daria Werner, Patricia Nguyen, Pierre Larsonneur, Stéphane Salort und Christina Domnick.