Bei Luk herrscht Aufbruchstimmung
Zehn Monate Argumentation und Vorbereitung haben sich gelohnt. Matthias Zink, Vorstand Automotive bei Schaeffler, präsentiert sich beim Pressegespräch in Bühl gut gelaunt. Es herrscht Aufbruchstimmung am Luk-Firmensitz in der Industriestraße.
Vor einer Woche hat das Präsidium des Aufsichtsrats der Schaeffler AG entschieden, die Führung der Unternehmenssparte Automotive von Herzogenaurach dem Standort Bühl zu übertragen.
»Das ist eine ganz kräftige Aufwertung«, freut sich Zink. Die Kompetenzverlagerung stelle eine hohe Anerkennung der vor Ort geleisteten Arbeit dar. Die Leitfunktion geht ab 1. Januar auf den Standort Bühl über. Zink, Fachmann für Getriebesysteme, dessen berufliche Karriere 1994 als Versuchsingenieur bei der LuK begann, begründet die strukturelle Veränderung mit der Notwendigkeit von »effizienteren und schnelleren Entscheidungsprozessen«.
Deutliche Aufstockung
So auch im zukunftsträchtigen Markt der E-Mobilität, in den mit Beginn des neuen Jahres nun verstärkt investiert werde. Um die Produktentwicklung und -innovation voranzutreiben, ist vorgesehen, die Zahl von 200 Ingenieuren und Entwicklern, die derzeit auf diesem Feld forschen, um bis zu 100 weitere aufzustocken und in Bühl zu konzentrieren.
Fünf Jahre sind vergangen, seit im ehemaligen Bürogebäude von Glaxo Smith Kline ein Systemhaus für Elektromobilität gegründet wurde. »Wir wollen wettbewerbsfähige Modelle von Elektromotoren und Leistungselektronik entwickeln«, gibt Zink zu verstehen. Daraus könnte ein neuer Fertigungszweig in Bühl entstehen. »Da ist noch nichts entschieden«, stellt er klar. Die Flächenreserve, um ein zusätzliches Werk errichten zu können, sei in Bühl jedenfalls vorhanden. Die Zuversicht in den Durchbruch der E-Mobilität begründet Zink so: »Ich glaube, dass wir alle miteinander die Beschlüsse der Klimaschutzkonferenz von Paris umsetzen müssen.« Dazu sei man verpflichtet. »Wir brauchen den CO2-neutralen Antrieb möglichst schnell.« Leitschnur des eigenen Handelns ist ein Prognose-Modell mit einem beschleunigten Szenario, das einen weltweiten Anstieg der Neuzulassungen von 89 Millionen Fahrzeugen (Stand 2015) auf 120 Millionen im Jahr 2030 prognostiziert. 30 Prozent werden demnach ausschließlich elektrisch angetrieben werden, weitere 30 ausschließlich mit Verbrennungsmotoren. Die restlichen 40 Prozent sind der Prognose zufolge Hybridfahrzeuge mit beiden Antriebsarten.
Innovation gefragt
Interessant: Bei einem Anteil der Fahrzeuge mit Verbrennungstechnik von 70 Prozent (inklusive Hybrid) sei Schaeffler auch weiterhin auf dem angestammten Geschäftsfeld der Getriebe- und Kupplungsproduktion gefragt – bei weltweit starken Wachstumsraten, wie Zink ausführt. Nun gehe es darum, unter der neuen Führungsstruktur auch in der E-Mobilität Kreativität und Innovation zu beweisen.
Der Unternehmensbereich Automotive OEM, mit rund 8,5 Milliarden Euro (2016) die umsatzstärkste Sparte von Schaeffler, betreibt weltweit insgesamt 53 Produktionsstandorte und beschäftigt mehr als 40 000 Mitarbeiter. Dass die Verlagerung des Hauptsitzes für diesen Bereich nach Bühl einen unmittelbaren Einfluss auf die Gewerbesteuerrate zugunsten der Zwetschgenstadt haben könnte, sieht Matthias Zink erst einmal nicht. Für die Zukunft schließt er das aber auch nicht aus: »Die Chance ist da, wenn wir erfolgreich sind. Und wir wollen zeigen, dass wir es können.« Im laufenden Jahr investiert Schaeffler in Bühl in den weiteren Ausbau der CVT-Produktion; noch 2017 sollen neue stufenlose Getriebe im Werk in den Bußmatten vom Band laufen. Außerdem vermeldet Zink Vollzug bei der Erweiterung des Werkzeugbau-Betriebs in Kappelrodeck.
Tarifbindung
Ab kommendem Jahr wird für die rund 5000 Beschäftigten in Bühl, Sasbach und Kappelrodeck die Tarifbindung eingeführt – nach Jahren vieler Auseinandersetzungen mit der IG Metall. »Wir waren 52 Jahre ohne Tarif erfolgreich«, blickt Zink erst zurück und dann nach vorne: Die Entscheidung für eine Tarifbindung stehe in direktem Zusammenhang mit der künftigen Funktion des Standorts als Hauptquartier: »Die Themen ändern sich. Da spielt auch das Bezahlungssystem eine Rolle.«