Bekommt Oberkirch ein MVZ?
Die Kliniklandschaft im Ortenaukreis wird kräftig durchgeschüttelt. Der Kreistag hat mit seiner Entscheidung für das »Modell Landrat« zwar sichergestellt, dass zunächst alle Standorte erhalten bleiben, dennoch müssen sich die Häuser ab Mitte 2018 auf einschneidende Änderungen einstellen – auch Oberkirch.
Die Strukturreform, die sich der Ortenaukreis für den Eigenbetrieb des Ortenau Klinikums verschrieben hat, wird für die eine oder andere Stadt bitter schmecken. Auch auf Oberkirch kommen ab Mitte nächsten Jahres Einschnitte und Änderungen zu (siehe Hintergrund), die den Fortbestand des Hauses auf weite Zukunft hin infrage stellen. In naher Zukunft bleibt die Klinik erhalten – und das ist die gute Nachricht, die auch Oberbürgermeister Matthias Braun und Bürgermeister Christoph Lipps im ARZ-Gespräch herausstellen: »Das war uns wichtig!«
Wichtig ist für die Verwaltungsspitze der Großen Kreisstadt eine flächendeckende, wohnortnahe Versorgung. Das sei nach wie vor die Stärke des Verbunds der Ortenau-Kliniken – immerhin der viertgrößte in Baden-Württemberg in kommunaler Trägerschaft. Dass aufgrund steigender finanzieller Defizite strukturpolitische Diskussionen geführt werden, sei richtig. »Dabei geht es nicht nur um Wirtschaftlichkeit, sondern auch um die Sicherstellung medizinischer Qualität und um Personalgewinnung«, unterstreicht Braun. Genau das werde für die kleineren Häuser wie Oberkirch immer schwieriger. »Wir können vor der dynamischen Entwicklung im medizinischen und personellen Bereich nicht die Augen verschließen«, ergänzt Lipps, der Mitglied im Krankenhausausschuss des Kreistags ist.
»Mit Augenmaß«
Für eine »behutsame Anpassung mit Augenmaß« spricht sich OB Braun aus. Dass der Kreis dabei Doppelstrukturen abbaue, sei nachvollziehbar – wenn beispielsweise die Operationstätigkeit von Dr. Bruno Schweigert von Oberkirch abgezogen und an einem Standort gebündelt wird. Als Kompensation soll dafür Mitte 2018 die Allgemeinchirurgie von Kehl nach Oberkirch verlegt werden. Geprüft werde zudem, ob künftig auch Belegärzte im Oberkircher Klinikum operieren können. Braun denkt ohnehin, dass die Ansiedlung eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) im Oberkircher Krankenhaus für den Bereich Chirurgie der richtige Weg sein könnte. Eine Entscheidung darüber stehe noch aus. Ebenso wie die Ausdehnung der Notfallambulanz-Zeiten, die im Zuge des Personalmangels im chirurgischen Bereich auf 16 Uhr gestutzt wurden. Im Gegensatz zur internistischen Versorgung, die nach wie vor 24 Stunden gewährleistet sei. Braun will eine Ausweitung der chirurgischen Notfallversorgung um weitere Stunden fordern, bis 20 Uhr, zumal sich die personelle Situation gebessert habe: »Das ist aus unserer Sicht dringend notwendig.« Gespräche darüber sind mit Klinikum-Geschäftsführer Christian Keller im September geplant.
»Das Modell Landrat gibt uns Zeit, in aller Ruhe zukunftsfähige Lösungen aufzubauen«, ist das Stadtoberhaupt optimistisch. Ein Gutachten soll dabei die Frage beantworten: Ist die Fortführung aller Standorte, also der Status quo, der richtige Weg, oder die Konzentration auf drei bis vier Standorte. Für Matthias Braun steht fest: Das gesamte Notarztsystem und die Notfallversorgung im ländlichen Raum müsse dabei auf den Prüfstand – gerade wenn über die Bildung von Klinikzentren in der Rheinschiene diskutiert wird. Klar sei aber auch: »Bei planbaren Operationen will der Patient nicht ins nächstmögliche, sondern ins bestmögliche Krankenhaus: Da muss man ehrlich sein.«
Am derzeitigen Bettenangebot in Oberkirch von 85 soll sich nach dem Kenntnisstand des Oberbürgermeisters nichts ändern. Brauns ist überzeugt, dass der Kreis auf die Oberkircher Klinik als medizinische Versorgungseinrichtung des Renchtals auch in Zukunft nicht verzichten kann: »Für mich ist es undenkbar, dass das Oberkircher Haus komplett geschlossen werden könnte.«
Das plant der Kreis für den Klinikstandort Oberkirch
68-Ja-Stimmen, zwei Enthaltungen und neun Nein-Stimmen – mit diesem Ergebnis haben die 79 anwesenden Ortenauer Kreistagsmitglieder in ihrer Sitzung vergangene Woche weitreichende Strukturveränderungen zur künftigen Entwicklung des Ortenau Klinikums beschlossen, die ab Mitte 2018 umgesetzt werden sollen. Das hat der Kreis in Oberkirch vor:
◼ Die Operationstätigkeit von Dr. Schweigert in Oberkirch wird ab dem 3. Quartal 2018 beendet
◼ Die Kliniken in Kehl, Oberkirch und Ettenheim werden bis auf weiteres als Portalkliniken geführt, das heißt eine stationär geprägte Einrichtung mit eher geringerer Bettenzahl, die eine stationäre Basisversorgung mit örtlich begrenzter Reichweite sowie eine gewisse notfallmäßige Versorgung sicherstellt, deren Hauptfunktion zunehmend darin besteht, Diagnostik durchzuführen und die Befunde in konsiliarischer Abstimmung mit dem Portalgeber zu erstellen und dabei eine enge telemedizinische Vernetzung nutzt.
◼ Der Krankenhausstandort Oberkirch umfasst als Portalklinik von Achern ein internistisches, geburtshilfliches sowie kurzzeitchirurgisches Spektrum. Die Notfallversorgung erfolgt bis auf weiteres und sofern krankenhausplanerisch umsetzbar, im internistischen Bereich im 24-Stunden-Betrieb. Im chirurgischen Bereich tagsüber.
Für alle Standorte gilt: Den von den Strukturveränderungen tangierten Mitarbeitern werden im Verbund alternative Arbeitsplätze angeboten. Ob das Modell umgesetzt werden kann, hängt formal noch von der Zustimmung des Landeskrankenhausausschusses sowie der Landeskrankenhausplanung ab.