Das Acherner Stadtarchiv hat die Illenau erobert
Der Südturm des Rathauses Illenau ist mittlerweile komplett in Händen des Stadtarchivs. Auf diesen Umzug haben die Mitarbeiter geduldig gewartet.
Zu Zeiten der Heil- und Pflegeanstalt befand sich im Südturm des Rathauses Illenau die Abteilung D 4 – die Pflegeanstalt für Frauen der unteren Stände und unruhige Kranke, sogenannte »Störende«. Als Störfaktor kann die frisch eingezogene Bibliothek des Stadtarchivs mit mehr als 6300 Bänden sicher nicht bezeichnet werden.
Als ruhige Zeitgenossen warten die Bücher auf ihren Einsatz, heißt es in einer Mitteilung aus dem Rathaus. Neuzugänge bearbeitet die Archivmitarbeiterin Larissa Hirsch. Für das Team des Stadtarchivs hat sich die Wartezeit von fünf Jahren auf diesen Raum gelohnt. Übersichtlich und gut zugänglich lassen sich Recherchen besser bewältigen, heißt es weiter.
Vierteilen, enthaupten
Das älteste Werk ist die »Peinliche Hals-Gerichtsordnung« von Kaiser Karl V. aus dem Jahr 1532 in einem Nachdruck von 1710. Die »Constitutiones Criminales Carolini« sind das erste allgemeine deutsche Strafgesetzbuch mit grausamen Strafdrohungen wie verbrennen, enthaupten, vierteilen oder lebendig begraben.
Das Wort »peinlich« kommt laut Mitteilung vom lateinischen »poena« und bedeutet »Strafe, Buße«, daraus hat sich die heutige Bedeutung »unangenehm« entwickelt. Eine »peinliche Befragung« von der Zauberei Beschuldigter war nichts anderes als ein Verhör unter Anwendung von Foltermethoden. So wurden auch hier in Achern nicht wenige Frauen als Hexen verbrannt.
Das umfangreichste Werk ist eine Bibel, die 1837 gedruckt und mit Illustrationen versehen wurde.
Neulich bat der Besitzer einer historischen Wanduhr um Hilfe nach deren Datierung, heißt es weiter. Auf der Rückseite der Uhr klebte ein »Kuckuck«, also das offizielle Siegel eines Gerichtsvollziehers mit seinem Namen. Hilfreich für eine Zuordnung erwiesen sich alte badische Geschäfts- und Adresskalender, in denen die Staatsdiener aus dem 19. Jahrhundert zu finden sind.
Einwohnerbuch von 1896
Archivbenutzer suchen oft nach Bauakten ihrer historischen Häuser. In vielen Akten des Stadtarchivs sind die heutigen Flurstücknummern nicht aufgeführt, sondern nur die Namen der Bauherren. Die kennen wiederum die heutigen Eigentümer nicht. In solchen Fällen lohnt sich ein Blick in die Einwohnerbücher von Achern – das älteste stammt aus dem Jahr 1896.
Die Vielfalt der Literatur zur Stadtgeschichte, zur badischen Landesgeschichte, zu Archivrecht, Schriftkunde, zur Geschichte der Illenau und Psychiatrie oder auch Literatur zu den Ortsteilen trägt dazu bei, Interessierten auch aus der eigenen Verwaltung, Fragen zu beantworten.
Konversationslexika aus dem 19. Jahrhundert geben Auskunft über untergegangene Begriffe, die man nicht einfach googeln kann. Die Kopfarbeit des Suchenden ist gefragt. So stören die Mitarbeiter des Stadtarchivs dann doch die Ruhe – aber nur die der Bücher in der Bibliothek.