Die frühere Ziegelfabrik Kegelmann prägt noch heute Oberachern
Der Schornstein der ehemaligen Ziegelfabrik Kegelmann prägt noch immer die Ortsansicht von Oberachern. Etwa 100 Jahre lang wurde am Hang hinter der Austraße Lehm abgebaut und zu Mauersteinen verarbeitet. Nach Einschätzung von Bauunternehmer Karl Früh, der aus Oberachern stammt, bestehen die meisten Oberacherner Häuser aus Kegelmann-Steinen.
Ein Blick in die Historie zeigt, dass zwei Oberacherner Landwirte 1899 den ersten Kamin und einen ersten Ofen mit einem Fassungsvermögen von 30000 Steinen errichteten. Ignaz Graf, Urgroßvater von Karl Früh, und Friedrich Broß betrieben ihn nicht lange selbst, sondern verpachteten die Anlage. 1919 kaufte die selbstständige Gemeinde Oberachern die Lehmgrube und baute sie aus. Ein Maschinenhaus, ein neuer Ringofen und Trockenschuppen entstanden. Ab 1924 fasste der Ofen rund 100000 Steine und mit der Abwärme konnten wöchentlich rund 80000 Mauersteine getrocknet werden.
Anfang der 1930er-Jahre gab es zu viel Konkurrenz auf dem Markt, sodass die Preise fielen. In jedem Dorf habe es einen Ziegelhersteller gegeben, weiß Karl Früh. 1934 verkaufte die Gemeinde Oberachern die Ziegelei mit einem 104 Ar großen Betriebsgelände für 50 000 Reichsmark an Herbert Kegelmann. Er schaffte Lastwagen an, baute die Lufttrocknerei aus und erreichte, dass jährlich bis zu fünf Millionen Steine hergestellt werden konnten. Während des Zweiten Weltkrieges kam die Produktion zeitweise zum Erliegen oder die Auslastung war gering.
40 Meter hoher Kamin
Aus dem Jahr 1941 stammen die Pläne für den mehr als 40 Meter hohen Schornstein, der heute noch steht. Die Baukosten wurden mit 8500 Reichsmark angegeben, der Vermerk an das Landratamt Bühl mit „Heil Hitler!” unterzeichnet. Wegen Materialmangels musste der Bau zeitweise eingestellt werden. Ab 1948 gingen die Geschäfte wieder besser, der Ofen bekam vier neue Kammern. Büros, Garagen und Wohnungen kamen hinzu. Herbert Kegelmann nannte in einem Bericht aus dem Jahr 1950 neben Backsteinen auch Viellochsteine, zementgebundene Steine und Biberschwanz-Dachziegel als Verkaufsprodukte. Außerdem wurde aus dem abgebauten Lehm Sand gewonnen. 1954 hatte der Betrieb rund 60 Beschäftigte. Ein Tagesraum sowie Duschen und Toiletten wurde eingeweiht und „Wohlfahrtseinrichtungen” genannt.
Herbert Kegelmann, der 1897 im hessischen Bau Nauheim geboren wurde, war mit der Ärztin Maria Kegelmann, geborene Kohler, verheiratet. Alte Acherner erinnern sich, dass er in der Allerheiligenstraße 8 lebte und einen grünen Opel Kapitän fuhr. Herbert Kegelmann ließ in der Straße Am Waldsee in Oberachern einige Mehrfamilienhäuser errichten, in denen seine Arbeiter wohnen konnten. 1971 starb der Gründer im Alter von 74 Jahren.
Das Miteinander der Ziegelfabrik mit der Gemeinde war nicht immer einfach. 1963 beklagte der Oberacherner Bürgermeister Franz Stockinger, dass die Benz-Meisel-Straße durch die Kegelmann-Lastwagen geschädigt worden sei und schickte eine Rechnung über 408,35 DM für die Materialkosten zur Ausbesserung. 1965 schrieb der Bürgermeister an den damaligen Regierungsrat Großmann im Landratsamt Bühl, dass Herbert Kegelmann zu viel Lehm abgebaut und vereinbarte Grenzen nicht eingehalten habe.
Karl Früh erinnert sich, dass er bis 2003 noch alle Steine bei der Kegelmann GmbH einkaufen konnte. Die Geschäfte habe bis zum Schluss Herbert Kegelmanns Sohn Dierk Kegelmann geleitet. Das Büro sei ohne Computer von seiner Schwester Ute Kegelmann geführt worden. Die letzten roten Steine aus Oberachern habe ein Großlandwirt aus Wagshurst gekauft. Seit der Schließung der nah gelegenen Ziegelfabrik müssten Bauunternehmen selbst Lager für Mauersteine unterhalten.
Und bald schon schließt sich der Kreis, wenn auf dem Kegelmann-Areal ein neues Wohnbebiet entsteht.