Achern

Die Illenau als Wirtschaftsförderung für Achern

Michael Frammelsberger
Lesezeit 4 Minuten
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05. Mai 2017

(Bild 1/2) Die Illenau im Jahr 1842. Links vorne der Eingangsbereich mit den Torhäusern. ©Fotos: Stadtarchiv Achern

In der zweiten Folge unserer Serie »175 Jahre Illenau« geht es um die Anfänge der Anstalt in der Illenau. Die ersten Jahrzehnte wurden geprägt von Christian Roller.
 

Eine gesunde angenehme Lage, reines Quellwasser, Nähe zu einer Stadt und ordentlich Platz – diese Anforderungen stellte der damalige badische Innenminister Ludwig Georg Winter 1833 in einer Denkschrift an einen geeigneten Ort, an dem in Zukunft die neue zentrale Irrenanstalt des Großherzogtums entstehen sollte. 

Bisher unterhielt die Regierung eine Anstalt in Heidelberg. Die war aber bereits fünf Jahre nach ihrer Eröffnung zu klein geworden. Dass die Wahl für den Neubau auf Achern fiel, war kein Zufall: »Das war das erste Beispiel für Wirtschaftsförderung in Achern«, erklärt Illenau-Kenner Wolfgang Winter. 

Die Kommune verschuldete sich massiv, um einen Teil der Baukosten zu bezahlen. Dazu beteiligten sich viele Acherner mit Materialtransporten an den Bauarbeiten. Die Gründe dafür, dass sich die Kommune massiv für den Zuschlag als Standort einsetzte, liegen auf der Hand. »Das gab wahnsinnig viele Arbeitsplätze«, sagt Wolfgang Winter. Schon die fünf Jahre andauernden Bauarbeiten brachten viele Acherner in Lohn und Brot. 

Der bisherige Anstaltsleiter in Heidelberg und zukünftige lllenau-Chef Christian Roller durfte seine medizinischen Überlegungen bei den Bauplanungen umsetzen. Zum ersten Mal wurde eine Irrenanstalt neu gebaut. Vorherige Einrichtungen kamen meistens in ehemaligen Klöstern oder anderen Gebäuden unter. 

Es entstand praktisch eine Stadt neben der Stadt. Das 14 Hektar große und bis dahin komplett unerschlossene IIlenau-Areal lag eine halbe Stunde zu Fuß vom damaligen Acherner Ortskern entfernt. Sogar eine Verbindungsstraße musste erst gebaut werden.

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Christian Roller wollte, dass seine Patienten frei von äußerlichen Einflüssen waren. Spaziergänge in freier Natur und Mitarbeit in den Gärten und anderen Einrichtungen der Anstalt sollten zur Heilung beitragen. Er arbeitete eng mit dem Baurat Hans Voß zusammen, der den Plan für die Gebäude lieferte. Konzipiert wurde die Anlage für 410 Kranke, mit den vielen Gebäuden war sie eine Besonderheit: Außer früheren Klöstern gab es zuvor im mittelbadischen Raum nie so ein großes Bauprojekt. 

Hans Voß legte die Gebäude des Männertraktes parallel zu denen des Frauentrakts, bis auf wenige Anbauten und Erweiterungen blieb sein Grundriss bis heute erhalten. Im Sommer 1842 waren die Arbeiten beendet, sie hatten insgesamt 537 366 Gulden gekostet. Finanziert wurde die Illenau von der badischen Regierung, vor allem Großherzog Leopold war ein wichtiger Unterstützer Rollers, da er ihn persönlich schätzte. Er gab dem Komplex bei der feierlichen Grundsteinlegung im Jahr 1839 auch den Namen Illenau, benannt nach dem Flüsschen Ill, das durch die Au fließt, auf dem die Anstalt entstand.

Ab September 1842 trafen die ersten Patienten in der Illenau ein. Insgesamt kamen 291 Kranke aus Heidelberg und Pforzheim. Sie wurden anfangs von drei Ärzten und 58 Pflegern und Wärtern betreut. Außerdem gab es zahlreiche Handwerker, Verwalter und Büroangestellte. Dazu kamen jeweils ein katholischer und ein evangelischer Geistlicher. Die Parität zwischen beiden großen Konfessionen spielte in der Illenau immer eine große Rolle, Großherzog Leopold wollte beide christlichen Gruppen in seinem Land gleichbehandeln. Die Kirche in der Illenau wurde deswegen als Simultankirche von beiden Konfessionen genutzt. Bis 1909 war der evangelische Pfarrer auch für das Umland zuständig, erst dann wurde in Achern die Christuskirche gebaut.

Christian Roller leitete die Anstalt bis zu seinem Tod 1878. Durch sein Fachwissen machte er die Illenau in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert zu einer der bekanntesten Irrenanstalten in ganz Deutschland, Ärzte aus ganz Europa kamen zu Schulungen und Tagungen. Christian Roller verfasste zahlreiche Lehrbücher über seine Arbeit als Psychiater, außerdem gründete er gemeinsam mit Kollegen im Jahr 1842 die »Zeitschrift für Psychiatrie«. Im Jahr danach veröffentlichte Christian Roller das Illenauer Statut, die Regeln für das Zusammenleben in seiner Einrichtung: Er stellte seine Arbeit unter das Motto »Liebe, diene«. Die Kranken sollten nicht als arme Irre, sondern auch als Mensch gesehen und behandelt werden. 

Da die Kranken aus ihrer gewohnten Umgebung gerissen wurden, sollte in der Illenau eine Art neue Heimat mit einer Ersatzfamilie geboten werden. Zu dieser Familie gehörten neben den Patienten auch alle Angestellte der Anstalt. Die Regeln sorgten für ein enges Zusammenleben. Die Grundsätze des Statuts galten bis zum Ende der Klinik in der Zeit des Nationalsozialismus. 

Der Alltag in der Klinik war genau durchgeplant. Die Patienten wurden um 6 Uhr morgens geweckt, es gab tägliche Gottesdienste. Etwa 80 Prozent der Patienten arbeiteten in der Anlage mit, sei es auf Feldern, Gärten oder in den Werkstätten. Später gab es auch Sport und andere Freizeitaktivitäten. Gesund konnte nach Rollers Ansicht nur werden, wer sich aktiv beschäftigte.

Zur Person

Christian Roller

Schon Rollers Vater Johann Christian Roller beschäftigte sich mit psychisch Kranken, er war Arzt am Krankenhaus in Heidelberg. Hier wurde sein Sohn Christian 1802 geboren. 
Nach dem Tod seines Vaters 1814 wuchs Christian Roller in Karlsruhe auf, ab 1818 studierte mit einem Stipendium der Regierung Medizin in Tübingen. Im Auftrag der Regierung reiste Christian Roller ab 1825 durch Europa und besuchte Einrichtungen für Geisteskranke, unter anderem in Frankreich, Belgien, Österreich und deutschen 
Staaten. 
Anschließend wurde er 1827 Assistenzarzt an der Irrenanstalt in Heidelberg, zu deren Leiter er später aufstieg. Im Auftrag der Regierung wählte er die Illenau als Ort für die neue zentrale Landesirrenanstalt aus, die nach seinen Vorschlägen gestaltet wurde. 
In der neuen Einrichtung war Christian Roller von 1842 bis zu seinem Lebensende 1878 Direktor. Er lebte hier gemeinsam mit seiner Frau Christiane. Gemeinsam hatte das Paar neun Kinder, von denen drei früh ­starben. 
Zeitgenossen beschrieben Christian Rollers Auftreten teilweise als autoritär, allerdings wurden seine besondere Leistung um die Behandlung psychisch Kranker weithin gelobt. Christian Roller galt als einer der bedeutendsten Psychiater seiner Zeit.

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