Draveiler stirbt im Wahllokal
Die französischen Präsidentschaftswahlen sind für einen Bewohner von Oberkirchs französischer Partnerstadt Draveil tödlich verlaufen. Außerdem sorgten der Kreisvorsitzende, eine Drohne, ein Laser-Strahl und abgeholzte Bäume für Ärger.
Die gemäßigte Mitte oder rechtextrem? Emmanuel Macron oder Marine Le Pen? Das war die letzte große Frage, die sich ein 89-jähriger Bürger aus Oberkirchs französischer Partnerstadt Draveil in seinem Leben gestellt hat. Vielleicht war es seine eigene Entscheidung, die ihm Sekunden nach der Stimmabgabe in der zweiten Runde der französischen Präsidentschaftswahl so zugesetzt hat. Jedenfalls erlitt der Mann noch im Wahllokal einen Schwächeanfall. Über einen stechenden Schmerz in der Brust konnte er seinem Sohn noch berichten – dann starb er. Das Wahllokal in Draveil blieb für Stunden geschlossen.
Entsetzen rief unterdessen eine Entscheidung des Kreisvorsitzenden Nicolas Dupont-Aignan hervor. Der ist gleichzeitig Bürgermeister der Gemeinde Yerres, eine der drei Gemeinden, mit der Draveil gegen den Willen eigentlich aller in der Stadt zu einem größeren Kreis fusionieren musste. Zudem ist er Kopf der von ihm gegründeten konservativ-gaullistischen Partei »Debout la France« (zu Deutsch etwa: Aufstehen, Frankreich!). Als solcher wollte Dupont-Aignon selbst Präsident werden, scheiterte aber in der ersten Wahlrunde. Für die zweite Wahlrunde forderte er seine Wähler auf, Marine Le Pen zu unterstützen. Die bürgerliche Mehrheit im Gemeinderat von Draveil fand das unerhört: Ihr Kreisvorsitzender unterstützt die Rechtsextreme!
Die Bürgerlichen präsentierten sich im Gemeinderat übrigens schon immer unter dem Namen »Draveil en marche« (Vorwärts!). »En marche« heißt ja auch die Bewegung von Macron. Gerade so, als ob er den Namen in Draveil abgekupfert hätte. Wo die Mehrheit von »Draveil en marche« jedoch keineswegs Macron unterstützt, sondern sich dem konservativen Lager zugehörig fühlt. Das wechselt gerne mal seinen Namen und nennt sich zurzeit »Les Républicains«.
Dieser Partei gehört auch Bürgermeister Georges Tron an. Der hat sich jetzt zum Anwalt vieler empörter Waldbesucher seiner Gemeinde gemacht. Draveil grenzt an ein großes Waldgebiet, den Wald von Sénart. Zum Spazieren, Sporttreiben und Picknicken lädt er ein. Doch die nationale Forstbehörde hat dort jetzt Kahlschlag verursacht. Bäume wurden reihenweise gefällt, in viel zu großer Zahl, wie die Bürger fanden. »Die Behörde macht Geld mit unserem Wald«, regten sich die Bürger auf. Bürgermeister Tron stimmte in den Aufschrei ein. Das Bäumefällen habe ein Geschmäckle. Die zuständige Ministerin habe nämlich der Behörde den Auftrag gegeben, das eigene Defizit auszugleichen. Das täte die Behörde jetzt mit dem massiven Abholzen. Informiert darüber habe sie keinen, ihr Vorgehen mit nichts erklärt. Daher auch die Aufregung. Das gehe so nicht. Gegenüber der Zeitung »Le Parisien« erklärte sich die Behörde sehr wohl. Das Abholzen gehöre zur Pflege des Waldes. Die Kritik sei unbegründet.
Pilot geblendet
Nicht so die Entrüstung des Piloten eines Rettungshubschraubers, der am späten Abend zum Landeanflug auf einen Krankenhauskomplex südlich von Draveil zuflog. Über Oberkirchs Partnerstadt wurde er von einem hellen Strahl geblendet. Der Pilot konnte die Kontrolle über den Hubschrauber behalten, kreiste danach mehrfach über der Stadt und stellte fest, von woher der Strahl kam. Kurz darauf traf dort die Polizei ein. Der Mann, der den Piloten mit einem Laser-Strahl geblendet hatte, leistete keinen Widerstand. Das Laser-Strahlgerät hatte er im Internet gekauft. Illegal, denn ein Gerät mit so einer Strahlkraft und -weite darf in Frankreich nicht in Privatbesitz sein. Der Mann muss sich vor Gericht verantworten.
Wo wahrscheinlich auch die beiden jungen Männer landen, deren Drohne minutenlang über der Polizeistation von Draveil gekreist ist. Die beunruhigten Beamten verfolgten die Drohne, die plötzlich absackte und am Boden landete. Die Polizisten warteten auf die Besitzer, die dann auch tatsächlich kamen. Warum sie die Drohne über der Polizei hatten fliegen lassen, wurde zunächst nicht kommuniziert. In Frankreich herrscht immer noch (aktuell bis Juli) Ausnahmezustand – Terrorgefahr.
Auf Steuererhöhung verzichtet
Zum siebten Mal in Folge werden die Lokalsteuern in Draveil nicht erhöht. Eine Entscheidung, auf die Bürgermeister Georges Tron und seine Mehrheit im Gemeinderat sehr stolz sind. Auch die Neuverschuldung soll weiter sinken. »Wir wollen die Zukunft unserer Bürger nicht durch Schulden belasten«, schreibt Tron in der Gemeindezeitschrift
»Vivre à Draveil« (zu deutsch: Leben in Draveil).
Die Schuldenlast von derzeit 588 Euro pro Kopf liege um die Hälfte niedriger als im Durchschnitt der Gemeinden von Draveils Größe. Bis 2031 soll der Schuldenberg von 17,5 Millionen Euro auf quasi null schrumpfen. Obwohl die staatlichen Zuwendungen an die Gemeinden jedes Jahr abnehmen und das vernünftige Haushalten dadurch immer schwerer würde, klagt Tron.kw