Im Bühler Stadtteil Wasserbett unterrichtet Udo Großmann die seltene Kampfkunst Wing Chun, zu Deutsch „Ode an den Frühling“, eine höchst effektive Kampfkunst, die sich vor 250 Jahren aus verschiedenen Kung-Fu-Stilen entwickelt hat.

„Die Techniken und Übungen werden in einem modularen System mit ständig wachsenden Anforderungen Schritt für Schritt erlernt. Körperliche Fitness, Selbstbewusstsein und Durchsetzungsvermögen gehen dabei Hand in Hand“, sagt Großmann. Bei der Anwendung ist ein Miteinander Voraussetzung für den Lernerfolg. Diese kooperative Übungsweise ist Grundlage für ein entspanntes Umfeld und ermöglicht jedem Schüler, an seinem Wing Chun so effektiv wie möglich zu arbeiten.

Das Training darf nicht zu einem gegenseitigen Schlagabtausch verkommen. „Meine Schüler sollen wie fließendes Wasser ohne Widerstände kämpfen“, sagt der „Si-Fu“, wie Wing-Chun-Lehrer genannt werden. Der Übende kämpft gegen sich selbst und verbessert so seine persönlichen und technischen Fähigkeiten und Fertigkeiten, die dann wiederum im Ernstfall, bedingt durch diese Trainingsweise und dem damit verbundenen Beherrschen der Techniken, auf bestmöglichem Niveau zur Verfügung stehen.

Da Wing Chun ganz ohne Show und Akrobatik auskommt, ist es nahezu von jedermann erlernbar. „Kämpfen erlernen, um nicht kämpfen zu müssen“, lautet die Devise. Großmann bietet Einzel-, Gruppenunterricht, aber auch Vorbereitungskurse zum Instructor an. Einmal im Jahr werden im saarländischen Namborn die Prüfungen für ganz Europa abgenommen. Wing Chun sei ein lebenslanger Kampfkunstprozess, sagt Großmann. „Während wir älter werden, wird unser Wing Chun immer jünger werden“.

Bis ins Greisenalter

1987 hat Großmann mit seiner Kampfkunst begonnen, 2000 eröffnete er eine Bühler Schule. Wing Chun ist für jedes Alter geeignet und kann bis in das hohe Greisenalter ausgeübt werden. Der Lehrer bietet in der Regel zweimal pro Woche ein Training für seine Schüler an. 2006 wurde Großmann seinerseits wiederum direkter Schüler von Si-Fu Wilhelm Blech. Es gibt nur neun Schulen in Deutschland, die unter dem Dachverband „Elywcimaa“ (European Lok Yiu Wing Chun International Martial Art Association) mit Sitz in Saarbrücken angesiedelt sind.

Trainiert wird einmal pro Jahr in Hongkong mit den Großmeistern seines Fachs „Lok Kwong“ und „Lok Sang“. Wing Chun-Kämpfer sind ursprünglich am legendären Boxeraufstand beteiligt gewesen. China wehrte sich hierbei um die Wende zum 20. Jahrhundert gegen den westlichen Imperialismus. Die chinesischen Kampfkünste gehen auf Ursprünge zurück, die bis ins dritte Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung reichen. Die heute bekannten traditionellen Künste sind größtenteils zwischen dem 16. und dem 19. Jahrhundert entwickelt worden. Die geistigen Ursprünge sind in den drei großen Determinanten der chinesischen Philosophie zu suchen: dem Konfuzianismus, dem Daoismus und dem Chan-Buddhismus. Das Wing Chun ist, ohne viele äußere diesbezügliche Traditionen zu pflegen, ein Produkt dieser philosophischen Strömungen. Philosophie, Meditationstechniken und Chi-Übungen der inneren Kräfte sind im Wing Chun verpackt. Der Kampfkünstler sollte sich nach Ansicht Grossmann auch der moralischen Werte bewusst sein, die Pate gestanden hätten.