Ein Mahnmal in der ehemaligen Heil- und Pflegeanstalt
Unsere Serie „Kunstspaziergang in Achern“ möchte dazu einladen, die Corona-Phase geschlossener Museen zu nutzen, um die Kunst im öffentlichen Raum zu entdecken und sich mit ihr zu befassen. Auf dem Weg zum Rathaus sehr prominent platziert ist das Objekt „Gedächtnislücke“ und das aus gutem Grund: Das künstlerische Mahnmal in der ehemaligen Heil- und Pflegeanstalt Illenau erinnert an die Opfer der NS-Gewaltherrschaft.
Keine Stolpersteine
Der in Ottersweier lebende und arbeitende Künstler Manfred Emmenegger-Kanzler (Jahrgang 1953) hat dieses Zeichen der Vergangenheitsbewältigung zusammen mit dem Maler Franz Rothmund (1945-2017) als langgezogenen, tiefen Einschnitt in den nördlichen Fußweg vor dem Illenau-Portal gestaltet.
Anstelle von Stolpersteinen soll dieses im Jahr 2016 in den Boden eingelassene Mahnmal aus Metall und Glas keine „Gedächtnislücke“ aufkommen lassen. Drei Jahre später realisierte Emmenegger-Kanzler mit „Wider das Vergessen“ ein weiteres Euthanasie-Mahnmal in der nahegelegenen Kreispflegeanstalt Hub.
Der in Achern quer über den Weg verlaufende Riss, wie er bei einem Erdbeben hätte entstanden sein können, resultiert aus einem Wettbewerb, den mit Hanna Buck und Rebecca Schmidt zwei Studentinnen der Pädagogische Hochschule Freiburg gewonnen hatten. Bei Dunkelheit wird die eindrückliche wie einzigartige „Gedächtnislücke“ zur Lichtskulptur, allerdings sind inzwischen mehrere der Leuchten im Boden defekt. Eine optische Beeinträchtigung bildet zudem, dass sich Wassertropfen unter der Glasoberfläche sammeln.
Fünf Tafeln des Gedenkens im Umfeld erinnern an 254 ermordete Patienten und Zwangssterilisationen in der Illenau, an deportierte und ermordete jüdische Bürger sowie an polnische Mädchen, die zur „Eindeutschung“ nach Achern verschleppt wurden. Die Konturen der „Gedächtnislücke“ bilden das Logo für die 1,90 Meter großen Erinnerungsstelen. Diese befinden sich beim Mahnmal selbst sowie vor dem Bistroeingang des Illenau-Arkaden-Museums (mit Gedenkraum), vor der Jugendkirche, beim Haus polnischer Mädchen in der Klara-Reimann-Straße 31 und auf dem Illenauer Friedhof.
An diesen „Orten des Gedenkens“ sind seit Januar außerdem fünf bewegende Gedichte der Jüdin Selma Merbaum angebracht. Sie starb 1942 mit nur 18 Jahren in einem deutschen Zwangsarbeiterlager in der Ukraine.