»Enorm, was in Häusern lagert«
Rheinau-Diersheim. Für den Verein waren das 750-jährige Jubiläum und das in Zusammenarbeit mit Gerd Birsner damals eigens verfasste und aufgeführte Musical »Diersche forever« im Jahr 1991 der Startschuss, erläutert die 65 Jahre alte Lehrerin und Mutter zweier Söhne und Vorsitzende des Vereins für Heimatgeschichte, Helga Grampp-Weiß. Die 1995 erschienene Ortschronik und die große Ausstellung »200 Jahre Schlacht bei Diersheim« waren weitere Höhepunkte der noch jungen Geschichte des sehr rührigen Vereins.
Die Schlacht, die sich die Franzosen unter General Mureau mit den von Feldmarschall Graf von Sztaray geführten Kaiserlichen im April 1797 bei Diersheim geliefert hätten, hätte dem Ort letztlich zwar eine eigene Erwähnung im Pariser Triumphbogen gebracht, sei aber eigentlich unnötig gewesen, weiß Helga Grampp-Weiß. Drei Tage vor den Kämpfen sei schließlich in Italien der Frieden schon beschlossen gewesen.
Durch ihre eigenen Lehrer und das Elternhaus, vor allem Großvater Friedrich Schnee, der als Gemeinderechner viele Jahre im Rathaus arbeitete, sei sie selbst schon früh sehr geschichtsinteressiert gewesen. Als Lehrerin setzte sie sich im Unterricht in Neumühl oder in Kork dafür ein, dass die Heimatgeschichte in der Schule Platz hatte.
Germanische Grabungen
In Diersheim, so Helga Grampp-Weiß, seien die Grundlagen der heutigen Arbeit schon in den 30er Jahren gelegt worden, als germanische Ausgrabungen im Oberfeld erfolgreich waren und die Lehrer Gottlob Schlörer und Friedrich Kößler geschichtlich Wertvolles über das suebische Gräberfeld, aber auch viel anderes aus Vergangenheit und Gegenwart des Rhein- und Grenzdorfs Diersheim erfassten. Diese Schriften wurden später von dem ehemaligen Ortsvorsteher Hans Hauß in zahlreichen Vorträgen vorgestellt.
Zudem habe Liselotte Simon, eine der äußerst aktiven Geschichtlerinnen im Verein, bei der Übertragung der damaligen Ergebnisse in die heutige Zeit Beispielhaftes geleistet und viel zugänglich gemacht und erhalten. Immerhin, so Helga Grampp-Weiß, die seit 1989 auch Ortschaftsrätin in Diersheim ist und im vergangenen Jahr mit der Bürgermedaille der Stadt Rheinau ausgezeichnet wurde, hat man schöne Dokumentationen über die Sagen Diersheims, Flurnamen, Ortsgerichte, über Wälder sowie ein Buch über das »Dierschemer Gebabbel« und vieles mehr herausgebracht. Auch die Schicksale von Auswanderern bilden einen Vereinsschwerpunkt, zu dem viele Briefe und Bilder ausgewertet wurden.
Neben den genannten Glanzpunkten des Vereins hat man auch dem Diersheimer Müller Johann Georg Hummel ein Denkmal gesetzt, der sich als ehemaliger Ratschreiber und Bürgermeister Diersheims 1848 für die Badische Revolution engagiert hatte, später unter entsprechenden Repressalien zu leiden hatte und wie andere Revoluzzer zeitweise nach Amerika abtauchte. Später erkrankte er im Bruchsaler Zuchthaus an Tuberkulose.
Sehr reger Verein
Besonders froh ist Helga Grampp-Weiß, dass der Verein mit 122 Mitgliedern sehr rege ist. Dass der Bus für den diesjährigen Vereinsausflug ins Elsass wieder restlos gefüllt war, spricht ebenso für die Lebendigkeit der Dierschemer Geschichtserforschung wie die Tatsache, dass man in Neuwiller und durch den Besuch der Burg Lichtenberg bewusst die Verbindung zur eigenen Geschichte suchte. Nicht zuletzt freut sich Helga Grampp-Weiß auch, dass mittlerweile auch junge Mitglieder im Vorstand dazukommen und aktiv mitarbeiten.
Ein besonderes Domizil hat man im vergangenen Jahr mit den Räumen der ehemaligen Nudelfabrik geschaffen. Leihgaben und geschichtlich wertvolle Geschenke aus der Bevölkerung haben dort jetzt einen guten Platz. »Es ist ganz enorm, was noch alles in den Häusern lagert«, meint Helga Grampp-Weiß und zeigt ihre Räumlichkeiten mit Kleidern, Leinengewebtem, einer Küche, einer Werkstatt, Materialien aus der Schule, alten Puppen und beispielsweise dem »Geschirr« der letzten Hebamme des Dorfs. »Neben diesen Geschichtsgegenständen sammeln wir aber auch alte Fotos, Briefe und Dokumente, so dass ein immer dichteres Bild der früheren Zeit entsteht.«
Dass bei so vielen Aktivitäten noch Platz für einen Wunsch ist, scheint selbstverständlich. »Prima und ein Plus fürs ganze Hanauerland wäre, wenn die Rheinauer Geschichtsvereine noch enger zusammenarbeiten würden.«