Gong-Programm: Nosferatu mit Klavier und Schlagzeug
Begleit-, beziehungsweise Hintergrundmusik ist ein nicht unerheblicher Faktor der Film- und Fernsehproduktion, was vor allem jeder Krimifan bestätigen wird. Da gibt es ganze Passagen ohne Dialog, die allein durch das Musikarrangement zu einem nervenzerrenden Erlebnis werden. Andererseits hagelt es regelmäßig Zuschauerproteste, wenn die Filmmusik die Dialoge bis zur Unverständlichkeit überlagert. Naturfilme und Dokumentationen bekommen mit ihr eine ganz besondere Note, kurz: Ohne Musik wäre die Filmproduktion nur das halbe Vergnügen.
Exzellentes Duo
Von dieser eminenten Bedeutung der Filmmusik durften sich am Mittwochabend Stummfilmenthusiasten im Kulturforum Illenau in Achern überzeugen. Da hatte ein exzellentes Duo (Reiko Emura, Klavier, und Shinichi Minami, Schlagzeug) sich etwas ganz Besonderes vorgenommen, und zwar, die Filmmusik von Friedrich Wilhelm Murnaus „Nosferatu“ neu zu gestalten. Nun ist dieser Stummfilm freilich einer der herausragenden seines Genres, und auch die Filmmusik von Hans Erdmann hat ihn mitgeprägt und zu einem der meistaufgeführten Horrorstreifen gemacht.
Reiko Emura und Shinichi Minami, die als das Duo sai.Lento unterwegs sind und bislang erfolgreich Konzerte für Klassik und Jazz absolviert haben, sind nun mit ihrer Eigenkomposition zu „Nosferatu“ das Wagnis eingegangen, einem über einhundert Jahre alten Meisterwerk neues Leben einzuhauchen und nur mit Klavier und Schlagzeug dem großen Orchester der Originalfassung etwas entgegenzusetzen. Kann das gutgehen?
Zunächst zum Film selbst, der 1922 mit großem Werbeaufwand in Berlin uraufgeführt wurde: Das Drehbuch von Hennik Galeen ist eine Adaption des Romans „Dracula“ von Bram Stoker. Es ist die Geschichte des Grafen Orlok (Nosferatu), einem Vampir aus den Karpaten, der in Liebe zur schönen Elena entbrennt und aus Verzweiflung überall Schrecken in der Stadt verbreitet, während dort die Pest wütet. Der Schauspieler Max Schreck als Nosferatu ist die alles überragende Figur des Films.
Und nun also ein „Nosferatu“ mit Klavier- und Schlagzeugbegleitung! Und da wird gleich zu Beginn deutlich: Es ist nicht die Größe des Orchesters, die den Unterschied macht, sondern der Klangcharakter, die Klangfarbe, passend zur jeweiligen Sequenz des Films. Und das kann notfalls auch mit nur einem einzigen Instrument bewerkstelligt werden.
Das demonstrieren Reiko Emura und Shinichi Minami vom ersten Ton an, wenn sie die Tasten nur antippt und staccato den Film einleitet und er leise mit dem Gong einstimmt. Ihre gesamte Begleitung ist höchst atonal, jazzig und originell, mit vielen ungewöhnlichen Soundelementen, wenn zum Beispiel Klöppel zum Einsatz kommen oder ganz schräge Ziehlaute, die Shinichi Minami aus seinem Schlagzeug zaubert. Immer aber, und das ist das Bemerkenswerte, wird die Dramatik, das Dunkle und Mysteriöse, das Leid und der Schrecken einer jeden Szene punktgenau musikalisch umgesetzt. Eine große Leistung des Duos, das mit Kreativität und modernen Jazzelementen einen neuen „Nosferatu“ gestaltet hat, der sich vor dem alten nicht verstecken muss. Ein kunstverständiges Publikum belohnt die beiden mit anhaltendem Applaus.