Hauptstraße wandelte sich vom Marktplatz zur Bundesstraße
Jahrhundertelang prägten Kutschen und Fuhrwerke, vor allem jedoch Fußgänger das Bild der Oberkircher Hauptstraße. Wie sich das im Laufe der Zeit änderte, zeigt der zweite Teil unserer Serie »Hauptstraßen-Geschichten.«
Zwar hatte die Oberkircher Hauptstraße auch in schon länger vergangenen Zeiten den durch das Renchtal fließenden überregionalen Verkehr aufzunehmen. Das Verkehrsaufkommen war jedoch um ein Vielfaches geringer als im 20. Jahrhundert. Und so war die Hauptstraße über Jahrhunderte ein Ort, an dem Menschen zusammenkamen. Hier wurden die Märkte abgehalten, und man traf sich an den Brunnen zum Wasserholen.
Verkehr floss am Gefängnisturm vorbei
Kam man nach Oberkirch, so hatte man zunächst die auf der Hauptstraße stehenden Stadttore zu passieren. Das untere Tor befand sich beim Amtshaus (Hauptstraße 48, heute Polizei), das obere zusammen mit einem Gefängnisturm beim Stadtschloss (Hauptstraße 22, später Delphinen-Apotheke).
In den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts wurden sowohl die Tore wie auch der Turm abgerissen. Eines der Tore war in so schlechtem Zustand gewesen, dass laut eines Berichts aus dem Jahr 1803 die Gefahr bestand, »daß es bei jedem Einfahren eines geladenen Wagens ganz zusammen stürzen und großes Unglück anrichten« könne.
Ein Zeitgenosse lobte 1827: »In der lezten Zeit hat die Schönheit der Stadt durch Wegräumung des Gefängnisthurmes, der mitten in der Straße stand, und der Thore bedeutend gewonnen.« Heute würde man dies anders beurteilen. In jedem Fall wurde damals jedoch die Voraussetzung für die Aufnahme der Verkehrsströme geschaffen, die mit der Erfindung und Verbreitung des Automobils einsetzten.
Fußgänger auf Zebrastreifen verdrängt
Und so entwickelte sich die Hauptstraße im 20. Jahrhundert zu einer vielbefahrenen Verkehrsachse. Ab der evangelischen Kirche in östliche Richtung wurde die Hauptstraße zur Fernverkehrsstraße, Reichsstraße und schließlich zur Bundesstraße 28. Die Fußgänger wurden auf Gehwege und Zebrastreifen verdrängt. Es wurden an der Hauptstraße Tankstellen errichtet, Verkehrsschilder aufgestellt und Parkbuchten gebaut.
Ab 1963 mussten die Jahrmärkte aufgrund des gestiegenen Verkehrsaufkommens verlegt werden. Die Jahrmärkte hatten auch nach der Einrichtung des Marktplatzes 1935 noch häufig auf der Hauptstraße stattgefunden. 1963 verweigerte das Landratsamt jedoch die Sperrung der B 28 zu diesem Zweck. Man wich deshalb in die untere Hauptstraße und die Obere und Untere Grendelstraße aus.
Jahrmarkt auf der B 28 ärgert Autofahrer
Von Seiten des Landratsamtes war schon 1952 geklagt worden, es verursache »Ärger und Verständnislosigkeit« bei den Fahrern von Personen- und Lastkraftwagen, »dass auf der Bundesstraße ein Jahrmarkt abgehalten« werde. 1954 schrieb das Landratsamt an die Stadt Oberkirch, dass bei einem der letzten Jahrmärkte ein Langholzfahrzeug erst die Umleitungsstrecke habe befahren können, nachdem ein Stamm um drei Meter gekürzt und parkende Fahrzeuge beseitigt worden seien. Zudem sei auch noch ein Baum beschädigt worden.
Umgeleitet wurden damals an einem Jahrmarkttag 939 Krafträder, 1 507 PKW, 54 Omnibusse, 380 LKW, 178 Lastzüge, sechs Langholzfahrzeuge und 82 Zugmaschinen, zudem aber immerhin auch noch 85 Fuhrwerke.
Bis zum 24. September ist im Heimat- und Grimmelshausenmuseum Oberkirch eine Ausstellung über die historische Entwicklung der Hauptstraße zu sehen, und zwar dienstags und donnerstags von 15 bis 19 Uhr und sonntags von 10 bis 12.30 Uhr und von 14 bis 17 Uhr.